Wie fühlt es sich an, wenn wir in der Welt um uns herum nicht mehr genau unterscheiden können, was physisch existiert und was nur virtuell? Wer das erleben möchte – und zwar nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen Menschen – hat dazu in München die Gelegenheit. Die Ausstellung EMIXAR Continuum verbindet technische Innovation mit Kunst.
Von Wolfgang Kerler
Ein lächelnder Terrakotta-Kopf, der mit Popcorn gefüllt ist. Ein wild verkabelter Taucherhelm, der ordentlich Patina angesetzt hat. Oder eine Abrissbirne, deren Inneres mit rosa Plüsch ausstaffiert ist. Schon die physischen Kunstwerke von EMIXAR Continuum sind sympathisch verspielt. Etablierte Künstler und Newcomer haben Arbeiten beigesteuert, darunter Ugo Dossi, Holger Dreissig, Susu Gorth, Gotlind Timmermanns. Beim Betreten der Halle wird sofort klar: Das ist keine unnahbare Kunstausstellung, die schweigend und mit ernster Miene erkundet werden möchte.
Stattdessen ist EMIXAR Continuum eine Entdeckungsreise in die Zukunft. Nachdem die Besucherinnen und Besucher die XR-Brille aufgesetzt haben – eine Meta Quest 3 – bekommen sie einen Eindruck davon, welche Möglichkeiten und Fragen sich ergeben, wenn wir unsere physische Welt nahtlos um digitale Ebenen erweitern. Wer sich schon immer gefragt hat, warum Meta oder Apple Milliarden in XR-Technologien investieren, kann es nach dem Besuch vielleicht besser nachvollziehen. Aber zurück zur Ausstellung.
Die „echten“ Exponate, die Halle und die anderen Besucher bleiben durch die Brille per Passthrough-Modus sichtbar. Meistens jedenfalls. Es sei denn, die digitalen Objekte, die nun im Raum erscheinen, verdecken den Blick. Erst jetzt werden zwei kreisende Krücken in Übergröße sichtbar, an deren Ende große Bleistifte auf den Boden zeichnen. Auch der Popcornhaufen in der Ecke existiert nur virtuell. Genau wie der große Wassertack um den Taucherhelm. Einige der digitalen Objekte sind begehbar oder interaktiv. Eine virtuelle Blumenwiese lädt zum Pflücken ein. Im Inneren einer Skulptur lässt sich ein geheimnisvoller Dolch entdecken.
Mixed Reality als Gemeinschaftserlebnis
Die liebevollen Details zu entdecken, macht vor allem gemeinsam Spaß. „Schau mal, hier kann man was nehmen“, „Hast du den Vogel da oben gesehen?“, „Wo kommst du plötzlich her?“, „Kann man da wirklich reingehen?“. In ein paar Jahren, wenn wir uns an derartige Mixed-Reality-Erlebnisse gewöhnt haben, wird dieses kindliche Staunen wohl nicht mehr stattfinden. Doch EMIXAR Continuum in der Münchner Spielstätte Schwere Reiter ist im doppelten Sinne eine Weltpremiere.
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Jetzt Mitglied werden!Einerseits, weil die Ausstellung nach dem Auftakt in München nach New York, Mexico City und Wien weiterzieht. Andererseits, weil sie technisch Neuland beschreitet: Bis zu 60 Personen können sich gleichzeitig mit XR-Brillen durch die Mixed-Reality-Ausstellung bewegen. Genau genommen durch die „Extended MIXed Augmented Reality“-Experience, denn dafür steht EMIXAR. Möglich macht das die Entwicklungsarbeit des Münchner XR-Studios govar, das hinter dem ehrgeizigen Projekt steckt.
Im zweiten, kleineren Ausstellungsraum sind zwei stimmungsvoll beleuchtete Objekte der Künstlerin Tatjana Busch platziert, die selbst ohne XR-Brille den Eindruck erwecken, virtuell zu sein. Doch die tatsächliche virtuelle Ebene ist in diesem Saal mehr als nur ein weiteres XR-Objekt. Hier findet eine Performance statt, basierend auf Motion Capturing eines Tanzes von Hikaru Osakabe. Erst als Pixelwolke, dann als schemenhafter Avatar, schließlich als virtueller Mensch bewegt er sich durch das Publikum.
EMIXAR Continuum ist noch bis zum 7. Dezember 2024 in der Spielstätte Schwere Reiter zu sehen, täglich von 10 bis 21 Uhr. Vom 12. bis 31. Dezember geht die Ausstellung dann im Rathaus am Marienplatz in die Verlängerung. Infos & Tickets findest du hier.
Bilder: govar GmbH
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