Start-ups brauchen Millionensummen – und bekommen sie von Venture Capital Investoren. VCs könnten also einen Beitrag dazu leisten, die Start-up-Welt nachhaltiger, sozialer, gerechter zu machen. Sie könnten sagen: Geld gibt’s nur, wenn ihr etwas für Gesellschaft, Umwelt und eine gute Unternehmenskultur tut! Aber findet das in der Praxis schon statt? Für 1E9 haben sich die auf VCs spezialisierten Sozialwissenschaftler Johannes Lenhard und Elena Lutz in der Szene umgehört. Ihr Fazit: Die Richtung stimmt, aber wir sind noch ganz am Anfang.
Von Johannes Lenhard und Elena Lutz
Historisch gesehen ist die deutsche Start-up-Szene nicht gerade für ihre verantwortungsvolle Art bekannt. Ganz im Gegenteil: Rocket Internet, eine der Pionier-Institutionen im Ökosystem, bekleckerte sich seit 2007 vor allem dann mit Ruhm, wenn es um das schnelle Skalieren von Copy-Cats oder Klonen geht; wieder und wieder importierten die Rocket-Söldner der Samwer-Brüder Geschäftsmodelle aus den USA, um sie sowohl in Deutschland als auch anderen Regionen auszurollen und zu skalieren – soweit eben möglich. Das Resultat waren und sind E-Commerce-Firmen wie Pinspire (Pinterest-Kopie), Westwing, Groupon-Klon Citydeal oder der Neu-DaxKonzern Zalando – aber auch eine große Anzahl von Unternehmensleichen.
Es scheint, als hatte Rocket – und damit der über eine knappe Dekade dominierende deutschen Akteur im Start-up-Markt – mit Nachhaltigkeit und vor allem mit nachhaltigen Geschäftsmodellen und ‘guter Kultur’ (und Governance) eher wenig am Hut. Geschichten von Aggressionen im Konzern (vor allem von ganz oben) waren die Norm. Generell herrschte eine ‘Spray-and-Pray’ Mentalität vor, die zu vielen Konflikten und verbrannter Erde führte. Zudem machten teils überzogene Unternehmensbewertungen und eine ganze Armee an schlichtweg unprofitable Startup-Versuchen viele nervös – wurde bei Rocket einfach nur Geld verbrannt? Diese Frage wurde häufig gestellt.
Venture Capital Investoren: eine unterschätzte Macht
Natürlich hat sich auch in Deutschland seit dem Beginn von Rocket Internet einiges getan, auch wenn es darum geht, eine ‘andere’ Startup-Kultur aufzubauen. Ananda Impact Ventures in München ist schon seit 2010 darauf fokussiert, neue Unternehmen zu fördern, die versuchen, große gesellschaftliche Probleme zu lösen, zum Beispiel im medizinischen Bereich; in den letzten Jahren haben sich auch immer mehr GründerInnen und InvestorInnen der nachhaltigkeits-fokussierten Initiative Leaders for Climate Action (LfCA) angeschlossen. LfCA will nicht nur (forschungs-basierte) Nachhaltigkeitsziele für neue Unternehmen verbindlich machen, sondern auch konkret bei der Umsetzung unterstützen.
Dafür wendet sich LfCA auch ganz direkt an eine oft unterschätzte Macht im System: die Wagniskapitalgeber und Venture Capital (VC) Investoren. Wenn VCs schon im Investitionsvertrag verankern, dass Nachhaltigkeit im Unternehmensaufbau der von ihnen finanzierten Start-ups eine Rolle spielen muss – forciert zum Beispiel durch eine Nachhaltigkeitsklausel, siehe das Beispiel von LfCA – wird aus Gerede endlich etwas Konkretes.
Bis vor kurzem waren Initiativen wie LfCA und Investitions-Foki von Investoren, wie bei Ananda, jedoch die Ausnahme und nicht die Regel. Weder Impact-VC – also Wagniskapital, das auch auf positive Auswirkungen für die Gesellschaft setzt – noch Maßnahmen, die unter die Überschrift ESG (Environmental, Social, Governance) fallen, haben noch vor 18 Monaten eine industrie-übergreifende Rolle gespielt. Sie wurden in der Tat oft belächelt (oder gar weg-gelacht). Dieses Jahr hören wir – auch und vor allem dank unseres Engagements in der Industrie-Initiative VentureESG – allerdings (endlich) einen anderen Ton, und das auch aus deutschen Landen. Woher der Sinneswandel und warum jetzt?
Das Umdenken der Technologie-Industrie ist in vollem Gange.
Generell herrscht seit einigen Jahren eine Stimmung in der Technologie-Industrie, die sich losgelöst hat von einer utopischen Umarmung jeder neuen Technologie als automatisch ‘gut’; der sogenannte ‘Tech-Lash’ erfasst GesetzesmacherInnen und KonsumentInnen gleichermaßen. Zunehmend wird in Frage, gestellt welchen (negativen und positiven) Einfluss Technologien, wie soziale Medien oder generell Entscheidungs-Algorithmen, auf unser Leben haben. Facebook, Google, Amazon, Uber und Co. stehen in der Kritik für die Verbreitung von Falschinformationen und polarisierenden Inhalten, für prekäre Arbeitskonditionen der sogenannten Gig-Worker und Internet- und Spielsucht. In gleichem Maße werden Umweltthemen ernster genommen – auch angetrieben durch gesellschaftliche Phänomene wie die Fridays-for-Future Bewegung. Das Umdenken der Technologie-Industrie ist in vollem Gange.
Gleichzeitig ist die Wirtschaft weit über Technologie-Unternehmen hinaus von einem Strudel des Neu-Denkens erfasst: ‘Purpose’, ‘Impact’ und ‘Stakeholder-Kapitalismus’ sind spätestens seit 2018 und den einflussreichen Business Roundtable Verkündungen und Blackrock Shareholder Briefen in aller Munde. Ja, auch der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock sagt inzwischen, dass es Unternehmen nicht nur um ihren Aktienkurs gehen darf, sondern auch um ihren Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt. Für große Unternehmen und vor allem auch deren Investoren sind ESG-Ratings schnell zu einer Institutionalisierung dieses Drangs nach ‘mehr Nachhaltigkeit’ geworden (bisher mit sehr gemischten Resultaten), um konkrete Incentiverungen zu etablieren. Wie genau sich Engagement für Umweltschutz und Gesellschaft und gute Unternehmensführung in Kennzahlen messen lassen, bleibt allerdings umstritten.
Auf gesellschaftlicher Ebene trägt die breite Zustimmung zu Aktivisten-Strömungen wie # MeToo und Fridays for Future zu einer weiteren Beschleunigung dieses Umdenkens bei. In Europa führte neue Gesetzgebung – sowohl die EU Taxonomy als auch die SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) – zur weiteren Konkretisierung: Als Folge müssen Investoren schon ab nächstem Jahr quasi ESG-Indikatoren melden und eine SFDR/ESG Policy veröffentlichen.
Politik, institutionelle Investoren und die Öffentlichkeit machen Druck
Start-ups und deren VC-Investoren werden insgesamt von beiden Seiten in diese große Bewegung hineingezogen: von oben drücken Regulierung und zunehmend auch institutionelle Investoren – Limited Partners (LPs), wie Staatsfonds und Family Offices, die in der Öffentlichkeit und damit unter Druck stehen. Von unten stehen VCs unter Druck durch den sich ändernden Konsumenten-Geschmack, der sich auch auf die nächste Generation von GründerInnen und Start-up- und VC-MitarbeiterInnen auswirkt. Eine neue Umfrage von KfW Capital und der Boston Consulting Group zum Thema ESG zeigt beispielsweise, dass 66 Prozent der befragten VCs und Start-ups ESG als eindeutigen Wert-Treiber identifizieren. Zudem glauben 77 Prozent der befragten VCs und Start-ups, dass ESG in den nächsten fünf Jahren weiter an Wichtigkeit gewinnen wird. KfW Capital und BCG zeigen außerdem, dass ESG Unternehmen im Schnitt zu einer höheren Rendite verhilft – ein Argument, was ESG sowohl für VCs als auch Start-ups attraktiv macht. Es lohnt sich also auch finanziell, Menschen, Planeten und Nachhaltiges Wirtschaften mitzudenken.
Die Studie von KfW Capital zum Thema ESG in VC macht auch noch etwas anderes klar: ESG gewinnt stark an Bedeutung für wichtige LPs im deutschsprachigen Raum. Theresa Bardubitzki, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der KfW Capital, erklärte uns, dass die KfW Capital das Ziel hat, alle VC-Fonds in ihrem Portfolio auf einen guten Mindeststandard hinsichtlich ESG zu bringen. Die KfW will Fonds dabei unterstützen, Nachhaltigkeitsrichtlinien zu verfassen, und fordert, dass ESG-Massnahmen sowohl unternehmensintern als auch in der Investmentstrategie sichtbar sind. Dabei sei vor allem Transparenz wichtig, denn „ESG darf nicht als reine Marketingmassnahme verwendet werden“.
Von einem einheitlichen und koordinierten Ansatz und von Standardisierung sind wir noch weit entfernt.
Was tut sich nun aber genau im deutschsprachigen Raum? Wo sind wir und was denken – und vor allem tun – die Top-Investoren im DACH Raum heutes schon? Wir haben uns mit einer Handvoll derjenigen unterhalten, die die ESG-Welle vorantreiben. Das Fazit: Viel bewegt sich zwar schon, sowohl wenn es um ESG als auch um ‚Impact‘ geht – vor allem die LPs ziehen langsam die Schrauben an (und die haben in Europa viel Macht!) und die großen Fonds reagieren proaktiv. Es wird aber einige Zeit dauern, bis alle am gleichen Strang ziehen – und von einem einheitlichen und koordinierten Ansatz und von Standardisierung sind wir noch weit entfernt. Die Reise beginnt gerade erst.
Wie alles anfing: Deutschland entdeckt ESG
Am Anfang stand vielleicht – auch wenn das nun schwierig nachverfolgbar ist – die folgenreiche Frage eines Coaches in einem Partner-Meeting eines großen deutschen Fonds: „Denkt ihr denn auch mal an das, was nach euch kommt, vor allem heute, wo wir immer mehr über unsere gesellschaftliche Verantwortung nachdenken? Was wird denn eure Legacy sein?“ Diese Frage löste etwas aus im etablierten Partnerkreis – und der beginnende ESG-Diskurs flatterte da doch wie gerufen ins Haus. Kurz darauf entwickelten einige deutsche Fonds – mit HV Capital und btov in der Führungsrolle – zusammen mit dem Team von START Global aus St. Gallen ein erstes ESG-Regelwerk für ihre Portfolio-Firmen und den dazu gehörigen Zertifizierungsprozess. Der Name: ROSE Framework, wobei ROSE für „Return on Society and the Environment“ steht. Jeannine Kräuchi, aktuelle Managing Director von ROSE, beschreibt das Ziel wie folgt:
„ROSE ist eine Reaktion der jungen Generation auf das gesteigerte Bedürfnis nach der Integration von Nachhaltigkeit in das europäische Start-up-Ökosystem. […] Wir wollten ein Instrument schaffen, welches auf Ressourcenknappheit, undefinierte Prozesse und disruptive Geschäftsmodelle zugeschnitten ist, um die Nachhaltigkeit interner Praktiken und die Auswirkungen neuer Technologien [speziell für Startups] zu erfassen.“
Seit dem Beginn von ROSE vor zwei Jahren hat sich einiges entwickelt; für drei Fonds prüfen Jeannine und ihr Team mittlerweile schon über 50 Firmen. Aber nicht alle VCs bauen auf „professionelle Hilfe“, manche durchleuchten die Start-ups auch selbst und achten auf die Einhaltung bestimmter KPIs, also bestimmter Leistungskennzahlen. Im Investment-Prozess von Cusp Capital, dem neuen Frühphasen-Fonds des ehemaligen Tengelmann Venture Teams, spielt ESG schon heute eine Rolle. Maximilian Rowoldt, Investor bei Cusp Capital, erklärt:
„Für uns ist ESG Teil des Due-Diligence- und Investitionsprozesses. Wir haben für uns eigene ESG-Objectives formuliert, die für unsere eigene Arbeit als Leitplanken dienen und gleichzeitig unsere Erwartungen an Unternehmen aus verschiedenen Blickwinkeln definieren. Im Rahmen eines Workshops mit Gründern besprechen wir diese und prüfen, ob die Grundeinstellungen übereinstimmen. Je nach Investitionsphase besprechen mit den Gründungsteams ebenfalls, ob vom Sustainability Accounting Standards Board vorgeschlagene KPIs für das Team steuerungsrelevant sein können. Nach der Investition, begleiten wir Unternehmen dabei, ESG-Faktoren in die Unternehmenssteuerung zu integrieren.“
Genau auf diesen „Portfolio-Support“ fokussiert sich Anna Ott bei HV Capital, dem größten (und einem der ältesten) deutschen VCs mit über 70 Portfolio-Firmen, in die bereits investiert wurde.
„Wir führen Einzelgespräche mit allen Portfoliofirmen, um herauszufinden, wo sie mit ESG stehen – sie haben da mit mir einen klaren Ansprechpartner. […] Wir unterstützen selbst viel und arbeiten mit dem Team von ROSE, […] aber nächstes Jahr werden wir mehr Wissen als ESG Toolkit verfügbar machen, für die Selbsthilfe.“
Lisa Sorg, Head of Platform bei Visionaries Club, beschreibt ähnlich, wie sie den Portfolio-Firmen mit ESG zu helfen versucht:
„Wir haben eine Notion-Page mit Ressourcen und Information zusammengestellt; hier finden unsere Portfolio-Unternehmen konkrete Beispiele, die wir zum Beispiel als Visionaries Club erfüllen, zum Beispiel Member von LFCA oder Founders Pledge werden oder drei Ziele von UN’s Sustainable Development Goals definieren oder Carbon Offsetting-Tools, wie zum Beispiel Pledge nutzen, sowie weiterführende Ressourcen und Plattformen, die sich leicht in die Tat umsetzen lassen. Wir besprechen nach dem Investment die ESG-Ziele und deren Umsetzung mit den Unternehmen und haben einen regelmäßigen Check-in, um zu sehen, wie wir ihnen helfen können auf die Ziele hinzuarbeiten.“
Was ist ESG eigentlich? Noch fehlen die Standards.
Allerdings sind wir im Großen und Ganzen noch am Anfang des ganzen Prozesses. Einige Fragen sind dabei besonders komplex und tauchen immer wieder in unseren Gesprächen auf. Vermehrt wiesen unsere GesprächspartnerInnen darauf hin, dass der konkrete Druck von vielen LPs noch fehlt, also von den Investoren, die ihr Geld in Wagniskapitalfonds geben, damit VCs es für sie in Start-ups anlegen. Jeannine Kräuchi von ROSE erklärt: „Ein sehr wichtiger Akteur sind sicherlich die LPs, die auf die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in ihren Investments vermehrt Wert legen müssen, um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.“
Natürlich gibt es Ausnahmen, die gewaltige Marktmacht haben und damit beginnen, diese auch zu nutzen. Die KfW Capital, die gerade den oben besprochenen ESG Report-zusammen mit BCG veröffentlicht hat und eine Tochter der nationalen Förderbank KfW ist, ist sehr engagiert. Theresa Bardubitzki leitet dort das Nachhaltigkeitsmanagement und ist in alle Prozesse von den Investment-Entscheidungen bis zum Portfolio-Support der VC-Fonds involviert. Für sie ist das größere Problem das Fehlen von Standards:
„Es ist wichtig, dass man Standards im Ökosystem findet, mit denen sich alle identifizieren können und die als Best Practice gelten. Wenn wir von ESG reden, sollten wir alle ungefähr an das Gleiche denken. Das Alignment im Markt fehlt noch und wir sollten vermeiden, dass jeder seinen eigenen Trampelpfad einläuft. Wir sollten auch darauf achten, möglichst viele Marktteilnehmer zu beteiligen.“
Hier kommt die Regulierung ins Spiel. In Europa und damit auch im deutschsprachigen Raum spielt die Sustainable Finance Disclosure Requirement (SFDR) Regulierung seit diesem Jahr eine Rolle. Fonds verpflichten sich demnach – je nach Sustainability-Anspruch – spezifische Anforderungen zu erfüllen, zum Beispiel die Veröffentlichung einer SFDR/ESG Policy und das Reporting spezifischer SFDR-Indikatoren. Noch ist allerdings nicht klar wie genau VCs – vor allem diejenigen, die komplett kommerziell ausgerichtet sind – davon betroffen sein werden. Eine Gefahr könnte auch darin bestehen, dass diese komplexen Anforderungen Fonds davon abhalten, sich zu ESG/SFDR/Impact zu bekennen.
Wirkliche Verantwortung fehlt im Markt.
Bisher jedenfalls ist ESG vor allem selbstregulierend und selbstbestimmt; wirkliche Verantwortung fehlt im Markt vor allem für die VC-Fonds selbst. ESG ist nicht nur nicht standardisiert, sondern auch mehr oder weniger komplett eine freiwillige Angelegenheit. Fonds setzen selbst Massnahmen und Ziele fest – und noch nicht einmal Best Practices sind klar definiert. Offensichtlich sind einige Fonds besonders vorausdenkend, aber eine gewisse Zurückhaltung herrscht dennoch. Diese wird noch verschärft durch die aktuelle Marktumgebung, in der Geld zur Genüge zur Verfügung steht und die GründerInnen die Macht haben. Sie können sich ihre InvestorInnen aussuchen. VCs wollen die UnternehmerInnen daher zu nichts zwingen. Man muss ‘gründer-freundlich’ sein.
Vielleicht muss sich mittelfristig wirklich etwas an der Vergütung der InvestorInnen ändern, damit sich die ESG-Welle wirklich in konkrete Praxis in der ganzen Industrie umsetzt. Während die meisten InvestorInnen auf solche Incentivierungsmaßnahmen eher skeptisch schauen, experimentieren einige Fonds schon damit. Mustard Seed MAZE, ein VC in Portugal, zum Beispiel, hat die Vergütung des Investmentteams an Impact-Metriken gekoppelt. Maximilian Rowoldt von Cusp Capital, der neben seiner VC-Tätigkeit einen Lehrauftrag im Bereich Accounting hat, erklärte uns:
„VCs können bei der Umsetzung von ESG-Strategien auch von der Regulatorik gelisteter Unternehmen lernen. In der EU ist die Berichterstattung von nichtfinanziellen Leistungsindikatoren für diese Unternehmen schon seit 2014 verpflichtend. Es werden bei gelisteten Unternehmen also schon viele Kennzahlen und Informationen erfasst und an Investoren berichtet. Trotzdem haben immer noch recht wenige dieser Unternehmen ESG-Kennzahlen in die Management-Anreizsysteme integriert. Erst wenn der Zusammenhang von Unternehmenserfolg und ESG gemeinsam betrachtet und Gründer und Investoren danach handeln, kann ESG seine volle Wirkung entfalten.“
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Jetzt Mitglied werden!Die größten Zweifel bestehen auch aufgrund der fehlenden Accounting- und Incentivierungssysteme, wenn es um Green- oder ESG-Washing geht. Die Herausforderung für die Industrie besteht letztlich vor allem darin, die Streu vom Weizen zu trennen: Wie können wir sicherstellen, dass diejenigen, die über ESG sprechen, es auch wirklich in die Tat umsetzen? Die verschiedenen Marktteilnehmer müssen auf diesem Weg alle an einem Strang ziehen: LPs müssen genau nachfragen und hinschauen (und auch unangenehme Investitions-Entscheidungen treffen); VCs selbst müssen die richtigen Werkzeuge entwickeln und – mit der Hilfe gut ausgebildeter neuer MitarbeiterInnen die ESG im Fokus haben – alles bis zum Level der Start-ups in ihrem Portfolio in die Tat umsetzen. Regulierung und Standardisierung – bis zu einem bestimmten Grad und mit Flexibilität je nach Stage, Geographie und Industrie – wird dabei ebenso eine Rolle spielen.
Die Reise hat gerade erst begonnen – der Anfang ist gemacht. Nun geht’s ans Eingemachte, und hinein in viele neue Meetings und Harmonisierungstreffen. Die Ungewissheit ist dabei für alle gleich, weshalb Gruppen wie VentureESG, die auch in Deutschland viele TeilnehmerInnen haben, so wichtig sind: zum Austausch, für die Zusammenarbeit – trotz eines sonst so kompetitiven Berufsethos. So macht die ESG-Welle vielleicht sogar die ganze Industrie ein wenig ‚besser‘.
In Zukunft wird der Druck sowohl durch die Gesellschaft, sowie durch europäische (und etwaige deutsche) Regulierung, wenn es um ESG geht nur noch zunehmen. ESG steht im Endeffekt für ein Bündel von Prozessen und Praktiken ganzheitlich nachhaltige Unternehmen aufzubauen und das ist genau das, was wir in der nächsten Generation von Start-ups brauchen. Mehr grüne Zebras, weniger schnell-skalierte Einhörner. Hannah Leach, Co-Gründerin von VentureESG und Partnerin bei Houghton Street Ventures in London, beschreibt das Ziel fast poetisch: „Unser Ziel ist es, dass VentureESG in 5 Jahren unnötig ist – es geht dann nur noch um ‚gutes‘ und ‚schlechtes‘ Wirtschaften und alle setzen ESG um.“ Im deutschen Raum sind wir da schon auf einem guten Weg, auch aufgrund vorausdenkender und sich selbst regulierender Fonds. Jetzt muss sich die Welle nur noch vereinheitlichen, ausbreiten und dann rücksichtslos transparent standardisieren.
Dr. Johannes Lenhard forscht und lehrt an der University of Cambridge (Max Planck Cambridge Centre for Ethics, Eonomy and Social Change) zu Themen von Venture Capital, ESG, Diversität sowie Obdachlosigkeit. Seine Bücher Making Better Lives (Obdachlosigkeit in Paris) und Better Venture (DEI in VC) erscheinen 2022.
Elena Lutz ist Reserach Fellow bei VentureESG. Sie interessiert sich für das Thema Nachhaltigkeit im Finanzsektor, sowie in der der Stadtentwicklung. Aktuell promoviert Elena zum Thema nachhaltige Stadtentwicklung an der London School of Economics und an der ETH Zürich.
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Titelbild: Getty Images