Ein Forscher-Team des Massachusetts Institute of Technology hat eine Künstliche Intelligenz darauf trainiert, eine Corona-Infektion an einem Husten zu entdecken. Die Trefferrate soll bei über 98 Prozent liegen. Es wird bereits eine App entwickelt, mit der sich bald jeder selbst testen kann. Ein deutsches Start-up arbeitet ebenfalls an einer App.
Von Michael Förtsch
Wer sich gegenwärtig auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen lassen möchte, muss einen Abstrich aus der Mundhöhle machen lassen. Dieser wird dann in einem Labor überprüft. Dadurch kommt das Testresultat teilweise erst nach Tagen beim Patienten an. Vor allem für Menschen, die glauben, bereits Symptome zu zeigen, kann das eine quälende Erfahrung sein. Menschen, die hingegen infiziert sind und keine oder kaum Symptome zeigen, scheuen wiederum oft die Mühe eines Tests und können dadurch das Virus ungewollt weiterverbreiten. Forscher des Massachusetts Institute of Technology – kurz: MIT – in Cambridge haben daher eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die zumindest einen oberflächlichen Test schnell und vollkommen mühelos ermöglichen soll.
Das System der MIT-Forscher soll in der Lage sein, am Husten einer Person festzustellen, ob eine durch das Virus SARS-CoV-2 ausgelöste Covid-19-Erkrankung vorliegt. Und das auch und insbesondere bei Personen, die erst einmal vollkommen gesund erscheinen. Denn auch bei asymptomatischen Erkrankungen werden den Wissenschaftlern zufolge durch das Virus leichte und deswegen für Menschen vollkommen unauffällige Veränderungen in den Atemwegsregionen verursacht, die sich auf die Art und den Klang des Hustens auswirken. „Es stellt sich heraus, dass [diese Veränderungen] von der Künstlichen Intelligenz erfasst werden können“, heißt es in einem Pressebericht des MIT.
Das Team des Auto-ID Laboratory des MIT hat dafür ein Neuronales Netz mit klassischen „Und jetzt mal bitte husten“-Proben von Tausenden von Menschen trainiert. Darunter nachweislich gesunde Menschen und welche, die unter Covid-19-Erkrankungen in verschieden starken Ausprägungen litten. Eingesammelt wurden diese über einfache Audioaufnahmen, die an Smartphones und Laptops über eine Webplattform aufgezeichnet und den Forschern so zugesendet worden waren. Die Künstliche Intelligenz lernte durch die Audiodateien ein gesundes von einem kranken Husten zu unterscheiden – indem sie kleinste phonetische Eigenheiten ausmachte, die durch eine reduzierte Lungen- und Atemleistung, weniger flexible Stimmbänder und einen angegriffenen Rachenbereich ausgelöst werden.
Es wird bereits eine App entwickelt
In ersten Testläufen soll die Künstliche Intelligenz mit einer Trefferrate von 98,5 Prozent Menschen erkannt haben, bei denen eine Covid-19-Erkrankung festgestellt wurde. In 100 Prozent der Fälle, in denen das System eine Erkrankung bei sonst symptomfreien Menschen feststellte, soll diese letztlich auch wirklich vorgelegen haben. Derzeit arbeitet das Team bereits mit einem Unternehmen daran, das System in eine benutzerfreundliche App zu integrieren, die dann möglichst schnell von der US-Behörde FDA zugelassen werden soll.
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Jetzt Mitglied werden!„Die effektive Implementierung dieses Gruppendiagnostik-Tools könnte die Ausbreitung der Pandemie verringern, wenn es jeder nutzt, bevor er in ein Klassenzimmer, eine Fabrik oder ein Restaurant geht“, sagt Brian Subirana, einer der Mitentwickler des Systems. So könnten Menschen bequem eine „erste Einschätzung ihres Krankheitsrisikos erhalten“ und eine dauerhafte Selbstkontrolle etablieren. Sie könnten täglich, selbst wenn es ihnen sonst gut geht, in ihr Smartphone husten – eine Sache von Sekunden. Wenn die App eine Infektion vermuten lässt, könnten die Betroffenen schnell einen medizinischen Test vereinbaren und sich vorsorglich isolieren.
Der Ansatz Krankheiten über Audioaufnahmen zu diagnostizieren ist nicht neu. Bereits vor der Pandemie hat das MIT-Team daran gearbeitet, Lungenentzündung und Asthma festzustellen. Aber auch Alzheimer soll sich via Audioaufnahmen ausmachen lassen. Denn die Krankheit zeigt sich nicht nur in einem geschwächten Erinnerungsvermögen, sondern auch einer neuromuskulären Degradation, geschwächten Stimmbändern und anderen Biomarkern, die sich akustisch manifestieren. Genau auf diesem System hat das MIT-Team daher aufgebaut. Denn Covid-19 zeigte sehr früh einige vergleichbare Merkmale. Tatsächlich stellte das Team fest, dass eine große Übereinstimmung zwischen den Hustenproben eines Alzheimerpatienten und eines Menschen mit Covid-19-Infektion besteht.
Auch das Münchner Start-up audEERING arbeitet an einer App
Auf Künstliche Intelligenz, die Emotionen, aber auch Krankheiten aus Sprachaufnahmen heraushören soll, hat sich auch das Münchner Start-up audEERING spezialisiert. Und dort wird derzeit ebenfalls an einer App gearbeitet, die eine Corona-Infektion anhand des Hustens erkennen kann. Um diese zu ermöglichen, ruft audEERING aktuell zu Datenspenden auf. Mehr über die App wird die Chefin von audEERING, Dagmar Schuller, am 12. November bei der digitalen 1E9-Konferenz berichten.
Titelbild: Andriy Onufriyenko / Getty Images