Die Deutsche Post hat die größte E-Lieferwagenflotte der Welt. Doch viele der Elektrofahrzeuge der Tochterfirma StreetScooter standen wegen technischer Probleme still. Über ein Jahr suchte die Deutsche Post nach einem Abnehmer für den E-Autobauer – vergebens. In diesem Jahr sollen daher die letzten StreetScooter gebaut werden.
Von Michael Förtsch
Vor sechs Jahren hatte die Deutsche Post das E-Auto-Start-up StreetScooter aufgekauft. Das 2010 in Aachen gegründete Unternehmen war von den Ingenieuren Achim Kampker und Günther Schuh ursprünglich gestartet worden, um einen günstigen Elektrokleinstwagen für kurze Strecken zu bauen. Der war als Prototyp namens StreetScooter Compact im Jahr 2011 auf der IAA in Frankfurt präsentiert worden. In den Jahren darauf wurde dann ein Konzept für einen größeren elektrifizierten Lieferwagen entwickelt – von dem unter dem Namen Work 2014 mehrere Exemplare gefertigt wurden. Mit der Übernahme durch die Deutsche Post im gleichen Jahr sollte sich das Unternehmen auf eben jenes Lieferfahrzeug konzentrieren. Denn, wie die Deutsche Post erklärte, waren andere deutsche Autobauer nicht in der Lage, elektrische Lieferwagen für den Zustellungsbetrieb anzubieten.
Ursprünglich hatte die Post mit StreetScooter durchaus große Pläne. Die Fahrzeuge sollten nicht nur von der Post selbst genutzt, sondern auch an andere Unternehmen im In- und Ausland verkauft werden. Daher wurde der StreetScooter Work ab 2016 in unterschiedlichen Ausführungen in Serie gefertigt – und mit dem Work L eine Großvariante des Lieferwagens konzipiert. Ab 2017 sollten jährlich rund 10.000 Fahrzeuge vom Band laufen. Allerdings machte der elektrische Lieferwagen der Post letztlich eher Probleme. Technische Ausfälle und Unzulänglichkeiten sollen die Fahrzeuge unzuverlässig gemacht haben, berichtete vor kurzem die Zeitung Welt.
Immer wieder wären StreetScooter-Lieferwagen aus unerklärlichen Gründen liegen geblieben. Aufgrund von Software-Fehlern wären mehrfach Batterien über Nacht nicht vollends geladen worden. Daher konnten die Wagen nicht für Zustellfahrten eingesetzt werden. Zahlreiche frisch produzierte Fahrzeuge mussten zwischengelagert werden, da sie nicht für den Einsatz freigegeben werden konnten. Um sicher funktionieren zu können, mussten nachträglich Batterien, Achsen sowie Steuermodule getauscht und neue Software aufgespielt werden. Außerdem sollen sich im Realeinsatz die berechneten Reichweiten als zweifelhaft erwiesen haben. Wohl auch deshalb hat die Deutsche Post nun entschieden, die StreetScooter-Fahrzeuge nicht länger zu produzieren.
Die Konkurrenz ist stark
Zuvor soll die Post über ein Jahr lang nach einem Abnehmer für das Unternehmen gesucht haben. Gefunden hat sich allerdings keiner. Die letzten StreetScooter-Fahrzeuge sollen daher im Laufe dieses Jahres gefertigt und bis spätestens 2021 ausgeliefert werden. „Neubestellungen wird es keine mehr geben“, sagte ein Post-Sprecher. Danach soll das Unternehmen StreetScooter zum Betreiber und Instandhalter der Flotte von Elektrofahrzeugen werden – laut der Post eine der größten weltweit. Nach Informationen des Kraftfahrt-Bundesamtes waren in Deutschland bis Anfang 2020 knapp 13.600 StreetScooter-Fahrzeuge zugelassen. Die Entwicklungs- und Fertigungsabteilungen in Aachen werden geschlossen.
Der mangelnde Erfolg von StreetScooter mag auch an der zwischenzeitlich vielfältigen, erfolgreichen und finanziell gut ausgestatteten Konkurrenz liegen. Das 2015 gestartete britische Unternehmen Arrival liefert beispielsweise seit 2017 Fahrzeuge an die Royal Mail und soll in den kommenden Jahren 10.000 Lieferfahrzeuge für UPS bereitstellen. Zudem ging Arrival eine Kooperation mit Hyundai und Kia ein. Beide Autobauer wollen auf Basis der modularen Plattform von Arrival eigene Fahrzeuge anbieten. Das mit Investment-Milliarden ausgestattete US-Start-up Rivian, das mit seinen Plänen für einen Elektro-Pickup Furore machte, plant ebenfalls einen Van für Zustellungen. Allein Amazon hat 100.000 Exemplare vorbestellt.
Der einstige StreetScooter-Mitgründer Günther Schuh gründete bereits ein Jahr nach dem Verkauf des Unternehmens an die Deutsche Post das Start-up e.Go, das den einstigen StreetScooter-Plan für einen Elektrokleinstwagen verwirklichen sollte. Im Jahr 2017 hatte e.Go den Life vorgestellt, der bereits mehrere Tausend mal vorbestellt wurde – dessen Auslieferung sich aber wegen Zuliefer- und Finanzengpässen verzögerte. Ebenso arbeitet e.Go in Kooperation mit dem Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen und Nvidia an elektrischen Kleinbussen für den autonomen Stadtverkehr. Zwei der sogenannten e.Go Moover sollen ab April auf dem Gelände des Münchner Olympiapark getestet werden.