GenCast: Eine Google-KI sagt das Wetter besser voraus als jeder Wetterdienst

Forscher und Entwickler des KI-Unternehmens DeepMind von Google haben eine Künstliche Intelligenz mit Wetterdaten aus 40 Jahren trainiert. Das Modell namens GenCast soll fast durchgehend genauere Vorhersagen als klassische Prognosemethoden produziert haben. Dabei sollen die Vorhersagen von GenCast bis zu 15 Tage zuverlässig sein.

Von Michael Förtsch

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Wettervorhersage immer weiter verbessert. Vor allem dank komplexer Simulationen der Vorgänge in unserer Atmosphäre, in den Gewässern und der globalen Klimamuster können Meteorologen das Wetter heute ziemlich genau vorhersagen. Oft für mehrere Tage in Folge. Wirklich daneben liegen sie nur noch selten. Aber es kommt trotzdem immer wieder vor. Vor allem extreme Wetterereignisse treffen Meteorologen immer wieder unvorbereitet. Die Entwickler der Google-KI-Tochter DeepMind hoffen, das ändern zu können. Denn sie haben mit GenCast eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die das Wetter genauer vorhersagen soll als alle bisherigen Prognoseverfahren.

In mehreren Testläufen soll GenCast um bis zu 20 Prozent besser abgeschnitten haben als die Ensemble-Forecast-Methoden des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts, das derzeit als der weltweit genaueste Wetterdienst gilt. Und das sowohl bei kurzfristigen Vorhersagen, etwa für den nächsten Tag, als auch bei längerfristigen Wetterprognosen. Insgesamt sollen die Vorhersagen von GenCast bis zu 15 Tage in die Zukunft zuverlässig sein. Bei den meisten anderen Vorhersagemethoden gilt dies nur für bis zu zehn Tage. Auch bei der Berechnung der Zugbahnen von Extremwetterereignissen wie Hurrikanen und Zyklonen habe GenCast detailliertere und genauere Aussagen geliefert. „Der bahnbrechende Einsatz von KI in der Wettervorhersage wird Milliarden von Menschen in ihrem Alltag zugutekommen“, sagen daher Ilan Price und Matthew Willson von DeepMind.

Wie etablierte Wettersimulationen erstellt auch GenCast nicht nur eine absolute Prognose, sondern mehrere mögliche Wetterlagen – sogenannte probabilistische Vorhersagen. Insgesamt soll die KI den herkömmlichen Methoden bei 1.320 Vorhersagen in ganzen 97,2 Prozent der Fälle überlegen gewesen sein – in bis zu 99,8 Prozent, wenn die Vorlaufzeit über 36 Stunden betrug. Die Vorhersagen von GenCast umfassen jeweils 12-Stunden-Schritte mit einer Auflösung von 0,25° Längen- und Breitengrad – das entspricht etwa 28 mal 28 Kilometer großen Quadraten. Die Generierung einer einzelnen Wettervorhersage mit GenCast für 15 Tage soll auf einem der TPU-Cloud-Computer von Google etwa acht Minuten dauern. Für aktuelle Wettervorhersagen werden Simulationen auf Supercomputern durchgeführt, die bis zu mehreren Stunden dauern können. Den Entwicklern von DeepMind zufolge könnte das Modell daher einen Technologiesprung von fünf Jahren bei der Entwicklung besserer Wettervorhersagen bedeuten.

Die gleiche Technik wie hinter Stable Diffusion

Wie die Entwickler in einer Studie erläutern, basiert GenCast auf sogenannten Diffusionsmodellen. Diese haben ihren Ursprung in der Physik und Statistik, insbesondere im Bereich der Thermodynamik. Ursprünglich wurden sie verwendet, um die Verteilung von Partikeln und Gasen zu bestimmen. Wirklich bekannt wurden Diffusionsmodelle aber als Grundlage für „die Art von generativen KI-Modellen, die den jüngsten rasanten Fortschritten bei der Erzeugung von Bildern, Videos und Musik zugrunde liegen“.

Im Gegensatz zu den Modellen, die Bild- und Video-KIs wie Stable Diffusion, Midjourney, DALL-E, Sora oder Kling zugrunde liegen, wurde GenCast aber eben nicht entwickelt, um basierend auf Worten passende Bilder und Bewegungen zu erzeugen. Stattdessen wurde es darauf trainiert, „die komplexe Wahrscheinlichkeitsverteilung zukünftiger Wetterszenarien“ auf Basis der sphärischen Geometrie der Erde und des aktuellen Wetters – sozusagen der Prompts – zu generieren. Als Trainingsmaterial für das Modell dienten Wettervorhersagen und sogenannte Reanalysen aus rund 40 Jahren von 1979 bis 2018, die unter anderem Parameter wie Temperaturen, Windgeschwindigkeiten und Luftdrücke in verschiedenen Höhenstufen unseres Planeten enthalten. Dabei wurde auf frei zugängliche Ressourcen wie das ERA5-Dataset zurückgegriffen.

Obwohl KI-Modelle wie GenCast – und zuvor FourCastNet von Nvidia, Pangu-Weather von Huawei und GraphCast von DeepMind – sehr vielversprechende Ergebnisse liefern, ist eine gewisse Skepsis gegenüber diesen Modellen vorhanden. Denn die Modelle sind in Teilen eine Black Box. Zwar lässt sich die Funktionsweise künstlicher neuronaler Netze nachvollziehen. Nicht aber, was genau ein KI-System lernt, wenn es mit riesigen Datenmengen trainiert wird. Es ist nicht transparent nachvollziehbar, welche Muster und statischen Zusammenhänge die Netze in den Trainingsdaten erkennen, auf die sie ihre Vorhersagen stützen. Die Modelle können unter Umständen komplexe Zusammenhänge ausmachen, die für Menschen nicht sichtbar sind oder in Simulationen nicht berücksichtigt werden, und daher zu genaueren Ergebnissen führen. Sie können aber auch Scheinkausalitäten erkennen, die unter Umständen ihre Vorhersagen verzerren.

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GenCast ist frei verfügbar

Laut den Entwicklern von DeepMind soll GenCast – das auf Github frei verfügbar ist – nicht einfach die derzeitigen Vorhersagetechniken ersetzen. Vielmehr sollen Modelle wie GenCast die etablierten Praktiken der Wettervorhersage um neue Prognose- und Korrekturmöglichkeiten erweitern. Hierfür arbeitet DeepMind seit Jahren mit Wetterdiensten, Meteorologen und Klimaforschern auf der ganzen Welt zusammen. „Solche Partnerschaften bieten tiefe Einblicke und konstruktives Feedback sowie unschätzbare Möglichkeiten für kommerzielle und nicht-kommerzielle Auswirkungen, die alle entscheidend für unsere Mission sind, unsere Modelle zum Wohle der Menschheit einzusetzen“, so Ilan Price und Matthew Willson von DeepMind.

Im nächsten Schritt soll GenCast daher in vielerlei Hinsicht verbessert werden, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Vorhersagen zu erhöhen. Unter anderem soll die Datenbasis aktualisiert und die Auflösung der Vorhersagen erhöht werden, so dass die Wetterlage für deutlich kleinere Parzellen genau prognostiziert werden kann. Ebenso könnte daran gearbeitet werden, die Rechenintensität und die Generierungsgeschwindigkeit zu verbessern. Auf diese Weise könnte die Häufigkeit, mit der Vorhersagen erstellt werden können, erhöht werden. Die Forscher von DeepMind glauben, dass KI-Modelle eine „neue Ära der Wettervorhersage“ einläuten werden, die die Vorhersage genauer, effizienter und auch zugänglicher machen könnte.

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