Verschwörungstheorien behaupten, die ISS befände sich unter Wasser – und das ist totaler Blödsinn

Derzeit macht eine kuriose Verschwörungstheorie im Internet die Runde. Nutzer auf TikTok und anderen Plattformen behaupten, die Internationale Raumstation ISS befinde sich nicht im Erdorbit. In Wahrheit sei die Raumstation in einem riesigen Wasserbecken in einer Geheimanlage der NASA.

Von Michael Förtsch

Erst am Montag ist mit Axiom-2 die zweite komplett private Mission zur Internationalen Raumstation gestartet. Die ehemalige NASA-Astronautin Peggy Whitson, der Rennfahrer John Shoffner sowie die saudi-arabische Astronautin Rayyanah Barnawi und ihr Kollege Ali Alqarni hoben in einer Dragon-2-Kapsel an der Spitze einer SpaceX-Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida ab. 50 Millionen Euro soll die Reise pro Sitzplatz kosten. Für diesen Betrag können die vier privaten Raumfahrer über zehn Tage hinweg die Schwerelosigkeit an Bord der ISS erfahren, einen spektakulären Ausblick genießen und wissenschaftliche Experimente durchführen. Allerdings bezweifeln das manche. Denn insbesondere auf dem Video-Social-Network TikTok macht gerade eine ISS-Verschwörungstheorie die Runde.

Unter Videos auf YouTube, unter Twitter-Posts und Facebook-Einträgen zur Internationalen Raumstation finden sich derzeit immer wieder merkwürdige Kommentare. Nutzer schreiben bei Szenen von Weltraumspaziergängen von „hübschen Tauchgängen“. Unter Szenen, die innerhalb der Raumstation aufgenommen wurden, wird gewarnt, dass sich die Astronauten „nicht verheddern“ sollten. Oder es werden, beispielsweise bei Livestreams der Außenkameras, die „beeindruckenden Computereffekte“ gelobt. Ursprung dieser Kommentare ist der Glaube, dass die Internationale Raumstation nicht echt sei – oder sich, wie derzeit in TikTok-Videos behauptet wird, zumindest nicht im Erdorbit befindet.

Stattdessen verbreiten Verschwörungstheoretiker die Mutmaßung, dass die ISS lediglich ein Set wie aus einem Spielfilm darstelle. Dieses befinde sich in einem Wasserbecken in einer geheimen Anlage der Weltraumbehörde NASA, das mit Blue- und Greenscreens bestückt ist. Astronauten würden daher außerhalb der Raumstation lediglich im Wasser schwimmen. Innerhalb der Raumstation würden sie an Drähten hängen, die von Special-Effects-Künstlern aus dem veröffentlichten Videomaterial heraus retuschiert würden. Sterne und das Erdpanorama würden hingegen hineinmontiert.

Werde Mitglied von 1E9!

Hier geht’s um Technologien und Ideen, mit denen wir die Welt besser machen können. Du unterstützt konstruktiven Journalismus statt Streit und Probleme! Als 1E9-Mitglied bekommst du frühen Zugriff auf unsere Inhalte, exklusive Newsletter, Workshops und Events. Vor allem aber wirst du Teil einer Community von Zukunftsoptimisten, die viel voneinander lernen.

Jetzt Mitglied werden!

Als Beweise führen die Verschwörungstheoretiker verschiedene Videoschnipsel an, auf denen angeblich Luftblasen, Drähte und Halterungen zu sehen sein sollen. Oftmals stellen diese jedoch Kompressionsartefakte des Videomaterials dar, oder Equipment der Astronauten, das etwa dafür sorgt, dass ihnen ihre T-Shirts in der Schwerelosigkeit nicht über die Köpfe schweben. „Zu keinem Zeitpunkt haben Requisiten, Greenscreen, Drähte oder simulierte Unterwassereinrichtungen den tatsächlichen Betrieb der Raumstation in Echtzeit ersetzt“, sagte die NASA-Sprecherin Sandra Jones gegenüber der Associated Press.

Tatsächlich lässt sich die Existenz der Internationalen Raumstation im Orbit sehr leicht belegen. Über das Online-Tool Spot The Station kann die Position der Raumstation in Echtzeit verfolgt werden. Astrophotographen wie Andrew McCarthy nutzen diesen Dienst und ähnliche Werkzeuge sowie ganz gewöhnliche Teleskope, um die Raumstation im Orbit auszumachen und mit Kameras abzulichten.

Außerdem gelingt es Funkamateuren immer wieder eine Verbindung zur Raumstation aufzubauen und mit den Astronauten im Orbit zu sprechen. Aber eben nur, wenn Entfernung und Frequenz stimmen. Denn durch die Bewegung der Raumstation um die Erde kommt es zu Frequenzverschiebungen, die wiederum genutzt werden können, um die Geschwindigkeit und den Abstand der Raumstation relativ zur Funkquelle zu berechnen. „Es gibt eine sogenannte Doppler-Verschiebung, die die Frequenz eines Funksignals von einem sich bewegenden Objekt verändert", erklärte der Astrophysiker Jonathan McDowell gegenüber der Nachrichtenagentur AP.

Dennoch entbehrt die Verschwörungstheorie nicht völlig einer Grundlage. Denn die NASA unterhält mit dem Neutral Buoyancy Lab nahe dem Johnson Space Center in Houston, Texas tatsächlich ein riesiges Wasserbecken, das von Astronauten genutzt wird. In diesem bereiten sie sich auf Einsätze in der Schwerelosigkeit vor, trainieren an speziellen Ausrüstungsgegenständen oder proben Reparaturen, die beispielsweise außerhalb der ISS vorgenommen werden sollen. Für letzteres befinden sich Attrappen von ISS-Modulen im Becken. Auch Nachbildungen der Dragon-Kapsel von SpaceX und des Automated Transfer Vehicle der ESA wurden schon darin versenkt.

Hat dir der Artikel gefallen? Dann freuen wir uns über deine Unterstützung! Werde Mitglied bei 1E9 oder folge uns bei Twitter, Facebook, Instagram oder LinkedIn und verbreite unsere Inhalte weiter. Danke!

Sprich mit Job, dem Bot!

Job, der Bot

War der Artikel hilfreich für dich? Hast du noch Fragen oder Anmerkungen? Ich freue mich, wenn du mir Feedback gibst!