Für so einige Unternehmen bedeutet die Corona-Krise derzeit Stillstand. Ganz anders gilt für den Drohnen-Lieferdienst Wing. Das Google-Unternehmen versorgt seine Kunden derzeit mit essentiellen Gütern – aber auch mit Kaffee und Gebäck.
Von Michael Förtsch
In der Corona-Krise heißt es derzeit, den zwischenmenschlichen Kontakt auf das Nötigste zu reduzieren. Vermeidbare Besuche bei Freunden und Verwandten sollen unterlassen werden. Ebenso Kirchgänge und natürlich Partys. Aber auch bei kaum aufschiebbaren Besorgungen soll darauf geachtet werden, möglichst viel Abstand zu anderen zu halten. Beispielsweise beim Einkaufen. Daher erleben derzeit auch Lieferdienste einen regelrechten Boom. Denn im besten Falle werden Besorgungen von Lieferanten einfach vor der Tür abgestellt. Ganz ohne interpersonellen Kontakt. Noch einen Schritt weiter geht der Dienst Wing. Denn der lässt den Menschen bei der Lieferung gleich komplett weg.
Das Start-up Wing gehört zum Google-Mutterkonzern Alphabet und war einst als Projekt des Google-Forschungslabors X gestartet. Im Juli 2018 wurde das Drohnen-Lieferprojekt als eigenständige Firma ausgegründet. Und bereits im Januar 2019 nahm das Unternehmen dann in Bonython, Australien, einen Testbetrieb auf und lieferte unter anderem Fastfood aus. Wenig später folgte Helsinki, Finnland. Seit sechs Monaten ist Wing dank einer Flugerlaubnis durch die Federal Aviation Administration auch in den USA aktiv – in Christiansburg, im US-Bundesstaat Virginia.
Dort hat das Unternehmen derzeit tatsächlich einiges zu tun. Viele Einwohner der 22.000-Einwohnerstadt setzen für – mal mehr, mal weniger lebensnotwendige – Bestellungen stark auf den Multikopter-Dienst. Laut US-Medien wie WSLS und Forbes werden über die Bestell-App des Dienstes unter anderem Kaffee, Toilettenpapier, Kekse, Zahnpasta, Tunfisch in Dosen sowie Medikamente und Baby-Nahrung bestellt. Allein in den letzten zwei Wochen sollen mehr als 1.000 Auslieferungsflüge durchgeführt worden sein. Mehr als doppelt so viele wie vor Beginn der Krise.
Gute Alternative zur Laufkundschaft?
Die Lieferungen sollen auch lokalen Unternehmen helfen, weiter in Betrieb bleiben zu können. Denn die Waren kommen von ansässigen Filialen – vor allem von Ketten wie Walgreens. Wing übernimmt nur die Auslieferung. Wegen der steigenden Zahl an Bestellungen werden den Berichten zufolge derzeit weitere Partnerschaften mit Geschäften geschlossen. Darunter soll laut Forbes mit dem Mockingbird Café auch eine kleine Bäckerei aus Christiansburg sein, die bereits am ersten Tag der Auslieferungspartnerschaft doppelt so viel Absatz wie in den Tagen zuvor verzeichnete. „Derzeit ist das ein fantastischer Zugewinn für uns“, lässt sich Donna Speaks von Forbes zitieren. Ähnliches sollen auch andere Wings-Partner berichten.
Aber nicht nur in den USA haben sich die Bestellungen über Wings vermehrt. Gleiches wird aus den Teststädten in Australien und Finnland berichtet. „Wir glauben, dass unsere Technik an diesem Punkt sehr von Vorteil sein kann, weil sie eben nicht auf Mensch-zu-Mensch-Kontakten basiert“, sagt Alexa Dennett von Wing. Wirklich vorbereitet sei Wing auf diese Entwicklung laut Dennet aber nicht gewesen. Das Unternehmen arbeite derzeit hart daran, die Kapazitäten aufzubringen, um den rapiden Auftragsanstieg zu bewältigen.
Der Lieferprozess von Wing läuft mit eigens entwickelten Multikopter-Drohnen namens Hummingbird ab. Sie sind rund einen Meter breit und verfügen über Katamaran-artige Längsachsen, die mit insgesamt 12 Rotoren bestückt sind. Dazu kommen zwei Propeller an zwei kurzen Flügeln, die Fluggeschwindigkeiten von bis zu 125 Kilometern pro Stunde garantieren sollen. Für Orientierung sorgen eine Kamera, mehrere Näherungssensoren und GPS – ebenso wie ein von Wing konzipiertes Flugsicherheits- und Flugplanungssystem. Damit soll eine Lieferung innerhalb von rund 10 bis 15 Minuten möglich sein. Abgeliefert wird die bestellte Ware in einem kleinen Paket, das per Seilwinde herabgelassen und über dem Boden ausgeklinkt wird.
Teaser-Bild: Wing