Über 40 Projekte weltweit arbeiten an einem Impfstoff gegen das Coronavirus

Die Suche nach einem Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus nimmt an Fahrt auf. Weltweit schließen sich Biotech-Unternehmen und Pharmakonzernen, Universitäten und Stiftungen zusammen, um Erfolge zu erzielen. Sie setzen auf unterschiedliche Arten von Impfstoffen. Erste Tests an Menschen laufen an. Wir geben euch einen Überblick über die beteiligten Teams und ihren Zeitplan sowie unterschiedliche Impfstoff-Plattformen.

Von Wolfgang Kerler

Die Gensequenz des neuartigen Coronavirus ist seit Wochen bekannt. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines Impfstoffs ist damit erfüllt. Denn in der Sequenz steckt der Bauplan des Erregers – und damit auch für die Bestandteile des Virus, gegen die der menschliche Körper mit der Bildung von Antikörpern und Abwehrkräften vorgehen kann. Bei Coronaviren ist dieser entscheidende Teil ein Protein der Virushülle, das sie nutzen, um in Zellen einzudringen. Die Impfstoffentwickler konzentrieren sich also auf dieses Protein.

Die Liste der Weltgesundheitsorganisation WHO ist inzwischen auf 41 mögliche Impfstoffe gegen das Coronavirus angewachsen, an denen derzeit gearbeitet wird. Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen, kurz: vfa, spricht auf seiner Übersichtsseite ebenfalls von mindestens 40 Impfstoffprojekten. Auch in Deutschland werden verschiedene Ansätze verfolgt.

Impfstoffprojekte in Deutschland

CureVac: Am Wochenende landete das biopharmazeutische Unternehmen CureVac aus Tübingen weltweit in den Schlagzeilen. Einem Medienbericht zufolge hatte es Donald Trump höchstpersönlich auf die Firma abgesehen. Besser gesagt auf den Corona-Impfstoff, an dem sie arbeitet. Der US-Präsident soll ein lukratives Angebot unterbreitet haben, um sich das Präparat exklusiv für den amerikanischen Markt zu sichern. Oder das Unternehmen gleich zu kaufen.

Dazu wird es nicht kommen. CureVac bleibt in Deutschland und wird weiterhin das Ziel verfolgen „Menschen und Patienten weltweit zu erreichen, zu helfen und zu schützen“, wie die Firma schreibt. Außerdem habe es ein direktes Kaufangebot gar nicht gegeben. Der Haupteigentümer des Unternehmens, der Milliardär und SAP-Mitgründer Dietmar Hopp, erteilte den Trump-Plänen ohnehin schnell eine Absage. Auch die Bundesregierung schaltete sich ein. Und die EU-Kommission stellte CureVac einen Kredit in Höhe von bis zu 80 Millionen Euro in Aussicht, um die Entwicklung des Impfstoffs voranzutreiben. Unterstützt wird CureVac außerdem von CEPI, der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations. Zu der gehören öffentliche und private Einrichtungen und Unternehmen, darunter die WHO und die Bill & Melinda Gates Foundation.

CureVac arbeitet an einem mRNA-Impfstoff, also einem genbasierten Impfstoff, der in vorläufigen Tests vielversprechend war. Klinische Tests sollen im Juni starten. Was ein mRNA-Impfstoff ist, erfahrt ihr im Infokasten.

BioNTech: Als sehr aussichtsreich gilt auch die Forschung des Mainzer Unternehmens BioNTech, das bei der Entwicklung, der Erprobung – und dem späteren weltweiten Vertrieb – eines möglichen Corona-Impfstoffs mit dem amerikanischen Pharmakonzern Pfizer und der chinesischen Firma Fosun Pharma zusammenarbeitet. Auch BioNTech wird von CEPI gefördert – und auch BioNTech setzt auf einen mRNA-Impfstoff.

Schon im April soll die klinische Erprobung des Mittels an gesunden Menschen beginnen – mit Freiwilligen in Europa, den USA und China. In der ersten Phase rechnet das Unternehmen mit 100 bis 150 Probanden, die mit unterschiedlichen Dosen geimpft werden sollen. Anschließend, nach vier bis sechs Wochen, soll das Blutserum der Testpersonen untersucht werden, um zu überprüfen, ob sich ausreichend Antikörper gegen das Corona-Virus entwickelt haben. Sollten die klinischen Test erfolgreich ablaufen, könnte zu Beginn des kommenden Jahres ein Zulassungsantrag gestellt werden. Schon jetzt laufen die Vorbereitungen, um danach eine weltweite Verfügbarkeit des Stoffes sicherzustellen.

Die Genehmigung für die klinischen Tests steht zwar noch aus, das Unternehmen rechnet aber damit, dass diese zeitnah erteilt wird. Gegenüber der FAZ berichtet Ugur Sahin, der Gründer und Chef von BioNTech, von viel Unterstützung seitens der Behörden: „Normalerweise wartet man auf einen Behördentermin rund 90 Tage, dieses Mal ging es innerhalb weniger Tage.“

In einer Mitteilung auf der Webseite der Firma machte Sahin noch eine weitere Ankündigung: „Darüber hinaus arbeiten wir an einem neuartigen therapeutischen Ansatz für bereits infizierte Patienten. Mehr dazu planen wir in den kommenden Wochen zu veröffentlichen.“

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Deutsches Zentrum für Infektionsforschung: Die Wissenschaftler und Ärzte des DZIF begannen mit ihrer Forschung zum Coronavirus und der dadurch verursachten Erkrankung COVID-19, sobald deren Auftreten in China publik wurde. Ganz oben auf der Agenda stehe dabei die möglichst schnelle Entwicklung eines Impfstoffes, schreibt das DZIF, das bereits Erfahrung mit Epidemien hat. Auch bei Ebola-Ausbrüchen und beim MERS-Coronavirus, das mit dem aktuellen SARS-CoV-2 verwandt ist, trieb das DZIF die Arbeit an Impfstoffen voran. Auf dieses Wissen können die Forscher nun zurückgreifen.

Derzeit verfolgt das DZIF zwei unterschiedliche Ansätze: Unter der Leitung des Virologen Gerd Sutter, einem Professor an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, wird an einem Vektor-Impfstoff auf Basis des Impfvirus MVA gearbeitet. Wie das funktioniert, wird im Infokasten näher erklärt. Dieses Vorgehen erwies sich bereits beim MERS-Coronavirus als erfolgreich. Die genetische Konstruktion des Impfstoffs und die ersten Produktionsschritte sollen laut DZIF in einigen Wochen abgeschlossen sein. Dennoch werde der Stoff in diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen – wegen des langwierigen Prüfungs- und Zulassungsprozesses.

Parallel arbeitet ein weiteres DZIF-Team um den Wissenschaftler Michael Mühlebach an einem anderen Vektor-Impfstoff, der als Vektor den seit den 1960er Jahren bekannten Masernimpfstoff verwendet. In einem halben Jahr soll erforscht sein, ob sich dieser Ansatz eignet. Dann könnte die Entwicklung auch von anderen Forschungsgruppen vorangetrieben werden.

Internationale Impfstoffprojekte

Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt haben bereits angekündigt, an Corona-Impfstoffen zu arbeiten. Besonders weit fortgeschritten scheinen etwa in den USA die Arbeiten der Firmen Inovio, Moderna sowie Novavax, die teilweise mit öffentlichen Einrichtungen kooperieren.

Novavax will klinische Studien mit Testpersonen noch im Frühjahr beginnen – und setzt anders als die vorgestellten Projekte aus Deutschland auf einen Totimpfstoff mit Virusproteinen, also mit abgetöteten Teilen des Coronavirus. Inovio nennt als Start für seine Test an Menschen den April – und Moderna begann bereits gestern damit. Erstmals bekam eine Freiwillige in Seattle den möglichen Impfstoff gespritzt bekommen. In den nächsten Wochen sollen insgesamt 45 gesunde freiwillige Testpersonen im Alter von 18 bis 55 an der Studie teilnehmen.

Titelbild: Andriy Onufriyenko / Getty Images

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