Japanische Wissenschaftler haben einen kindlichen Roboter so modifiziert, dass er Schmerzen registrieren und darauf reagieren kann. Die Forscher von der Universität Osaka glauben, dass es derartige Systeme Menschen vereinfachten könnten, Roboter in ihren Alltag anzunehmen.
Von Michael Förtsch
Es ist eigentlich einer der größten Vorteile, den Roboter in vielen Science-Fiction-Geschichten genießen: Sie spüren keinen Schmerz. Daher können sie kraftzehrende Aufgaben bewältigen, bei denen die Muskeln eines Menschen den Dienst versagen würden, und in Umgebungen arbeiten, die für organische Lebensformen kaum zu betreten sind. Ebenso können sie in fiktiven Kriegen weiterkämpfen, bis von ihnen nur noch Metallschrott übrig ist. Aber genau das macht Roboter auch beängstigend. Sie können eben keine Schmerzen fühlen – und damit auch keine Rücksicht auf diese nehmen, so die simple Logik. Genau diesem Problem nehmen sich derzeit Forscher der Universität Osaka an.
Ein Team um Minoru Asada, der auch Präsident der Robotics Society of Japan ist, präsentierte im Jahr 2018 den hyper-realistischen Kinderroboter Affetto . Für seinen neuen Versuch modifizierte das Team den Roboter. In die Haut seines künstlichen Gesichtes wurden 116 elektrische Dioden verbaut, an denen einzeln oder auch übergreifend eine Ladung angelegt werden kann. Sie funktionieren dadurch als künstliche Schmerzrezeptoren. Werden sie aktiviert, registriert die Software des Roboters das als einen Reaktionsbefehl, der nicht ignoriert werden kann. Das Gesicht des Roboters verkrampft und zieht eine schmerzhaft verzogene Mine, die dem eines Menschen sehr nahekommt.
„Wir betten ein Berührungs- und Schmerznervensystem in den Roboter ein, um den Roboter Schmerzen empfinden zu lassen, damit er die Berührung und den Schmerz der Menschen verstehen kann“, wird Minoru Asada von den Medien zitiert. Die Schmerzsensoren sollen, sagte der Forscher auf einem Treffen der American Association for the Advancement of Science in Seattle, also ein erster Schritt dahin sein, Robotern menschliche und auch tierische Leiden und Empathie verständlich zu machen. Dadurch würden sie letztendlich zu besseren Gefährten im alltäglichen Leben werden.
Keine Angst vor Robotern
Selbst wenn es kein realer Schmerz ist, den der modifizierte Affetto-Roboter spürt, so reagiert er doch schon mit menschen-gleichen Gesichtsausdrücken. Und das je nachdem, welche, mit welcher Intensität und wie viele der Schmerzrezeptoren angesteuert und aktiviert werden. Laut den japanischen Forschern könnte der Roboter sowohl ein sanftes Anstupsen als auch einen Schlag ins Gesicht „spüren“ – beziehungsweise die digitalen Gegenstücke hierzu. Die nächste große Entwicklungsanstrengung für Minoru Asada und sein Team soll nun sein, herauszufinden, ob sich aus dem „Schmerzempfinden“ für eine Maschine empathische und moralische Lehren und Regeln ableiten und festschreiben lassen.
Aber auch schon das bloße simulieren einer gefühlvollen Mimik soll einen Fortschritt bedeuten. Roboter könnten dadurch Menschen, die allein und zurückgezogen leben, eine „physische und emotionale Stütze“ bieten, schlägt Minoru Asada vor. Ebenso sollen Roboter in Japan bald verstärkt in der Alten- und Krankenpflege eingesetzt werden. Roboter, die ein Gesicht und eine Mimik besitzen, könnten das Gefühl induzieren, von einem fühlenden Wesen betreut und unterstützt zu werden.
Für viele Japaner ist das Zusammenleben mit Robotern keine dystopische oder bedrohliche Vorstellung. „In Japan glauben wir, dass alle leblosen Objekte eine Seele haben, daher unterscheidet sich ein Metallroboter in dieser Hinsicht nicht von einem Menschen, es gibt weniger Grenzen zwischen Mensch und Objekt“, sagt Minoru Asada. „Wir zielen darauf, eine symbiotische Gesellschaft mit künstlich-intelligenten Robotern aufzubauen – und Roboter, die Schmerz fühlen und verstehen sind eine Schlüsselkomponente dieser Gesellschaft.“