Ein Studio für Krisen-Apps hat ein Smartphone-Programm entwickelt, das anzeigen soll, wie überlaufen Geschäfte und andere öffentliche Orte sind. Damit sollen sich große Menschenmengen gezielt meiden lassen. Unterstützt wurden die Entwickler von der Raumfahrtbehörde ESA.
Von Michael Förtsch
Derzeit wird heftig darüber debattiert, wie Apps dabei helfen können, die Corona-Krise zu überwinden oder zumindest voraussehbarer und handhabbar zu machen. Gerade erst stieß die sogenannte Datenspende-App des Robert Koch-Instituts auf Kritik, die beispielsweise mit Gesundheitsdaten von Fitness-Armbändern dabei helfen könnte, „möglicherweise infizierte“ Personen auf Postleitzahlenebene zu ermitteln und damit Ausbruchsgebiete zu festzustellen. Ein Gutachten des Chaos Computer Club bescheinigt der App nun allerdings ziemliche Mängel. Unter anderem, was die Pseudonymisierung der durchaus sensiblen und privaten Gesundheits- und Zugangsdaten derer angeht, die eingewilligt haben, ihre Informationen zu teilen.
Mit einer ganz anderen App wollen hingegen nun das Business Incubation Center der europäischen Weltraumbehörde ESA und das britische Entwicklerstudio Lanterne in der Krise helfen. Die App Crowdless soll dazu beitragen, bei Besorgungen und Gängen vor die Haustür gezielt größere Menschenmengen und überfüllte Geschäfte meiden zu können. Laut der ESA nutzt die App dafür unter anderem bestehende Informationsquellen wie Google Maps und Google Places, die bereits regelmäßig Daten zu Stoßzeiten in Supermärkten, Apotheken und öffentlichen Orten sammeln – etwa, indem pseudonymisiert die Bewegungen von Smartphones und anderen Mobilgeräten nachverfolgt werden. Wo das möglich ist, fließen zudem Echtzeitdaten ein, die etwa Geschäfte selbst bereitstellen.
Basierend darauf gibt die App an, zu wie viel Prozent ein Ort „überlaufen“ ist. Die Nutzer der App sollen dazu auch selbst Informationen beitragen können – wenn sie denn wollen. Basierend auf ihrem Standort können sie Feedback dazu geben, ob die Prognosen der App für die umliegenden Orte korrekt sind. Diese Feedback-Daten sollen dann mit den Bestandsdaten verrechnet und durch eine Künstliche Intelligenz für neue und genauere Prognosen ausgewertet werden. Dadurch soll letztlich eine hohe Trefferquote herauskommen, die es Menschen erlauben soll, zu möglichst sicheren Zeiten ihre Besorgungen zu erledigen oder gezielt auf andere Geschäfte auszuweichen.
Die App soll kostenlos bleiben
Das Entwicklerstudio Lanterne arbeitet eigentlich an dedizierten Krisentechnologien und Informationen für Mitarbeiter an Krisen- und Konfliktorten wie Kriegs- und Unruhegebieten. Beispielsweise unterstützt das Unternehmen Ärzte und Aufbauhelfer dabei, in Konfliktzonen sichere Wege zwischen Ortschaften und Städten zu finden, wo sie durch ihre Arbeit ihre Entführung und Ermordung riskieren. Laut Lanterne wurde die ursprünglich Keep Your Distance genannte App in nur drei Tagen erstellt und in den letzten Wochen ausentwickelt.
„Wir hoffen, dass Crowdless den Menschen dabei hilft, die soziale Distanzierung besser wahrzunehmen, in Sicherheit zu bleiben und einen Beitrag zur Senkung der Infektionsrate von Covid-19 zu leisten“, sagt Yohan Iddawela von Lanterne. „Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass die App zu 100 Prozent kostenlos bleibt und von allen genutzt werden kann.“ Unterstützt wurde die Entwicklung nicht nur von der ESA, sondern auch von Google, dem britischen Science and Technology Facilities Council, der London School of Economics, den Santander Universities UK und dem Start-up-Inkubator Oxford Foundry.
Teaser-Bild: Lanterne