Es gibt immer mehr Elektroautos, aber bei weitem nicht genug Ladesäulen. Ein Start-up aus Israel will eine Lösung liefern. Die Straßen sollen die Autos laden – während sie darüberfahren oder darauf parken. Die Technik wird schon getestet und könnte auch in Deutschland erprobt werden.
Von Michael Förtsch
Langsam, aber sicher setzen sich die E-Autos durch. Laut Kraftfahrt-Bundesamt machen sie seit Juni dieses Jahres 8,6 Prozent aller zugelassenen Fahrzeuge in Deutschland aus – und damit rund doppelt so viele wie im Vorjahr. Alleine im Juni wurden über 10.000 neue Hybridfahrzeuge und knapp über 8.000 reine Elektroautos zugelassen. Die meisten Elektroautos sind derzeit auf bayerischen Straßen unterwegs – über 30.000, die sich jedoch rund 3.800 Ladestationen teilen. Deutschlandweit kommen laut einer Studie des Stromanbietern E.on auf eine Ladestation 7,1 elektrische Fahrzeuge. Das ist nicht genug, wenn immer mehr Verbrenner durch vergleichsweise saubere Alternativen ersetzt werden sollen, stellt unter anderem der Verband der Automobilindustrie fest.
Aber müssen es tatsächliche Ladesäulen sein, die die Autos laden? Nicht unbedingt. In Israel arbeitet das Start-up Electreon bereits an einer möglichen und zumindest für die Fahrer sehr komfortablen Alternative. Die Ingenieure des Unternehmens haben nämlich eine Straße konzipiert, die Elektroautos aufladen kann, einfach indem diese darüberfahren. Für den sogenannten Dynamic Wireless Power Transfer werden unter dem Fahrbahnbelag flache Kupferspulen eingelassen, die eine elektromagnetische Induktion möglich machen. Der Wagen braucht lediglich ein Empfängermodul am Boden und kann dadurch die verbaute Batterie mit Strom speisen.
Electreon hat die Machbarkeit 2019 als Teil einer Smartroad-Studie im schwedischen Gotland getestet und im Februar dieses Jahres mit einem umgerüsteten LKW erprobt. Zukünftig soll ein elektrischer Shuttle-Dienst über die Strecke verkehren. Noch in diesem Jahr soll auch eine dauerhafte Teststrecke im israelischen Tel Aviv angelegt werden. Auf der vorerst nur zwei Kilometer langen Trasse zwischen dem Bahnhof der Universität Tel Aviv und dem Fußballstadion der Universität sollen dann sowohl umgerüstete E-Autos, die mit entsprechenden Ladeempfängern umgerüstet wurden, getestet werden als auch elektrische Busse umherdüsen. Ein ähnlicher Testlauf könnte auch in Deutschland folgen. Denn schon 2019 schloss der Energiekonzern EnBW einen Vertrag mit Electreon, der in „einen praxisnahen Versuch“ mit dem ÖPNV in Karlsruhe münden soll.
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Laut Electreon hätten die elektrifizierten Straßen viele Vorteile. Unter anderem könnten Busse, Taxis und Lieferfahrzeuge, die nur auf städtischen Straßen unterwegs sind, auf riesige Akkus verzichten. Denn sie würden durch die Straße schließlich stetig mit Energie versorgt. Das würde die Kosten für die Vehikel drastisch reduzieren. Ebenso wären für Privatfahrzeuge weit weniger statische Ladestationen wie Ladesäulen oder E-Tankstellen nötig. Denn auch Parkplätze könnten mit den Spulen aus- und nachgerüstet werden. Und auch die Nachrüstung von Fahrzeugen sei prinzipiell kein großes und vor allem kein teures Problem.
Jedoch hat das Konzept auch mehrere Haken. Unter anderem müssten alle Straßen komplett neu gebaut werden, um mit den Spulen ausgestattet zu werden. Allein das Pilotprojekt in Schweden kostete rund 11 Millionen Euro. Dazu sind die Spulen nicht sonderlich langlebig, sondern müssen in einem Rhythmus von sechs bis acht Jahren ausgetauscht werden. Zudem wird jedes Auto auf der Straße zunächst kostenfrei geladen. Ein Konzept, wie das Laden eines Wagens in Rechnung gestellt werden kann, existiert bislang noch nicht. Allerdings arbeiten die Entwickler bereits an einem System, das einen Informationsaustausch mit den Fahrzeugen auf der Straße zulässt – und so vielleicht auch ein Abrechnungssystem.
Teaser-Bild: Electreon