Wer in Krisengebieten hilft, der bringt sich auch selbst in Gefahr. Daher sollen für das Welternährungsprogramm zukünftig neben Menschen auch ferngesteuerte Roboterfahrzeuge wichtige Nahrungsmittel in Katastrophenregionen bringen.
Von Michael Förtsch
Dass Hilfe in Krisengebieten ankommt, ist für viele Menschen überlebensnotwendig. Aber es ist für die Helfer selbst mitunter lebensgefährlich. Auch aufgrund des nötigen Mutes der Mitarbeiter wurde das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen gerade erst mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Mit rund 17.000 Helfern bekämpft es rund um die Welt den Hunger. Und das auch in Regionen, in denen es sehr heikel werden kann. Daher arbeitet das Welternährungsprogramm daran, seine Mitarbeiter zu entlasten und ihre Arbeit sicherer zu machen. Helfen soll dabei auch moderne Robotik und Automatisierung. Wie das aussehen könnte, hat jetzt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt gezeigt.
Auf den ersten Blick erinnert das vom Institut für Robotik und Mechatronik des DLR vorgestellte Autonomous Humanitarian Emergency Aid Device – oder kurz: AHEAD – an ein Panzerfahrzeug. Es ist kantig, besteht aus dicken Metallplatten und hat dazu riesige Pumpreifen mit mächtigem Profil. Es würde nicht überraschen, wenn es in einem Science-Fiction-Streifen durch eine dystopische Megastadt oder eine verstrahlte Wüste rollen würde. Aber es ist kein Polizeipanzer, sondern ein Kleinlastwagen, der durch seine einzigartige Konstruktion nahezu überall vorankommen kann. Sei es in zerbomben Städten, Überschwemmungsgebieten, dichtem Regenwald oder Sand- und Steinwüsten.
Aber gefährlich und schwierig ist nicht nur die Umgebung bei Hilfseinsätzen. Mitarbeiter können bei ihren Missionen auch sonst in Lebensgefahr kommen. Etwa, wenn sie zwischen Fronten von verfeindeten Lagern geraten, Seuchen und Krankheiten ausgesetzt sind oder sogar entführt werden. Immer wieder kommen zudem Mitarbeiter des Welternährungsprogramm um, da sie durch Minen, Sprengfallen oder Blindgänger verletzt werden. „Diese Risiken erschweren den Zugang zu vielen Bestimmungsorten, die auf Hilfsgüter dringend angewiesen sind“, heißt es vom DLR. Daher ist das AHEAD nicht nur gut gesichert, sondern soll sich auch komplett aus der Ferne steuern lassen – ganz ähnlich einer Drohne oder einem Militärroboter.
Fast so schwierig wie ein Mars-Rover
Das AHEAD des DLR ist keine komplette Neuentwicklung, sondern basiert auf dem russischen Geländefahrzeug Scherp, das für den Einsatz ist sonst nahezu unzugänglichen Umgebungen entwickelt worden war. Es wird unter anderem von verschiedenen Armeen, Forschungsinstituten und schon seit zwei Jahren auch vom Welternährungsprogramm eingesetzt. Allerdings wurde das Scherp-Fahrzeug vom DLR mit zahlreichen Nahbereichs-Sensoren, 3D-Kameras und Laser-Scannern aufgerüstet, um seine Umgebung räumlich wahrnehmen zu können. Dazu kommt eine Funkausrüstung, wodurch ein AHEAD stetig von einem Piloten aus Hunderten oder sogar Tausenden Kilometern Entfernung überwacht und gelenkt werden kann. Sollte die Verbindung unterbrochen werden, soll der Wagen selbstständig einen sicheren Platz für einen Notstopp suchen.
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Jetzt Mitglied werden!Laut dem DLR-Forscher Armin Wedler sei die zuverlässige Fernsteuerung eines AHEAD in Umgebungen wie dem Südsudan, der immer wieder von Wassermassen überflutet wird und dadurch auch seine Topographie ändert, nicht weniger herausfordernd als einen Rover auf dem Mond und Mars zu lenken. „[Es] sind eng verwandte Aufgaben, da beide Umgebungen gefährlich, schwer zu navigieren und hinsichtlich des Erreichens eines Ziels sehr anspruchsvoll sind“, sagt er. Bis das AHEAD in den aktiven Einsatz kommt, könnte es aber noch eine ganze Weile dauern. Denn gerade finden nach einem offiziellen Projektstart im Oktober die ersten Erprobungsfahrten eines Fahrzeugs auf dem DLR-Gelände im bayerischen Oberpfaffenhofen statt.
Teaser-Bild: DLR