Das polnische Start-up Nevomo wurde einst gegründet, um einen europäischen Hyperloop zu entwickeln. Doch anstatt den Röhrenzug zu bauen, will die Firma nun zuerst bestehende Gleise nachrüsten, um sie für moderne Magnetschwebezüge nutzbar zu machen – mit einer Technik, die einst für den Hyperloop gedacht war. Testläufe haben nun gezeigt, dass die Technik funktioniert.
Von Michael Förtsch
Es muss nicht immer der Hyperloop sein. Jedenfalls nicht sofort. Das ist die Überzeugung des 2017 als Hyper Poland gestarteten Mobilitäts-Start-ups Nevomo. Es wurde von Mitgliedern eines Teams der Warsaw University of Technology gegründet, das einst beim zweiten Hyperloop-Wettbewerb von Elon Musk angetreten war. Es hatte dafür unter anderem eine eigene Magnetschwebemechanik entwickelt, die es MagRail taufte. Nevomo hat diese Technik inzwischen weiterentwickelt, will sie aber zunächst nicht dafür nutzen, um schnelle Röhrenzüge zu bauen. Stattdessen sollen mit ihr bereits bestehende Eisenbahntrassen besser, schneller und effektiver nutzbar gemacht werden.
Wie das Unternehmen jetzt auf einer 700 Meter langen Teststrecke im polnischen Nowa Sarzyna bewiesen hat, können Schienenfahrzeuge mit der für den Hyperloop entwickelten Technik auf Bahnstrecken mit konventionellen Gleisen schweben. Bis zu 22 Millimeter hoben sich die Räder eines zwei Tonnen schweren Testfahrzeugs nach dem Erreichen einer Geschwindigkeit von rund 70 Kilometern pro Stunde von ihnen ab. Die Spitzengeschwindigkeit auf der Strecke liegt bei 135 Kilometern pro Stunde. Letztlich sollen mit der Technik bis zu 550 Kilometer pro Stunde machbar sein, sagt das Start-up.
Das System von Nevomo basiert auf passiver Levitation. Dabei werden die bestehenden Gleisbetten mit einer mittig liegenden Spur aus Permanentmagneten nachgerüstet. Auch die Züge sollen mit ebensolchen ausgerüstet werden. Die Magnete sind so gegeneinander ausgerichtet, dass sie sich natürlich abstoßen. Im Stand genügt diese Kraft nicht, um den Zug anzuheben. Mit zunehmender Geschwindigkeit erhöht sich jedoch die Wirkung und der Zug steigt in die Höhe. In Zusammenspiel mit weiteren Elektromagneten am Zugboden funktioniert die Trasse auch als Linearmotor, auf dem sich der Zug nachvorne ziehen kann.
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Jetzt Mitglied werden!Laut Nevomo-Chef Przemek Ben Paczek ist die „MagRail-Technologie nicht nur eine Vision für die Zukunft, sondern eine greifbare Lösung für heute. Eine Lösung für ein grüneres, stärker vernetztes Europa.“ Denn im Gegensatz zum Hyperloop und anderen Magnetschwebekonzepten müssten für den Einsatz von MagRail keine neuen Trassen gebaut werden – und die nötige Nachrüstung der Gleise sei vergleichsweise wenig aufwendig. Die Kosten pro Kilometer sollen zwischen sechs und sieben Millionen Euro betragen. Doch ganz so weit ist Nevomo noch nicht. Die nächsten Schritte bestünden aus Pilotprogrammen, die die kommerzielle Umsetzbarkeit und Sicherheit als Magnetschwebesystem feststellen sollen, teilt die Firma mit.
Die Nachrüstung der Gleise soll aber nicht nur die Nutzung von Magnetschwebebahnen ermöglichen. Auch bereits bestehende Züge und Waggons können von der Magnetstrecke profitieren, auch wenn sie nicht schweben. Mit entsprechenden Elektromagnetsystemen nachgerüstet, können sie die magnetischen Trassen als einen unabhängigen Antrieb oder Booster nutzen. Die Magnete helfen, die Züge über die Gleisen zu ziehen. Einzelne Waggons könnten auf diese Weise gänzlich selbstständig auf den Gleisen fahren und Züge mit mehr Waggons schneller und energieeffizienter unterwegs sein. Daher soll bereits 2024 die Nachrüstung erster Strecken ermöglicht werden. Magrail Boosters nennt das Unternehmen das Konzept.
Langfristig will Nevomo ändern, wie der Zugverkehr in Europa und der Welt funktioniert. Denn in Zusammenarbeit mit cleveren Leitsystemen soll es möglich werden, einzelne Zugmodule spontan für eine Fahrt zu ordern. Mehrere Module sollen sich wie Waggons zusammenschalten lassen, wenn sie sich eine Strecke teilen und wieder aufteilen, wenn sich ihre Wege trennen. Trotz alldem hat Nevomo die Hyperloop-Mission übrigens nicht aufgegeben, glaubt aber an eine „schrittweise Einführung von Verkehrssystemen“, die vom Hyperloop inspiriert sind und irgendwann zum Hyperloop führen könnten.
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