Worldcoin: Wer diese Kryptowährung will, der muss seine Augen scannen lassen

Der US-Investor Sam Altman hat einen neuen Plan, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Er will eine Kryptowährung namens Worldcoin starten, die an jeden Menschen auf dem Planeten vergeben soll. Zumindest jeden, der seine Augen mit einer High-Tech-Kamera scannen lässt.

Von Michael Förtsch

Der Investor und Entwickler Sam Altman ist eine der einflussreichsten Persönlichkeiten im Silicon Valley. Er ist der Chef des KI-Entwicklungsunternehmens OpenAI und hat als ehemaliger Leiter der Investitions- und Start-up-Förderungsfirma Y Combinator einige der größten und erfolgreichsten Digitalunternehmen mit auf den Weg gebracht. Darunter AirBnB und Dropbox. Aber er will auch die Welt verändern – zum Digitaleren und Besseren, wie er immer wieder in Interviews und Blogartikeln betont. Unter anderem mit Künstlicher Intelligenz. Und nun auch mit Kryptowährungen, wie ein Bericht von Bloomberg jetzt enthüllt hat.

Zusammen mit drei anderen Partnern hat Altman ein Start-up namens Worldcoin gegründet, das an einer eigenen Kryptowährung entwickelt. Unterstützt würde sie unter anderem vom einflussreichen Venture-Capital-Fonds Andreessen Horowitz, der Krypto-Börse Coinbase und dem LinkedIn-Gründer Reid Hoffman. Das Ziel von Worldcoin soll sein, einen Teil der gleichnamigen Kryptowährungen an jeden Menschen auf der Welt auszuzahlen, um einen Übergang von Fiatgeld zu Kryptowährungen zu unterstützen. Aber nicht einfach so, sondern im Gegenzug für einen Scan der Iris jeder einzelnen Person, die die Kryptowährung nutzen will.

Dafür soll das Unternehmen bereits ein Gerät entwickelt haben, das in etwa die Größe und Form eines Basketballs habe und mit hochauflösenden Kameras bestückt ist. Mit diesem Gerät soll die „Menschlichkeit und Einzigartigkeit von jedem sichergestellt werden, der sich [für einen Teil der Kryptowährung] bewirbt“. Prototypen dieser High-Tech-Kamera sollen bereits existieren und in einem Pilotprojekt in verschiedenen Städten rund um die Welt getestet werden.

Dauerhaft gespeichert oder in irgendeiner Art kommerziell verwertet werden sollen die Scans nicht. Sie sollen nur dienen, um eine jeweils einzigartige Adresse für die digitale Brieftasche jeder Person zu generieren, die, wenn nicht anonym, aber zumindest pseudonym sein soll. Durch eine wachsende Anzahl an Menschen, die über die Kryptowährung verfügen, soll nach und nach ein lebendiger Wirtschaftskreislauf entstehen.

Banking the unbanked?

Die Idee zu Worldcoin hatte nicht Altman alleine, sondern sie entstand in einer Debatte mit dem ehemaligen Physikstudenten Alexander Blania, der das Unternehmen auch leitet. Der Ursprungsgedanke sei gewesen, mit Kryptowährungen ein bedingungsloses Grundeinkommen umzusetzen, das Altman sei Jahren fasziniert. Er ist davon überzeugt, dass sich dadurch eine nachhaltigere, fairere und vor allem dynamischere Gesellschaft erschaffen lasse. Letztendlich sei ein Grundeinkommen auch unvermeidbar, glaubt Altman, da unter anderem die Künstliche Intelligenz die Jobs vieler Menschen überflüssig machen würde.

Ein weiterer Gedanke von Worldcoin sei, Menschen, die bislang nicht am globalen Wirtschaftssystem teilnehmen können, eine Einstiegsmöglichkeit dazu zugeben. „So viele Menschen auf der Welt haben noch keinen Zugang zu Finanzsystemen“, sagt Blania im Gespräch mit Bloomberg. „Krypto hat die Möglichkeit, uns dorthin zu bringen.“ Dadurch könnten Menschen über Grenzen hinweg miteinander handeln oder gemeinsam in Ideen investieren. Genau an das glauben auch andere Krypto-Pioniere wie Charles Hoskinson, der einstige Co-Gründer von Ethereum und nun von Cardano, der insbesondere in den afrikanischen Staaten nach und nach Menschen einen Zugang zu digitalen Konten geben will.

Wann Worldcoin starten soll, das ist bislang ungewiss. Offiziell ist das Start-up noch in einer sogenannten Stealth-Phase, also nicht bereit in die Öffentlichkeit zu treten. Ebenso soll die eigentliche Kryptowährungen noch in der Entwicklung sein. Menschen, die an Tests mit dem Iris-Scanner teilnehmen, bekämen daher momentan andere Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether ausgezahlt. Dazu steht in Fage, ob der Name Worldcoin bleiben wird, denn es gibt schon eine Kryptowährung mit diesem Namen. Diese ist 2013 als ein direkter Klon von Bitcoin gestartet und nie sonderlich erfolgreich gewesen.

Es gibt Kritik

Die Vision von Altman und den Mit-Gründern von Worldcoin klingt ziemlich utopisch. Erste Datenschützer und Bürgerrechtler sehen darin allerdings eher das Rezept für eine Dystopie. Insbesondere aufgrund der Iris-Scans, die sich rasant zu einem Privatsphären- und Sicherheitsproblem entwickeln könnten, sollten sie nicht sicher zwischengespeichert, nicht – wie von Worldcoin angegeben – schnell gelöscht werden und in falsche Hände geraten. „Diese Firma und diese Währung sollten einfach nicht existieren“, sagt daher etwa John Davisson vom Electronic Privacy Information Center gegenüber Recode. Eine fundamental biometrische und höchstpersönliche Information wie die Iris gehöre nicht in die Hände eines Privatunternehmens. Denn anders als ein Passwort könne sie nicht einfach ersetzt oder geändert werden.

Auch aus der Krypto-Community kommen Kritik und viele Fragen. Unter anderem heißt es in Debatten auf Reddit, dass die Verknüpfung von digitalen Konten mit biometrischen Informationen den Gedanken und Idealen zuwiderlaufe, aus denen Kryptowährungen einst geboren wurden. Nämlich dass das Eröffnen von digitalen Konten und Versenden von Geld ermöglicht wird, ohne, dass eine Person irgendwelche privaten Informationen hinterlassen muss. Zudem deute sich im Scannen der Iris und dem Generieren von einzigartigen Konten an, dass das Start-up offenbar als eine zentrale Kontrollinstanz der Kryptowährung agieren soll, was ebenso wenig dem Geist und Sinn von Kryptowährungen entspreche.

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Tatsächlich ist das Konzept von Worldcoin nicht ohne Vorbild. Im Jahr 2017 hatten die Vereinten Nationen ein Pilotprojekt im Azraq-Flüchtlingscamp in Jordanien gestartet. Mit einem biometrischen Krypto-System sollte es für die Geflüchteten einfacher gemacht werden, Lebensmittelcoupons und Hilfsleistungen in Anspruch zu nehmen. Bezahlt haben die Geflüchteten, in dem sie am Ausgabe- oder Kassenbereich ihre Augen haben scannen lassen. Der Kauf oder die Inanspruchnahme von Hilfen wurde dann in einer Blockchain gespeichert. Das Projekt war durchaus effektiv, zog aber ebenfalls viel Kritik von Datenschützern auf sich. Insbesondere da die Technologie und Sicherung der Daten auch hier von Privatunternehmen gewährleistet werden sollte.

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