Wettbewerb für autonome Drohnen in Bayern: Mit Abstürzen zum Erfolg

Wie gut können autonome Drohnen bereits ohne manuelle Hilfe und GPS navigieren? Das wollte die Bundesagentur SPRIND in einem Wettbewerb für Start-ups und Entwickler herausfinden. Bei den Flügen auf einem ehemaligen Militärflugplatz in Bayern kam es zu zahlreichen Abstürzen. Trotzdem war der Wettbewerb ein Erfolg.

Von Michael Förtsch

Einst war der Fliegerhorst Erding ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für die Bundeswehr und das US-Militär. Von der über 2.500 Meter langen Startbahn aus starteten nach der Teilung Deutschlands zahlreiche Maschinen zu Versorgungsflügen für die Berliner Luftbrücke. In den Hangars standen während des Kalten Krieges legendäre Flugzeuge wie die Convair F-102, die Lockheed F-104 und die McDonnell F-4 Phantom. Heute sind die meisten der Hallen leer. Im September 2014 wurde mit dem Abflug eines Panavia 200 Tornado der Flugbetrieb eingestellt. Stattdessen wird hier jetzt nur noch militärisches Gerät gewartet. Doch Anfang September ertönte wieder ein Rauschen zwischen den oft vakanten und teils bereit schon überwucherten Gebäudekomplexen. Denn da surrten Drohnen über den Fliegerhorst entlang.

Die Bundesagentur für Sprunginnovationen – kurz SPRIND – hatte neun Teams zu einem mehrtägigen Wettbewerb eingeladen, bei dem sich ihre Fluggeräte in einem Parkour beweisen mussten. Sie waren die Gewinner eines ersten Ausscheidungskampfes, der bereits im April stattgefunden hatte. Die Herausforderung: Nicht Menschen sollten die Mini-Flieger steuern, sondern die Drohnen sich selbst. Und zwar ohne Satellitenunterstützung per GPS, nur mit Sensoren und Kameras an Bord. Fully Autonomous Flight, darum geht es, wie Jano Costard von der SPRIND sagt, der für die Entwicklung des Wettbewerbs verantwortlich war. „Drohnen haben schon heute ein sehr breites Anwendungsspektrum“, sagt er zu 1E9. „Wenn sie autonom fliegen können, wird es noch größer. Deshalb ist das Thema für uns so spannend. Es gibt Möglichkeiten im Rettungswesen, bei Waldbränden, Katastrophen oder im kommerziellen Lieferbereich.“

Militärische Anwendungen stehen bei SPRIND für autonome Drohnen nicht im Fokus. Obwohl der Wettbewerb auf einer militärischen Anlage stattfindet. Aber wie Costard sagt, wären militärische Anwendungen für die Technologie natürlich nicht ausgeschlossen, sondern sogar sehr wahrscheinlich – praktisch logisch. „Es ist klar, dass die Technologie auch dort eine Rolle spielen wird“, sagt er. „Wir haben jetzt zumindest in der Ukraine gesehen, welche Stellung moderne Drohnen dort im taktischen und militärischen Bereich einnehmen können. Und natürlich ist es auch wichtig, dass wir hier in Europa Technologien für den militärischen Einsatz entwickeln. Aber für uns stehen hier erst einmal andere Möglichkeiten im Vordergrund.“

Große Herausforderungen

Der Parcours für die Drohnen war komplex. Rund neun Kilometer hatte das SPRIND-Team für die Teams vorbereitet. Darunter Bereiche mit Gebäuden, offenen Wiesen, kleinen Waldstücken und zusätzlichen Hindernissen: Rauch, Nebel und Sprinkler, die einen Regenschauer simulierten. Am Ende des Parcours sollten die Drohnen ein kleines Paket aufnehmen und zu einem Zielpunkt transportieren. Die einzige Hilfe für die Fluggeräte waren 27 Wegpunkte in Form von kleinen Fähnchen, an denen sie sich entlang hangeln sollten. Das Ergebnis der Challenge war gemischt. Viele der neun ausgewählten Teams scheiterten mit ihren Drohnen frühzeitig und schieden aus.

„Wir sind nur bis zum zweiten Wegpunkt gekommen“, sagt zum Beispiel Michael Heinrich vom erst vor wenigen Monaten gegründeten Hybrid Aerospace Amynetron. Das Team will Drohnen bauen, die zum Beispiel bei Naturkatastrophen Hilfsdienste wie das THW unterstützen. Das Problem für sie – aber auch für andere Teams – sei die schwierige Positionserkennung gewesen. „Wenn eine Drohne autonom fliegen soll, muss sie ihre Position nicht nur kennen, sondern auch steuern können“, sagt er. Die Position zu bestimmen, etwa über Kameras, die Muster und Objekte in der Umgebung identifizieren, funktioniere aber noch nicht zuverlässig und schnell genug. Das führe dazu, dass die Drohnen beispielsweise die Muster aus den Augen verlieren, mit denen sie ihre Position im dreidimensionalen Raum bestimmen. Das resultiere letztlich in einer totalen Orientierungslosigkeit.

Bei der Drohne von Hybrid Aerospace Amynetron sei es „dazu gekommen, dass sie nicht mehr weiterfliegen konnte“. Bei anderen Teams krachte es sogar. Mehrfach kam es zu Abstürzen, bei denen die Drohnen stark beschädigt und in mindestens einem Fall sogar komplett zerstört wurden. Eine benzinbetriebene Drohne erlitt kurz nach dem Start einen Defekt, der die Rotoren zum Stillstand brachte. Die Drohne fiel daher plötzlich aus mehreren Metern Höhe auf eine Asphaltfläche, wobei sie nur knapp das Dach eines Backsteinbaus verpasste. In anderen Fällen war es das wechselhafte Septemberwetter, das Probleme machte. Wind trieb Drohnen ab und Regen beeinträchtigte die Sicht der installierten Kameras.

Innovation als Ziel

Am Ende schaffte es kein Team, den Parcours komplett ohne manuelle Eingriffe zu fliegen, das Paket ohne Hilfe aufzunehmen und ins Ziel zu surren. Für die Agentur SPRIND, die die einzelnen Teams bei ihren Entwicklungen mit bis zu 150.000 Euro finanziell unterstützte, war die Challenge dennoch ein Erfolg. „Es war genau das, was wir erwartet hatten“, sagt Jano Costard. Denn die Anforderungen seien bewusst schwierig gewesen. Und die Probleme, auf die die Teams gestoßen seien, hätten ihnen die Möglichkeit gegeben, technische und digitale Herausforderungen zu erkennen, zu lernen und hoffentlich dafür innovative Lösungen zu finden. „Das gehört alles dazu“, so Costard weiter. „Beim Entwickeln und Testen ist es normal, dass viel schief geht.“

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Der SPRIND-Mitarbeiter zieht Parallelen zwischen dem Wettbewerb der Bundesbehörde und der ersten DARPA Grand Challenge im Jahr 2004. Bei dem Wettbewerb für unbemannte Fahrzeuge der US-Militär-Entwicklungsbehörde kippten viele Fahrzeuge beim Start einfach um oder fuhren direkt in Absperrungen. Aus diesen Fehlschlägen entstand dennoch die Technologie, die heute moderne Fahrerassistenzsysteme und autonome Taxis wie jene von Waymo ermöglicht. „Wir befinden uns in diesem Wettbewerb an der Grenze dessen, was derzeit technologisch machbar ist“, sagt Costard. „Um das voranzutreiben, darüber hinauszugehen, dafür sind solche Wettbewerbe da. Dazu braucht es mutige Teams, die auch bereit sind, das Risiko einzugehen, dass das, was sie bauen, nicht so funktioniert, wie sie es sich erhoffen.“

Gewinner gab es trotzdem. Eine Jury bewertete die Technik, den Erfolg auf der Strecke und das Entwicklungspotenzial. Auf den ersten drei Plätzen landeten Fly4Future, ein Team der Technischen Universität Prag, sowie Beyond Vision aus Portugal und KopterKraft aus Estland. Laut Costard ist es gut möglich, dass der Wettbewerb für vollautonomes Fliegen von Drohnen in Zukunft wiederholt wird. Wenn die Technik etwas weiter ist und die Erkenntnisse verarbeitet werden konnten. „Wir schauen uns die Ergebnisse und das Leistungsniveau natürlich genau an“, sagt Costard. „Dann werden wir sehen, inwieweit wir vielleicht gut daran tun, die Entwicklung jetzt weiter zu unterstützen.“

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