Bald ist Weihnachten. Aber so richtig in Weihachsstimmung zu kommen, ist dieses Jahr schwer. Wir haben hier neun Kurzfilme, die euch dabei helfen könnten. Oder auch nicht.
Von Michael Förtsch
Aus dem Radio dudelt bereits Last Christmas, bei manchen steht auch schon der Weihnachtsbaum und sogar den ersten Schnee hatten wir schon. Dennoch mag sich bei vielen in diesem Jahr wohl nicht so recht Weihnachtsstimmung einstellen. Bei der allgegenwärtigen Corona-Krise und einem Heiligen Abend ohne große Familienzusammenkunft ist das auch vollkommen verständlich. Aber vielleicht können diese Kurzfilme von jungen und ambitionierten Filmemachern und Filmemacherinnen helfen. Denn die werfen darin einen ganz eigenen Blick auf das Fest, die Feiertage und die winterliche Jahreszeit – und reflektieren über Gefühle, Technologien, Menschlichkeit und Bräuche.
Blinky TM
Ein Geschenk macht Freude. Ohne Zweifel. Vor allem, wenn es eine neue Technikspielerei ist, die wir unter dem Weihnachtsbaum finden. Aber wie lange hält eigentlich die Begeisterung an? Was, wenn alle anderen etwas haben, das noch cooler ist? Genau darüber spekuliert Ruairi Robinson in Blinky TM, das die Geschichte von Alex erzählt, der zu Weihnachten den gleichnamigen Roboter auspackt. Der wird schnell zu einem treuen Freund und Helfer. Doch ebenso wird er zum Ziel von Frust und Hass. Nämlich als der häusliche Familienfrieden bröckelt und Blinky verglichen mit anderen Robotern alsbald ziemlich alt ausschaut.
Anomaly
In den 1960ern ist das Wettrennen ins All in voller Fahrt. Der nächste große Schritt soll die Anomaly-Mission der USA sein. In und um diese Mission verknüpfen sich die Leben mehrerer Menschen, die sonst nichts miteinander gemein haben. Ein Astronom, der die Ankunft eines Kometen voraussagte, erfährt nach Jahren endlich Bestätigung. Ein Astronaut muss entscheiden, ob er seinem Herzen oder seiner Karriere folgt. Und eine junge Frau wird ungeplant schwanger – ohne einen biologischen Vater. Der 40-Minuten-Film von Salomon Ligthelm und Dan DiFelice ist eine abstrakte Interpretation der Weihnachtsgeschichte, und zwar eine mit beeindruckender Bildgewalt, die selbst manche Hollywood-Produktionen in den Schatten stellt.
Xmars
Viele Menschen sind in diesem Jahr zu Weihnachten wohl von ihrer Familie getrennt. Durch dutzende, hunderte oder sogar tausende von Kilometern. Der kleine Rover in Xmars ist jedoch ganze 200 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, dem Ort, an dem er geschaffen wurde. Einsam und allein fährt er daher durch die felsige Wüste des roten Planeten. Doch dann findet der Rover inmitten der kargen Landschaft etwas, das ihn aufheitert. Ja, das Animationsexperiment von Tomasz Wyszołmirski ist ziemlich kurz und richtig kitschig. Aber das kann ihm Jahre 2020 nicht schaden.
Invaders
Am Weihnachtsabend brechen zwei kleine UFOs in das Haus einer Familie ein, um jede Menge Unsinn anzustellen. Im Schlepptau haben die beiden ihren ach so ängstlichen und tölpelhaften Begleiter, der nicht mit den beiden mithalten kann, aber unbedingt dazu gehören möchte. Genau das schafft er dann auch – aber gänzlich aus Versehen und auf Kosten des Weihnachtfestes. Der Kurzfilm Invaders von Daniel Prince ist eine in Teilen bitterböse und blutige Parodie auf den Kultfilm Das Wunder in der 8. Straße und die aktuelle 80er-Nostalgiewelle, die von Serien wie Stranger Things befeuert wird.
Echoes In The Ice
Ob es Weihnachten ist, das lässt sich nicht genau sagen. Jedoch ist’s in BJ Verots Echoes In The Ice zumindest eisig und verschneit. Vier Männer rauschen hier in einem Schneemobil durch eine Eiswüste, um eine alte und vergessene Forschungseinrichtung zu erkunden. Doch bereits kurz nach ihrem Eindringen zeigt sich, dass dort irgendwas so gar nicht in Ordnung ist. Denn in der unteren Etage finden sie ein Becken, das mit einer mysteriösen Flüssigkeit gefüllt ist. Echoes In The Ice ist ein effektvoller und gut inszenierter Winter-Horror, der von HP Lovecrafts Die Berge des Wahnsinns und dem John-Carpenter-Klassiker The Thing inspiriert scheint.
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Jetzt Mitglied werden!Florence Has Left The Building
Florence hat die Faxen dicke. Sie ist zwar alt, aber noch lange nicht müde oder tot. Als daher in ihrer Einrichtung für betreutes Wohnen mal wieder das lahmarschige Weihnachtskonzert ansteht und zwei verfeindete Elvis-Imitatoren für Chaos sorgen, flieht sie. Aber nicht ohne dabei eine unwahrscheinliche Freundschaft zu schließen. Florence Has Left The Building von Mirrah Foulkes ist eine schwarz-humorige Erinnerung, dass das Alter ziemlich relativ sein kann und „du drauf gehst, wenn du aufhörst, weiterzumachen“. Das ist herzig, witzig und einfach amüsant anzusehen.
Out For Delivery
Zwei LKW-Fahrer sitzen in einem Diner. Dabei realisieren sie, dass der Inhalt ihrer Anhänger zur Weihnachtszeit mehr wert ist, als sie in ihrem ganzen Leben verdienen würden – dem Online-Shopping sei Dank. Und sie finden ein Schlupfloch, das sie leicht nutzen könnten, um sich über die Feiertage etwas „dazu zu verdienen“. Also schmieden sie einen Plan, der allzu simpel und genial klingt. Bis jemand mitkriegt, dass die beiden vorhaben, „Weihnachten zu stehlen“. Die Satire von Ethan Milner ist witzig, pointiert und großartige in Szene gesetzt – und dazu ein cleverer Anstoß, darüber nachzudenken, was Weihnachten in der Zeit von Amazon und Instant Delivery bedeutet.
The Snow Guardian
Billy Barr zog vor nunmehr über 40 Jahren nach Gothic, Colorado, einen der kältesten Orte der Erde. Dort lebt er ganz allein in einer Hütte im Wald – weit entfernt von seinen nächsten Nachbarn. Und was er dort tut, ist, den Schnee zu beobachten. Über 40 Winter hinweg dokumentierte er mit teils selbstgebastelten Instrumenten penibel den Schneefall. Seine Bücher mit all den Zahlenreihen sind für Wissenschaftler, wie die Dokumentation von Morgan Heim und dem Team von Day’s Edge zeigt, eine wahre Goldgrube, um das Wetter und den Klimawandel zu studieren.
Treevenge
Wir hätten wissen müssen, dass sie das nicht ewig über sich ergehen lassen. Dieses alljährliche Massaker, wenn gnadenlose Monster mit Kettensägen und Äxten über sie herfallen, um sie dann verstümmelt und verschnürt an Wildfremde zu verkaufen. Und das nur, um sie dann stolz in ihrem Heim auszustellen. Aber: In Treevenge rächen sich die Weihnachtsbäume nun. Denn sie haben genug. Der Kurzfilm von Jason Eisener ist eine herrlich groteske Satire, die scharfsinnig und absurd blutig unsere Weihnachtstraditionen dekonstruiert. Das ist fantastisch gefilmt und wunderbar verstörend.
Teaser-Bild: Tomasz Wyszołmirski