Ein paar grobe Striche genügen und schon entsteht ein Gesicht, das von einem echten Menschen stammen könnte. Das alles funktioniert dank einer Künstlichen Intelligenz. Forscher aus Hongkong haben damit eine Technik geschaffen, die alsbald in vielen Bereichen eingesetzt werden könnte.
Von Michael Förtsch
Vor drei Jahren ging die Website edges2cats durch zahlreiche soziale Netzwerke. Auf der Seite können Strichzeichnungen von Katzen gekritzelt werden, die eine Künstliche Intelligenz interpretiert und mit Texturen für Fell, Augen, Nase und Mund zu vervollständigen versucht. Das Ergebnis ist in vielen Fällen geradezu grauenhaft und passendes Futter für schräge Albträume. Der Inhalt einer Studie von Forschern der City University of Hong Kong beschreibt ein ganz ähnliches Bild-zu-Bild-System, so der Name für diese Technik. Nur funktioniert das deutlich besser – und das mit menschlichen Gesichtern.
Wie die Forscher in einem dazugehörigen Video demonstrieren, können sehr grobe Skizzen von Gesichtern gezeichnet werden, die die wichtigsten Gesichts- und Kopfmerkmale zeigen. Augen, Nase, Augenbrauen, Mund, Hals und Haare. Dann formt eine Künstliche Intelligenz namens DeepFaceDrawing daraus ein Gesicht, das klar die Vorlage erkennen lässt aber durchaus das Gesicht eines realen Menschen sein könnte. Die Gründe? Die Forscher aus Hongkong erlauben der Künstlichen Intelligenz bei ihrer Vervollständigung der Vorlage eine gewisse künstlichere Freiheit. Sie identifiziert die Striche als die jeweiligen Gesichtsbestandteile. Aber statt sich sklavisch an diese Vorlage zu halten, ist sie frei, die Grenzen für die markanten Gesichtszonen zugunsten eines harmonischen Endergebnisses zu variieren.
Wie ein solches Idealergebnis und dessen Bestandteile aussehen, das wurde der Künstlichen Intelligenz in mehreren Machine-Learning-Prozessen mit 17.000 Portraitaufnahmen von Promis beigebracht – aus einer Datensammlung namens CelebAMask-HQ. Jedem einzelnen Foto wurde in dieser Datenbank eine Maskierung der wichtigen Gesichtspartien und eine per Software automatisch generierten Skizze zugeordnet. Zunächst lernte die Künstliche Intelligenz eben jene Gesichtspartien nachzuvollziehen. In einem weiteren Schritt lernte die Künstliche Intelligenz wie diese Partien in den vorliegenden Fällen zu einander „korrespondieren“, wie die Forscher ausführen. Dadurch entstehen selbst bei sehr groben Zeichnungen die Gesichter von oft gut aussehenden Menschen – zu gut aussehend, wie die Forscher gestehen. Ein Problem wären, wie die Entwickler beispielsweise schreiben, „offensichtlich die Augen, die (unrealistisch) symmetrisch sind.“
Technik könnte vielfältig genutzt werden
Die chinesischen Forscher sind nicht die ersten, die sich an einer Künstlichen Intelligenz versuchen, die aus einer Skizze ein Portrait eines Menschen generieren kann. Aber bei den bisherigen waren, wie auch bei den Katzen zu Beginn, äußerst akkurate Zeichnungen nötig, um ein auch nur annähernd glaubhaftes Ergebnis erstellen zu lassen. Bei der KI-Software der Hongkonger Forscher genügen in manchen Fällen bereits wenige Striche, um ein erkennbar menschliches und glaubwürdiges Gesicht hervorzubringen. Gefördert wurde die Forschung übrigens vom Photoshop-Entwickler Adobe, der sehr im Bereich von KI-generierten Bildinhalten engagiert ist. Beispielsweise kann Photoshop schon jetzt Areale in Bildern mit artifiziellem Gras, Straßenbelag und Wolkenstrukturen ausfüllen.
Laut den Entwicklern könnten die Ergebnisse von DeepFaceDrawing und vor allem der Variantenreichtum der möglichen Gesichter mit weiteren Daten – also mehr Fotos von Menschen – stark ausgebaut werden. Genutzt werden könnte die Technologie in zahlreichen Bereichen. Unter anderem ließen sich Gesichter für voll digitale Modemodells, Videospielcharaktere, Werbeanzeigen, Film, Fernsehen und vieles mehr generieren. Bei der Polizei könnte die Technik hingegen Phantombildzeichner unterstützen. Aus deren Skizzen würden binnen Sekunden foto-gleiche Fahndungsbilder entstehen.
Teaser-Bild: City University of Hong Kong