Facebook hat einen Transparenzbericht veröffentlicht, der das Social Network in schlechtem Licht zeigt – jedoch erst, nachdem es Kritik gab, dass eben jener Bericht zurückgehalten wurde. Ein Grund: Der meistgesehene Link war eine Meldung über einen möglichen Todesfall durch einen Corona-Impfstoff.
Von Michael Förtsch
Am Samstag hat Facebook einen Transparenzbericht für das erste Quartal des Jahres 2021 veröffentlicht. Der war zuvor zurückgehalten worden, wie unter anderem die New York Times und The Verge berichten. Laut internen Emails, die der New York Times zugespielt wurden, sei der Bericht bereits vor längerer Zeit von einem Mitarbeiter ausgearbeitet, fertiggestellt, aber dann vor einer Veröffentlichung zurückgezogen worden. Facebook-Verantwortliche wie Alex Schultz fürchteten demnach, der Bericht könnte Debatten auslösen und ein „Public Relations Problem“ für Facebook verursachen. Denn der Bericht zeigt Facebook erneut in einem zweifelhaften Licht, wenn es um dessen Rolle bei der Verbreitung von irreführenden Informationen und Verschwörungstheorien geht.
Laut dem Transparenzbericht war der im ersten Quartal 2021 meistgesehene Link auf Facebook einer, der auf eine Nachricht über einen Todesfall in Florida verweist. Unter der Schlagzeile „A ‘healthy’ doctor died two weeks after getting a COVID-19 vaccine; CDC is investigating why“ berichtete die Chicago Tribune über den Todesfall eines Arztes, der zwei Wochen vor seinem Ableben eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten hat. Der Arzt soll an inneren Blutungen verstorben sein. Laut dem Artikel könnte „es möglicherweise der erste Todesfall des Landes sein, der mit dem Impfstoff in Verbindung steht“.
Eine klare Verbindung des Todesfalls zur Impfung konnte jedoch nicht gefunden werden, wie in einem Nachtrag zur Meldung festgehalten wurde. Dennoch schürte der Beitrag viel Misstrauen bei Impfskeptikern und befeuerte Verschwörungstheorien. Geteilt wurde die Meldung unter anderem von bekannten Impfskeptikern. Insgesamt 54 Millionen Facebook-Nutzer in den USA sollen die Meldung gesehen haben, weist der Bericht aus. Ebenso sichtbar ist in dem Report, dass mit Epoch Times ein Portal, das rechte Verschwörungstheorien verbreitet, im ersten Quartal 2021 unter den 20 populärsten Medienseiten der Plattform war. Direkt hinter dem TV-Sender Fox News.
Das zweite Quartal lief besser
Bei der Meldung über den verstorbenen Arzt handelt es nicht um eine Falschmeldung. Und dass Verschwörungsportale auf Facebook sehr sichtbar sind, ist gut bekannt. Tatsächlich ist es weniger der Inhalt des Transparenzberichts, der derzeit von Medienexperten kritisiert wird, sondern eben das Zurückhalten durch Facebook. Denn nachdem die Plattform immer wieder als Hort von Verschwörungstheorien, Fehl- und Desinformationen in die Kritik geraten ist, hatte dessen Führungsebene deutlich mehr Transparenz und Offenheit versprochen.
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Jetzt Mitglied werden!Laut dem Facebook-Sprecher Andy Stone habe man „in Erwägung gezogen, den Bericht früher zu veröffentlichen“. Aber man sei sich bewusst gewesen, „welche Aufmerksamkeit er erregen würde“ und hätte zunächst „Korrekturen im System“ vornehmen wollen, die einige der Probleme, die der Bericht offenbart, adressieren. Welche das genau sein sollen, dazu hat Stone keine weiteren Angaben gemacht. Aber tatsächlich ist ein bereits am Mittwoch vergangener Woche veröffentlichter Bericht für das zweite Quartal 2021 deutlich weniger kontrovers. Laut diesem waren die meistgesehenen Inhalte unter anderem Wörterrätsel, Katzen-Gifs und ein UNICEF-Bericht zur Corona-Krise in Indien.
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