Was der Science-Fiction-Film 'Die Wandernde Erde' auf Netflix über China verrät


’Die Wandernde Erde’ ist Chinas erstes großer Science-Fiction-Film – und jetzt auf Netflix. Die Verfilmung der Novelle des Trisolaris-Autors Liu Cixin ist ein wirklich sehenswertes Spektakel. Aber der Film zeigt auch, wie China auf sich selbst und in die Zukunft blickt.

Von Michael Förtsch

Bereits vor 19 Jahren hatte der mittlerweile auch im Westen groß gefeierte Science-Fiction-Autor Liu Cixin seine Novelle Die Wandernde Erde veröffentlicht – im Original 流浪地球. Darin muss die Menschheit erkennen, dass die Sonne ihre Kraft verliert, zum roten Riesen wird und damit die Erde und letztlich das ganze Sonnensystem zu verschlingen droht. Die einzige Hoffnung: Die Erde muss umziehen. In einer gemeinsamen Anstrengung baut eine Initiative aus allen Nationen 10.000 gigantische Raketentriebwerke, die den Planeten in Richtung Proxima Centauri schieben. Dort soll die Erde eine neue Heimat finden. Bis dahin muss die Menschheit in Städten unter der Erdoberfläche leben.

Die Verfilmung unter dem chinesischen Action- und Fantasy-Regisseur Frant Gwo ist weit weniger poetisch und elegisch als die geschriebene Vorlage, die über Zeit, Isolation und Heimat sinniert. Stattdessen inszeniert sich Die Wandernde Erde hier als ein mit Special Effects durchzogener und in rasanter Geschwindigkeit erzählter Katastrophenstreifen, der selbst Roland Emmerich neidisch machen dürfte. Schon kurz nach dem Beginn der langen Reise gerät die Erde in den Gravitationssog des Jupiter, der für tektonische Verwerfungen, Erdbeben und den Ausfall der Triebwerke und des Rotationsmotors sorgt, der die Erde in Drehung hält. Wenig später findet sich Liu Qi, der Sohn des Astronauten Liu Peiqiang, begleitet von einer bunten und generationenübergreifenden Truppe auf dem Weg zu einem Planetentriebwerk, das mit einem Zündkern neugestartet werden soll.

Trotz all des herrlichen Chaos und der schieren Bildgewalt schaffen es die Filmemacher aus Fernost, eine stringente wie treibend spannende Handlung auszubreiten. Und auch wenn die Namen all der Charaktere schnell vergessen sind, egal sind sie einem über den Verlauf des Filmes hinweg nicht. Aber vor allem: Wer in Die Wandernde Erde nach chinesischer Propaganda, einer rigorosen Parteilinie oder plattem Nationalismus sucht, der hat es schwer. Denn abgesehen von einigen diplomatischen Sticheleien in Richtung des Westens – natürlich spricht die Regierung der Vereinten Erde Französisch – wird eine atemlose Fabel über internationalen Zusammenhalt, schmerzhafte Opferbereitschaft und unabdingbarem Umweltschutz erzählt. Dann und wann gewährt der Film aber dennoch einige Einblicke in die Zukunftsvisionen und die Gesellschaft Chinas.

Eine Parabel auf den gemeinsamen Umweltschutz

Es ist unausweichlich: Natürlich wird die Erde davor gerettet, in den Jupiter zu stürzen. Aber das ist, entgegen den typischen Hollywood-Produktionen, bei Die Wandernde Erde nicht die Leistung eines einzelnen Helden. Zwar geben das Vater-Sohn-Duo Liu Qi und Liu Peiqiang quasi den Anstoß dafür. Aber letztlich müssen zahlreiche Charaktere an verschiedensten Ecken und Enden teils übermenschliche Leistungen erbringen, um eine gigantische Maschinerie in Gang zu setzten. Letztlich geht der Plan erst auf, als Dutzende Vertreter anderer Nationen mithelfen und wortwörtlich gemeinsam Druck machen, um die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren. Ein sehr symbolisches Bild, das klarer kaum sein könnte: Es geht um den Klimawandel, Umweltschutz und eine Energiewende.

Damit inszeniert Frant Gwo das chinesische Volk natürlich schmeichelhaft als Taktgeber – als den sich China offenkundig vor allem in Sachen Umweltschutz gerne zeigt. Und zumindest in einzelnen Bereichen hat man diesen Eindruck tatsächlich: Vor allem bei grüner Mobilität prescht China seit Jahren vor, verbannt Verbrennerfahrzeuge und tauscht ganze Diesel-Bus- gegen E-Bus-Flotten aus – wodurch schon jetzt 41 Millionen Liter Diesel pro Tag weniger verfeuert werden. Auch bei nachhaltigem Bauen und Solarenergie zieht China an anderen Nationen vorbei. Im Reich der Mitte entstehen riesige Solarfelder. 2030 will China sogar ein Solarkraftwerk in den Weltraum befördern. In diesen Nischen könnte der Rest der Welt wirklich mitziehen und Druck machen.

Verdient Künstliche Intelligenz wirklich unser Vertrauen?

Zwischenzeitlich spielt in Die Wandernde Erde eine Künstliche Intelligenz namens MOSS, die eine Raumstation und Gen- und Kulturarche befehligt, die der Erde quasi den Weg weisen soll, eine herausgehobene Rolle. Einerseits steht MOSS – der wohl nicht von ungefähr an HAL 9000 aus 2001 erinnert – den Astronauten und der Mission als Helfer und Universalwerkzeug zur Seite. Andererseits ist die Computerintelligenz keineswegs durchweg vertrauenswürdig. Sie ist gnadenlos dabei, die teils geheimen Missionsrichtlinien zu erfüllen. Selbst wenn der gesunde Menschenverstand und nachvollziehbare Opferbereitschaft etwas anderes diktieren. Über kurze Strecken scheint es fast, als würden die chinesischen Filmemacher das allzu große Vertrauen, mit dem die chinesischen Machthaber die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz vorantreiben, zu kritisieren. Offenbar sind nicht alle davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz immer und überall über Richtig oder Falsch entscheiden sollte.

Kleine Schritte, große Wirkung

2.500 Jahre. Das ist eine echt lange Zeit. Aber genauso lange soll die Reise der Erde nach Proxima Centauri dauern. Wieder und wieder wird betont, dass keiner, der jetzt die Erde rettet, die Ankunft in der neuen Heimat erleben wird, aber dass ihr Tun trotzdem bedeutsam ist. Wenn nicht für sie direkt, dann auf jeden Fall für all jene, die nach ihnen kommen. Das klingt nach Fridays For Future – und tatsächlich überschneiden sich die Messages, die der Film und die Klimabewegung an die Bevölkerung senden. Zusammen schaffen wir es. Aber wir müssen es jetzt anpacken – und nicht erst, wenn es zu spät ist.

Fazit: Ein außergewöhnlicher Film

Die Wandernde Erde ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher Science-Fiction-Film. Nicht nur ist er frei von propagandistischen Tönen, die angesichts der politischen Spannungen zwischen China und dem Westen zu erwarten wären. Er sendet auch ein wohliges Signal des Optimismus und zeigt Hoffnung auf eine positive Zukunft und Einigkeit über Gesellschafts- und Staatsgrenzen hinweg.

Bilder: China Film Group Corporation

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Das Buch 3 Body Problem (3 Sonnen) von Liu Cixin könnte noch in dieseListe der 16 Sci-Fi Romane für eine bessere Zukunft aufgenommen werden :slight_smile:

Vielleicht nicht ultra positiv aber zumindest ein spannendes „nicht-negatives“ Ende… :thinking:

Kennst du das Buch @Michael ? Wdyt?

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Die Trisolaris-Trilogie stand mit in meiner Liste - bevor ich sie etwas eingedampft habe ; ) Waren ursprünglich knapp über 20 Romane drauf.

Aber ich hatte 3 Body Problem schonml auf einem anderen Listical, das ich vlt. für hier mal auffrischen sollte: https://www.gq-magazin.de/auto-technik/article/diese-11-sci-fi-romane-solltet-ihr-lesen-bevor-sie-verfilmt-werden

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Schade, dass die Zeit ganz offensichtlich den Film garnicht gesehen hat.
https://www.zeit.de/kultur/film/2019-05/die-wandernde-erde-science-fiction-film-cixin-liu

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Bin heute auch schon darüber gestolpert und hab ein paar Mal mit dem Kopf geschüttelt. Ist zwar ein dicht mit Referenzen und Verweisen beladener Text aber eine sehr gezwungene und schräg in den Film reingeprügelte Interpretation – vor allem wenn man nebenher noch die Vorlage beachtetet. Ich glaube fast, der Autor hat Liu Cixin einfach falsch verstanden – oder zumindest gänzlich anders als ich, was natürlich auch sein kann.

Er schreibt: „Dabei ist sein Werk von einem tiefen, sozialdarwinistisch anmutenden Pessimismus durchtränkt: Zivilisationen müssen sich unaufhörlich technologisch fortentwickeln, sonst werden sie von höherstehenden ausgelöscht; und menschliche Tugenden wie Mitleid oder Nachsicht kommen schnell teuer zu stehen.“

Dabei ist das, was er „sozialdarwinistisch anmutenden Pessimismus“ in den Werken von Liu Cixin begreift, mehrheitlich ein Rückgriff und eine Aufarbeitung der Kulturrevolution. Und was als „Zivilisationen müssen sich unaufhörlich technologisch fortentwickeln“ gedeutet wird, spiegelt, wie Liu Cixin selbst mehrfach sagte, seinen Wunsch wieder, dass die Menschheit (und nicht nur China) die Rätsel des Universums und unserer Welt entschlüsseln müssen – wie sich vor allem auch in einer anderen Geschichte wie Ball Lightning zeigt.

Wo das „und menschliche Tugenden wie Mitleid oder Nachsicht kommen schnell teuer zu stehen“ herkommt, kann ich hingegen absolut nicht nachvollziehen. Wahrscheinlich hat er dabei die, das ist dann durchaus ein wiederkehrendes Motiv in der chinesischen Science Fiction, Opferbereitschaft Einzelner zugunsten des Kollektivs oder gar der Menschheit missverstanden.

Und was dem Film als Propaganda unterstellt wird, ist einfach der ganz natürliche Zug, heimische Charaktere zu den Helden im Film zu machen und die durchscheinende Kollektivmentalität, die in nunmal China vorherrscht. In dieser Aburteilung scheint mir ein tiefes Unverständnis und eine dumpfe Blockadementalität durch.

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Also ich habe auch so ziemlich das Gegenteil der Zeit da gesehen. Deine Interpretation kommt meiner Meinung da schon wirklich extrem näher :wink:.
Ist halt alles ein wenig kitschig, aber definitiv kein „China rettet die Welt“. Ganz im Gegenteil.

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