In einer Werkshalle im Norden von München arbeitet ein Start-up an einem Elektromotor, der die Fortbewegung der Zukunft mitbestimmen soll. Denn mit diesem will es DeepDrive anderen Firmen einfacher machen, Elektroautos, E-Bikes und E-Tretroller zu bauen. Die sollen dann auch noch deutlich effizienter unterwegs sein als die Konkurrenz.
Von Michael Förtsch
Der Automobilverkehr wird zunehmend elektrischer. Immer mehr Menschen entscheiden sich beim Kauf eines Neuwagens für einen Stromer. Das ist für die Automobilindustrie eine große Herausforderung. Die Entwicklung von elektrischen Fahrzeugen ist komplex und aufwendig – insbesondere, wenn sie wirklich effizient und zuverlässig sein sollen. Daher entwerfen große Autobauer mit viel Aufwand einheitliche Bauelemente, die für verschiedene Fahrzeugtypen genutzt werden können. Für kleinere Autobauer und Start-ups aus dem Mobilitätsbereich ist das nicht immer ohne weiteres möglich. Das Münchner Start-up DeepDrive will hier einspringen.
Bekannt wurden die Münchner mit einer Kreation, die etwas wie ein metallenes Skateboard mit Autoreifen aussieht. Alles, was ein Auto sonst ausmacht, fehlt. Genau darum ging es auch: Eine Plattform, auf die sich in Plug-and-Play-Manier ein Auto aufbauen lässt. Vor zwei Jahren hatte DeepDrive dieses Konzept vorgestellt. „Seitdem haben wir großes Interesse von der Automobilindustrie erhalten und arbeiten bereits mit acht der zehn größten Automobilherstellern in mehreren Entwicklungsprojekten zusammen“, sagt Alexander Rosen, einer der Co-Gründer, zu 1E9. Er ist sicher, dass solche Plattformen „die Zukunft der Industrie sein werden“.
Der Fokus liegt bei den Münchner Mobilitätentwicklern liegt mittlerweile jedoch auf einem einzelnen Element: dem Antrieb. Denn die Antriebsstränge bei aktuellen Elektrofahrzeugen seien ziemlich ineffizient, sagt Alexander Rosen, der vor der Gründung von DeepDrive am Fraunhofer IFAM und bei Bosch an Elektroantrieben forschte. Hinsichtlich Energieverluste, Wärmeentwicklung und Reichweite gebe es noch immense Möglichkeiten zur Optimierung, die DeepDrive ausloten wolle. Und zwar mit einer eigens entwickelten Motorentechnologie, die ein bekanntes Konzept wieder interessant machen soll. Die Plattformen wollen die Münchner daher vergessen – jedenfalls vorerst.
Der Motor direkt im Rad
Was genau die Münchner in ihrer Werkstatt im Norden von München entwickelt haben, das kann Alexander Rosen noch nicht offenlegen. Denn die Patentanmeldungen sind noch nicht abgeschlossen. „Aber im Groben handelt es sich um eine sogenannte Radialflussmachine, permanent erregt mit Neodym-Eisen-Bor Magneten“, sagt Rosen. Das Motorkonzept ist nicht neu oder besonders. Aber ihre Umsetzung sei raffinierter, versprechen die Münchner. Ihre Entwicklung soll insbesondere bei Autobahnfahrten „im mittleren Geschwindigkeitsbereich“ äußerst effizient sein und höhere Reichweiten möglich machen – im Alltag um bis zu 20 Prozent mehr, prognostizieren die Entwickler.
Verbaut wird dieser Motor dann nicht – wie bei nahezu allen Elektroautos momentan – in einen Antrieb, der über Untersetzungsgetriebe und Antriebswellen die Räder antreibt. Stattdessen wollen die DeepDrive-Entwickler auf einen sogenannten Radnabenmotor setzen. Bei einem Radnabenmotor wird der Motor direkt in das Rad eines Fahrzeugs verbaut, ein Prinzip, das bereits im Jahr 1900 beim Ur-E-Auto Lohner-Porsche und später bei den Mondautos der Apollo-Missionen zum Einsatz kam.
Dass heute nur noch wenige Autobauer darauf setzen, hat Gründe: Die Konstruktion ist anspruchsvoll, der Platz begrenzt und der Motor anfälliger für Schäden durch Wasser, Dreck und Rost. Dazu bedeutet ein Motor direkt am Rad massives ungefedertes Gewicht. Diese Herausforderungen sieht man auch bei DeepDrive. Aber, wie Rosen sagt, „ermöglicht es unsere Technologie, auf einige konventionelle Bauteile zu verzichten, was zu einer erheblichen Gewichtseinsparung führt“.
Auch könnten Bremsen verkleinert oder – zumindest an einer der Achsen – sogar eingespart werden. Denn gebremst würde dann elektrisch. Ein konventionelles Getriebe sei ebenso wenig nötig. Außerdem soll der Antrieb des Münchner Start-ups so einiges an Kosten sparen. „Kosten beziehen sich in dem Fall im Wesentlichen auf Rohstoffe“, sagt Rosen. Denn die Neodym-Eisen-Bor-Magnete, die DeepDrive nutzt, sind zwar kostspielig. Jedoch würde nur die Hälfte der Magnete gebraucht, die bei anderen Motoren eingesetzt werden, um die gleiche oder sogar mehr Leistung zu liefern. „Generell gesagt, lösen wir das Problem der Kosten pro Drehmoment“, sagt Rosen. „Damit lösen wir aus unserer Sicht die Markteintrittsbarriere von Radnabenantrieben.“
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Dass die Antriebstechnologie aus München ein Teil der Mobilitätszukunft sein wird, da ist man sich bei DeepDrive ziemlich sicher. „Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge geht erstaunlich schnell voran“, meint Rosen. Das Team arbeite daher mit Hochdruck daran, dass in wenigen Jahren bereits erste Serien-PKWs mit den Radnabenantrieben des Start-ups unterwegs sind. Bei der Nennung von Namen von Kandidaten ist das Unternehmen noch zurückhaltend.
Jedoch sieht DeepDrive den – mittlerweile finanziell angeschlagenen – Solarfahrzeugbauer Lightyear aus den Niederlanden als „interessanten Player auf dem Markt, der sich der Effizienz verschrieben hat“. Der in kleiner Stückzahl gefertigte Lightyear 0 nutzt bereits Radnabenmotoren eines Entwicklers namens Elaphe. Obschon der Fokus also definitiv auf E-Autos liegt, sieht DeepDrive auch im sogenannten Micromobility-Bereich seinen Platz. „Wir gehen davon aus, dass man bereits 2024 erste Micromobility-Fahrzeuge mit unseren Antrieben auf der Straße sehen wird“.
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