Die Blockchain-Technologie könnte die Medien- und Werbebranche umwälzen

Kritiker behaupten, es gebe für die Blockchain-Technologie gar keinen Bedarf. Doch nach dem Hype um den Bitcoin bekommen jetzt interessante Einsatzmöglichkeiten abseits von Kryptowährungen mehr Aufmerksamkeit. So könnte die Blockchain Probleme der digitalen Medienbranche lösen. 1E9-Mitglied Kambiz Djafari, der selbst ein Blockchain-Start-up hat, erklärt warum.

Von Kambiz Djafari

Blockchain ist mehr als Bitcoins

Woran denkt ihr beim Stichwort Blockchain? An Bitcoins? Sicher. Aber das war nur der Anfang. Kryptowährungen stellen heute nur noch eine sehr reduzierte Anwendung dieser Technologie dar. Bereits 2015, mit der Einführung der Open-Source-Plattform „Ethereum“, erkannten visionäre Denker und Macher, dass sie die Blockchain für viel mehr als für monetäre Transaktionen zwischen A und B einsetzen könnten. Die Technologie hat das Zeug, das digitale Zeitalter in einem Maß zu prägen, wie die Dampfmaschine vor 150 Jahren die industrielle Revolution. Auch die Mediabranche wird sie tiefgreifend verändern.

Was für ein Imagewandel! Erst durch das Darknet- und Drogengeld verpönt, dann auf Bitcoins reduziert, rückt die Blockchain nun in den Fokus der gesamten IT-Sicherheitsdiskussion. Sie ist eine Digital-Native-Technologie und damit geradezu prädestiniert für digitale Dokumentations- und Abspeicherungsprozesse. Der eingebaute Zeitstempel, ihre Verschlüsselungstechnologie und die dezentralisierte Datenstruktur machen sie zu einer beinahe unzerstörbaren Datenbank für Business-Anwendungen.


„How real is Blockchain?“: Über die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain haben Kambiz Djafari, Nathan Williams vom Start-up Minespider und @Wolfgang von 1E9 auf der diesjährigen DMEXCO gesprochen.

Grundsätzlich kann man sagen, dass die Lösungsansätze, die ich gleich beschreibe, in vielen Geschäftsfeldern angewendet werden könnten – überall dort, wo es darum geht, aufwendige Prozesse zu automatisieren und Betrug, auf Englisch: Fraud, zu bekämpfen. Konkret will ich nun folgende Frage beantworten: Wie kann Digital Advertising davon profitieren – also das Werbegeschäft, das große Teile der digitalen Medien finanziert?

Der Kampf um Vertrauen und schlanke Prozesse

Ein wachsendes Problem der Werbe- und Mediabranche sind die immer aufwendigeren Prozesse. Um eine lückenlose Transparenz nach innen und außen zu gewährleisten, muss jeder einzelne Schritt im Alltag von Mediaagenturen dokumentiert werden – vom Briefing bis zur Buchung. Abgesehen von Sonderfällen sind dies Standardprozesse, die jede Menge händische Arbeit und Aufwand verursachen. Sie können mit der Blockchain-Technologie automatisiert werden. Automatisierte Computerprotokolle, sogenannte Smart Contracts , ermöglichen es, ganze Regelwerke in die Blockchain einzuspeisen. Das geschieht direkt oder indirekt über Programmierschnittstellen (API).

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Smart Contracts: maschinenlesbar, unzerstörbar, manipulationsresistent und ziemlich günstig.

Die zweite, aus meiner Sicht größere Gefahr im Bereich Advertising, ist das schwindende Vertrauen der Werbetreibenden. „Erreichen unsere Mediabudgets auch wirklich unsere Zielgruppen?“ Das fragen sich Marketingverantwortliche völlig zu Recht. Diverse Studien legen nah, dass mittlerweile etwa ein Drittel aller digitalen Werbeausgaben Ad Fraud zum Opfer fallen. Vereinfacht gesagt werden werbetreibende Unternehmen von Verlagen und anderen Seitenbetreiben oft betrogen, was die Reichweite oder Platzierung ihrer Werbebanner angeht. Dazu zählt zunächst Publisher-Spoofing im Programmatic-Bereich. Die bezahlte Anzeige erscheint dabei nicht auf dem bezahlten Platz, sondern an einer minderwertigen Stelle. Hier ist die Branche bereits auf einem guten Weg: Die Initiativen Ads.txt und ihr Nachfolger Ads.crt lösen das Problem kryptografisch. Eine weitere Herausforderung ist der wachsende Klickbetrug. Etwa 60 Prozent des globalen Traffics werden von Bots generiert, Maschinen also, die menschliches Surfverhalten simulieren. Die Hälfte davon können sogenannten Bad Bots zugeordnet werden.

Blockchain-Technologie kann auch hier unterstützen, da sie Informationen verifiziert, Absender authentifiziert und Prozesse eindeutig zuordnen kann. Einmal durch Blockchain-Smart-Contracts via eines einzigartigen und unzerstörbaren Keys überprüft, ist Manipulation am Klickaufkommen ausgeschlossen. Am besten eignen sich hier permissioned , also nicht öffentliche, Blockchains, die Prozesse und Regelwerke über dApps (dezentralisierte Applikationen) abbilden und abwickeln können.

Die ersten Anwender sind aktiv

Angesichts der erheblichen Chancen durch die Blockchain arbeiten bereits einige Start-ups an Lösungen, um die Technologie in der Mediabranche zu implementieren. Dabei kristallisieren sich zwei Ansätze heraus.

Der erste setzt auf blockchain-basierende Browser (Brave) und bringt eine blockchain-qualifizierte Nutzerschaft mit ebenfalls qualifizierten Werbern zusammen. Die Nutzer erhalten native Tokens, sobald sie auf Ads klicken. Der Anbieter verdient daran, dass er dem Werbetreibenden „echte“ Audience liefert. Basic Attention Token (BAT) setzt das Modell allerdings mit einem speziellen Webbrowser um, den alle Teilnehmer verwenden müssen. Deshalb gehe ich davon aus, dass es sich nicht durchsetzen wird. Standards für die Mediaindustrie müssen Software-agnostisch sein.

Der zweite Ansatz bringt im Bereich Programmatic jeweils verifizierte SSPs und DSPs (Demand- und Selling-Plattformen) zusammen. Die Anbieter verdienen an der Bereitstellung von diversen Leistungen wie das Real-Time-Bidding-Verfahren. Firmen wie AdEx, SmartyAds, Adbank und Adshares gehören zu den bekannteren Playern in diesem Bereich.

Wann setzt sich die Blockchain als Standard durch?

Seit Jahren tragen diverse Initiativen Informationen zusammen, um Lösungen in der komplexen Thematik voranzutreiben. Für den Bereich Advertising sammelt und transferiert beispielsweise die IAB Tech Lab Blockchain Working Group Wissen rund um Blockchain und ihre Vor- und Nachteile. Wir beobachten ganz klar, dass die Technologie von Jahr zu Jahr reift und die Ernsthaftigkeit, mit der sich die Akteure damit auseinandersetzen, wächst.

Um durchgreifende Erfolge zu erzielen, sind nun zwei Dinge elementar:

Eine rechtliche Regulierung von Smart Contracts. Hier gibt es bereits vielversprechende Vorstöße. Aber solange eine klare Gesetzgebung fehlt, die smarte Verträge lückenlos reguliert, werden viele Firmen sich davor scheuen, signifikante Investitionen zu tätigen.

Expertenwissen ausbauen. Ich rechne damit, dass viele Unternehmen im Zuge der digitalen Transformation in den kommenden fünf Jahren Projekt- und Arbeitsgruppen gründen, die sich mit der Blockchain als neue „digital native“-Technologie intensiv auseinandersetzen. Ich selbst berate bereits zahlreiche Kunden auf diesem Weg in dieses Zukunftsfeld.

Fazit: Be prepared!

Von einer Marktdurchdringung sind wir noch weit entfernt. Doch die Blockchain wird früher oder später kommen und alle Marktteilnehmer, ob Advertiser, Publisher, Daten-Provider, Zahlungsdienstleister oder Mediaagenturen, mit einem tiefgreifenden Strukturwandel konfrontieren. Die Kerntätigkeiten in der Mediaindustrie werden sich grundsätzlich verschieben, wobei standardisierbare Aufgaben automatisiert und damit wegrationalisiert werden und die Beratung immer wichtiger wird. Wer sich frühzeitig mit diesem Wandel auseinandersetzt, kann profitieren.

Kambiz Djafari, bei 1E9 als @kambizdjafari, ist Head of Digital Commerce bei der UM und Co-Founder von Edgecoin, einem Blockchain-Startup, das sich auf Lösungen für den Bildungssektor spezialisiert. Er beschäftigt sich seit Jahren mit innovativen Technologien, die die Welt verändern können.

Teaser-Bild: Kambiz Djafari (Mitte), Nathan Williams (links), Wolfgang Kerler (rechts). DMEXCO

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cooles thema! ich finde nur, dass inhaltlich wenig spannendes steht. vielleicht gibt´s ja irgendwann einen weiteren artikel, wo man tiefer eintaucht? denn das realtime-biding-verfahren ist jetzt nicht wirklich was revolutionäres :stuck_out_tongue_winking_eye:aber vielen dank für den artikel und die erkärungen!

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@knaussi danke für dein Feedback. Ganz bestimmt wird es weitere Artikel dazu geben :slight_smile: Grundsätzlich bin ich bei dir, dass es nichts revolutionäres ist, die Vorteile der Blockchain auf RTB zu übertragen. Das Revolutionäre an der ganzen Sache - für mich zumindest - ist die Tatsache, dass Blockchain den Mittelmann aus vielen Vertragsverhältnissen eliminieren kann.
Wie die Technologie en Détail dann aussehen wird, wird künftig nicht mehr das Relevante sein, sondern dass es funktioniert. So ungefähr, wie wir Smartphones oder Internet wahrnehmen, sie funktionieren und erleichtern uns das Leben.

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Gerne! Ich finde du hast die Sachen auch echt gut erklärt :slight_smile:

Als Blockchain-Enthusiast bin ich bei dir. Als Werber eher nicht so. Ich glaub nicht so recht daran, dass die Blockchain den Mittelsmann eliminieren kann. Weniger bescheißen und besser optimieren → ja. Aber wir werden sehen, ich bin gespannt auf die Entwicklung :metal:

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Finde in diesem Kontext auch spannend, wie Distributed Ledgers die ganzen neuen Mittelsmänner ausschalten könnten, die via Adtech gekommen sind und als x-tes Glied in der Kette mit unseren persönlichen Daten Geld verdienen. Immerhin sah der Online-Werbemarktplatz ja schon 2010 so aus:

Der Medienanalyst Thomas Baekdal schreibt aus der Publisher-Perspektive dazu:

And no matter how you look at it, the revenue that we miss out on as publishers is substantial. I mean, Apple takes a 30% cut from apps in their app store, but here we are talking about 40%-70% for ad tech.

This is clearly not the way this should work. The middlemen, even if they provide a service, should not end up with that big a slice of revenue.

Und aus einer Nutzerperspektive:

Wenn die Leute nun mit Hilfe von DLTs anonym wären in einem trustless system und selbst entscheiden könnten, was mit ihren Daten passiert, ob sie handelbar sind und wo, für wen etc., könnte man damit die Welt wieder ein Stück privater machen und die Werbung m.E. besser, weil sie sich wieder andienen muss und die Leute nicht mehr einfach überfallen kann.

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