Von Wolfgang Kerler
Der Anflug verlief nicht wie geplant. Schon beim Abkoppeln vom Raumschiff Columbia gab es die erste Panne. Die Mondlandefähre Eagle schwenkte in eine abweichende Flugbahn. Damit war klar, dass Neil Armstrong und Buzz Aldrin den ursprünglich geplanten Landeplatz um ein paar Kilometer verfehlen würden.
„Dann hatten wir plötzlich Computerprobleme“, erinnert sich Charlie Duke bei seinem Besuch im Deutschen Museum in München. Er saß an diesem 20. Juli 1969 im NASA-Kontrollzentrum in Houston – und war die Verbindungsperson zwischen der Erde und der Apollo-11-Mission. Nur er konnte Armstrong und Aldrin per Funk erreichen. Ihre Kommunikation kann man heute nachlesen.
„Es hieß: Alarm 1201, Alarm 1202“, erzählt er. „Das bedeutet, der Computer war überladen. Als ich das sah, dachte ich, wir müssen die Mission abbrechen. Denn eine unserer Regeln war, dass du ohne Computer nicht landen kannst.“
Da ein Radar zu viel eingeschaltet war, wurde der Bordcomputer mit Daten überflutet und lieferte die Fehlermeldungen. Doch die NASA-Ingenieure in Houston entschieden nach weniger als 30 Sekunden: Alarm ignorieren, der Fehler sei unkritisch. „Wir machen weiter“, gab Charlie Duke durch, „trotz des Alarms.“
Fast wäre der Mondlandefähre der Sprit ausgegangen
Die nächste Krise. Der Autopilot steuerte die Landefähre mitten in einen Krater. „Neil sagte: ,Wir können dort nicht landen!‘“, berichtet Duke. „Also musste er die Fähre manuell woandershin fliegen.“ Aber das kostete mehr Treibstoff als geplant.
Laut Anzeige waren die Tanks so gut wie leer. Duke warnte, dass nur noch 60 Sekunden blieben, um zu landen. „Dann gab ich durch: ,30 Sekunden‘“, erzählt er. „Und dann – nach meiner Stoppuhr noch einmal 13 Sekunden später – hörte ich Buzz Aldrin sagen: ,Kontakt.‘“ Armstrong schob nach: „Der Adler ist gelandet.“ Die NASA atmete auf. „Eine Menge Jungs hier unten sind schon blau angelaufen, aber jetzt atmen wir wieder. Vielen Dank“, funkte Duke auf den Mond.
Als Neil Armstrong ein paar Stunden später aus der Fähre ausstieg, verfolgte Duke das zuhause vor dem Fernseher. Seine Schicht war vorbei. Seine Verbindung zum Mond nicht. 1972 betrat er ihn selbst als zehnter Mensch und legte zusammen mit seinem Kollegen waghalsige Fahrten in ihrem Mondauto hin. Er gehörte zur Apollo-16-Mission. Mit Nummer 17 endete das Programm. Bis heute waren nur 12 Männer auf dem Mond.
Die Raumfahrt hatte schon immer etwas Abenteuerliches. Sie befeuert die Neugier und den Entdeckergeist der Menschen, spornt sie zu Höchstleistungen an. Doch schon immer ist sie auch politisch motiviert – und teuer. Sehr teuer. Das verschweigt auch Charlie Duke nicht.
Als der amerikanische Präsident John F. Kennedy 1962 verkündete, die USA würden als erstes einen Menschen zum Mond und wieder zurückbringen, ging es ihm vor allem darum, den Wettstreit mit der Sowjetunion zu gewinnen. Die hatte zuerst einen Satelliten und einen Menschen ins All befördert. Der Kalte Krieg erreichte den Weltraum.
Die NASA investierte also innerhalb weniger Jahre 25 Milliarden Dollar, um vor der Sowjetunion den Mond zu betreten. Heute würde das einer Summe von 150 Milliarden entsprechen. Für Charlie Duke war das Geld gut investiert. „Wir haben dadurch neue Technologie gewonnen“, sagt er. „Das hat unserer Wirtschaft und später der Weltwirtschaft einen Schub gegeben.“
Private Unternehmen mischen den Weltraum auf
Der Kampf der Systeme ging zu Ende. Die große Politik verlor ihre Lust auf Raumfahrt. Und der Weltraum wurde zum Geschäft. In den vergangenen Jahren sorgten die Raumfahrtunternehmen von drei Milliardären für mehr Schlagzeilen als NASA oder ESA – nicht nur, weil sie Raketenstarts deutlich günstiger machten.
Amazon-Gründer Jeff Bezos und Virgin-Gründer Richard Branson verfolgen mit ihren Firmen Blue Origin und Virgin Galactic das Ziel, irgendwann Touristen ins All oder auf den Mond zu bringen. Der Tesla-Gründer Elon Musk will ebenfalls Flüge zum Mond anbieten – oder gleich zum Mars. In der Zwischenzeit befördert sein Unternehmen SpaceX Satelliten in den Orbit.
Es schien also für eine Weile nicht unwahrscheinlich, dass die nächsten Menschen auf dem Mond Touristen sein würden. Doch mittlerweile hat auch die Politik den Erdtrabanten wieder für sich entdeckt. Mehrere Länder wollen in den nächsten Jahren ebenfalls Menschen zum Mond und später sogar zum Mars schicken.
Die NASA beschleunigt ihr Programm
China gelang im Januar die erste – wenn auch unbemannte – Landung auf der Rückseite des Mondes. Spätestens 2030 soll ein Chinese den Mond betreten. Anfang der 2030er möchte auch Russland wieder Kosmonauten dorthin bringen.
Die USA dürften schneller sein. Auf Wunsch des Präsidenten Donald Trump, der keinen Hehl aus seiner Rivalität mit China macht, straffte die NASA gerade erst ihren ohnehin ambitionierten Zeitplan. Statt bis 2028 soll schon bis spätestens 2024 wieder ein bemannter Flug stattfinden. Die USA wollen nach dem ersten Mann auch die erste Frau auf den Mond befördern. Die NASA wird dafür mit den privaten Firmen zusammenarbeiten.
Aber sind die Milliarden immer noch gut angelegt? Ja, sagt Charlie Duke in München auf Nachfrage von 1E9 – und erklärt auch warum. „Es ist ein gutes Investment. Schließlich wurde schon das Geld, das wir in die Apollo-Mission gesteckt haben, nur auf der Erde ausgegeben. Keine 10 Cent wurden auf dem Mond ausgegeben. Die Investitionen waren gut für die ganze Weltwirtschaft.“
Das ganze Geld sei in die Verbesserung von Technologie und von Herstellungsprozessen, in neue Materialien oder in die Miniaturisierung von Elektronik geflossen, erklärt er. „Daher glaube ich, dass ein großes Programm zur Rückkehr auf den Mond oder eine Marsmission der Entwicklung von Technologie einen Schub geben und neues Wissen schaffen würde. Das Investment würde sich definitiv lohnen.“
Deutschland spielt im Wettlauf zum Mond kaum eine Rolle
Das sieht im Prinzip auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, CSU, so. Er hielt beim München-Besuch des NASA-Veteranen Duke ein Grußwort. Doch den Namen „Bavaria One“ will er nicht mehr in den Mund nehmen. So hieß das bayerische Luft- und Raumfahrtprogramm, das er vergangenes Jahr verkündetet – kurz vor der Landtagswahl. Von politischen Gegnern und vielen Kommentatoren erntete er dafür viel Spott und Kritik. Zustimmung gab es aus der Wissenschaft, der Industrie und von den bayerischen New-Space-Start-ups.
Gestorben ist das Programm seitdem zwar nicht. Von den damals angekündigten 750 Millionen Euro sind bisher aber lediglich 30 Millionen bis einschließlich 2020 eingeplant. Die Bundesregierung wiederum kündigte ein neues Weltraumgesetz an, das den Raumfahrtunternehmen mehr Rechtssicherheit bei ihren Geschäften im All bietet. Doch neue Milliardenprogramme für Reisen zum Mond oder Mars wie in den USA oder China stehen in Berlin nicht an, auch nicht auf europäischer Ebene. Die EU investiert vor allem in ihr Navigationssystem Galileo und ihr Erdbeobachtungsprogramm Copernicus.
Will die EU auch Astronauten auf den Mond bringen, wird sie also auf eine Partnerschaft mit den USA setzen und dafür Geld in die Hand nehmen müssen. Ob das funktioniert, ist angesichts der nationalistischen Töne unklar, die in Washington bisher fallen. Erneut scheint ein Wettstreit zweier Weltmächte die Initialzündung für einen Wettlauf zum Mond zu geben. Die Hoffnung aufgeben muss man deshalb aber nicht.
„Ich bin zuversichtlich, dass alle Nationen gemeinsam einen Vertrag schließen, um gemeinsam zum Mond zu fliegen“, sagt Wolfgang Heckl, der Chef des Deutschen Museums. Er hatte Charlie Duke nach München eingeladen. „Es könnte ein Ziel sein, dass die Welt zusammenbringt.“