Die Worldcoin-Orbs haben München erreicht – die Zukunft des Kryptoprojekts bleibt unklar

Die Kryptowährung Worldcoin soll nur an „verifizierte“ Menschen ausgezahlt werden und dadurch auch den Missbrauch von Künstlicher Intelligenz verhindern. Ein ambitioniertes Ziel. Wer sich als einzigartige Person registrieren will, muss dafür seine Augen von einer metallenen Kugel scannen lassen. Zwei davon finden sich nun auch in München.

Von Michael Förtsch

Mitte Dezember sind die Worldcoin-Orbs in München angekommen. Direkt hinter dem Haupteingang des 2019 eröffneten Einkaufszentrums Forum Schwanthalerhöhe steht ein minimalistischer Stand, an dem sich Nutzer für die von OpenAI-Chef Sam Altman und dem deutschen Physiker Alexander Blania ins Leben gerufene Kryptowährung registrieren und verifizieren können. Seit der Ankündigung vor vier Jahren hat diese für viel Aufsehen gesorgt. Nicht nur, weil sie prominente Unterstützer hat, sondern auch, weil sie etwas anders funktioniert als andere Coins oder Token wie Bitcoin, Ethereum oder IOTA. Zwar kann jeder mit der offiziellen App eine virtuelle Wallet eröffnen. Doch diese kann nur genutzt werden, wenn man sich als reale Person oder einzigartiges Individuum verifizieren lässt.

Das geht mit Hilfe eines der Orbs, einer glänzenden Kugel, die mit teurer Technologie gefüllt ist und die Iris einer Person scannt. Die Textur mit Trabekeln und Pigmenten in den Augen wird in einen eindeutigen Zahlen- und Buchstabenwert umgewandelt – den Iris-Code. Dieser wird benötigt, um die sogenannte World ID freizuschalten, die mit dem pseudonymen Krypto-Account verknüpft ist und diesen entsperrt. Anders als auf den inszenierten Promofotos und Videoclips sehen die Kugeln im Münchner Einkaufsparadies nicht sonderlich mystisch oder gar außerirdisch aus. Zwei von ihnen stehen auf Metallpfosten, die aus einer schmalen Bank ragen. Ein Stück dahinter prangt ein großes Schild mit dem Worldcoin-Logo. Die Kugeln wirken eher profan, sind von Fingerabrücken befleckt und machen offenbar wenig Eindruck.

„Die meisten schauen, aber gehen dann einfach vorbei“, sagt ein junger Mann, der am Worldcoin-Stand bereits registrierte Nutzer verifizieren, aber auch neue ansprechen soll. Die Skepsis sei groß – und das Unverständnis auch. Es gebe zwar hin und wieder Leute, die wissen wollen, „was das mit den Kugeln soll“, dann aber „schnell weitergehen, wenn sie die Worte Kryptowährung und Augen scannen hören“. Nicht wenige würden Worldcoin für Betrug halten oder fänden das Ganze einfach zu kompliziert, um es sich auf einer Shoppingtour erklären zu lassen. Aber natürlich nicht alle.

In den ersten Tagen nach der Eröffnung des Standes seien „sehr viele“ Leute ganz gezielt angereist, um ihr Konto zu verifizieren. Sie hätten darauf gewartet, dass der Orb endlich auch in ihrer Region verfügbar wird. Denn auch jetzt gibt es nur sieben Orte in ganz Deutschland, die zur Verifizierung besucht werden können. Zum Teil nur nach vorheriger Terminvereinbarung. Diese Leute seien zum Teil „typische Nerds und Kryptobros mit Bitcoin-T-Shirt“, aber nicht nur. Es hätten sich auch „ganz normale Menschen“ angestellt, um ihren Account zu verifizieren, weil sie Worldcoin als Experiment interessant und spannend fänden.

Profane Kugeln

Nicht nur die Kugeln wirken aus der Nähe betrachtet eher profan. Sondern auch der Überprüfungsprozess selbst. Er dauert nicht einmal zwei Minuten. Einer der Helfer am Stand startet den Prozess mit einem Code auf dem eigenen Smartphone der Interessierten. Es folgt ein QR-Code aus der eigenen World App, der die World ID für die Registrierung freigibt. Dann folgt ein Blick mit offenen Augen in die Kamerainstallation der Kugel. Ein leuchtender Ring erscheint und schließt sich nach wenigen Sekunden mit einem „Ping“. Danach zeigt die App auf dem Smartphone an, dass die Informationen der Kugel verarbeitet und abgeglichen werden. Auch das dauert nur wenige Sekunden – und damit ist die Wold ID eingerichtet und die Wallet freigeschaltet. Nun können die sogenannten Grants in Anspruch genommen werden: Guthaben, die von Worldcoin an die Nutzer verteilt und ge-claimed werden können.

Geht es nach Sam Altman, soll das derzeit auf der Optimism-Blockchain aufgebaute Worldcoin-Ökosystem die Basis für ein globales digitales Wirtschaftssystem und ein bedingungsloses Grundeinkommen werden, auch wenn beides noch „sehr weit in der Zukunft“ liege. Worldcoin könne so zu einem Instrument werden, um die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf Gesellschaft und Arbeitswelt auszugleichen. „Wie bei jedem wirklich ambitionierten Projekt kann es funktionieren oder auch nicht, aber wenn man Dinge wie diese ausprobiert, entsteht Fortschritt“, so Altman auf Twitter. Wirklich viel anfangen kann man mit Worldcoin nicht, zumindest noch nicht. Es gibt kaum Geschäfte oder Online-Händler, die Worldcoin akzeptieren. Nur in andere Kryptowährungen kann man Worldcoin tauschen – und damit spekulieren.

Die offenen Fragen

Tatsächlich schon nutzbar ist die an Wordcoin gekoppelte World ID – die mit dem Account verknüpfte Bestätigung, dass ein echter Mensch vor dem Orb stand: Proof-of-Personhood nennt sich das. Diese wurde bereits in mehrere Dienste integriert, darunter in die Chat-Plattform Discord, den Messenger Telegram, die Debatten- und Social-Media-Plattform Reddit und einige mehr. Damit sollen zukünftig vor allem automatisierte Bots verhindert werden. Ebenso Strohmann-Konten, die von Hacker- oder Propagandagruppen genutzt werden, um Desinformationen zu verbreiten oder Abstimmungen in sozialen Netzwerken zu manipulieren. Die Handelsplattform Shopify wiederum will Shop-Betreibern World ID anbieten. Damit sollen sie sicherstellen können, dass nur echte Personen beispielsweise Gutscheincodes einlösen. Wie Blania gegenüber Forbes sagte, könnten auch große und neue soziale Netzwerke wie Facebook oder auch dezentrale Anwendungen wie Mastodon die World ID zur Verifizierung nutzen, genau wie neue Finanzunternehmen für Know-your-Customer-Anwendungen.

Verstehe weiter unten, was du damit meinst. Aber die Auflösung dauert etwas. Würde das daher streichen, glaube ich.

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Bislang sollen sich über 2,9 Millionen Menschen in 34 Ländern für Worldcoin registriert und identifiziert haben. Jede Woche kämen mehr als 100.000 hinzu, heißt es auf der offiziellen Website des Projekts. Doch Worldcoin ist umstritten – und ruft Datenschützer und Regierungen auf den Plan. Nicht ohne Grund. Denn ob und wie genau die Augenscans verarbeitet werden, ist nicht leicht zu durchschauen. Die Originalaufnahmen der Augen würden nicht gespeichert oder aufbewahrt – zumindest nicht mehr –, beteuert das Unternehmen. Lediglich die Iris Codes würden auf Servern bei Amazon gespeichert. Dabei würden die Iris Codes nicht dauerhaft mit der World ID einer Person verknüpft, sondern nur zum Freischalten verwendet. Ansonsten würden die Macher bewusst keine Daten wie Name, Wohnort, Alter oder Geschlecht erheben. Zudem sei es „extrem schwierig“ bis unmöglich, aus einem Iris-Code das ursprüngliche Bild der Iris zu rekonstruieren.

In Frankreich, Indien und Brasilien wurden die Orbs vorerst eingemottet. Angeblich handelte es sich bei der Verifizierung dort nur um eine „zeitlich begrenzte Initiative“. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass Worldcoin auf Druck von Regulierungsbehörden reagierte. Die französische Datenschutzbehörde Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés hat die Rechtmäßigkeit der Iris-Scans und deren Verarbeitung in Frage gestellt und eine Untersuchung eingeleitet. Kenia hat Worldcoin sogar alle Aktivitäten im Land untersagt. Eine Untersuchung soll zeigen, ob Worldcoin im Rahmen des nationalen Rechts agiert und ein Risiko für die Bürger Kenias darstellt. Denn als das Projekt startete, wurden vor allem Menschen in Entwicklungsländern mit fragwürdigen Methoden als Nutzer geworben.

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