Das in den USA und Neuseeland beheimatete Raketen-Start-up Rocket Lab bringt seit mehreren Jahren erfolgreich Kleinsatelliten ins All. Nun will das Unternehmen offenbar SpaceX Konkurrenz machen. Denn jetzt hat es eine Rakete angekündigt, die auch Menschen ins All bringen kann.
Von Michael Förtsch
Vor vier Jahren schoss Rocket Lab das erste Mal seine Electron-Rakete in die Höhe. Der Start scheiterte, weil ein Software-Fehler auftrat. Doch seitdem führte das vom neuseeländischen Unternehmer Peter Beck gegründete Raumfahrt-Start-up 16 erfolgreiche Starts mit der 17-Meter-Rakete durch, die in ihrer aktuellen Ausführung rund 300 Kilo in den Orbit tragen kann. Unter anderem brachte Rocket Lab schon Satelliten und Experimente für Unternehmen wie Planet Labs und Swarm Technologies, die NASA, das US-Militär und verschiedene Universitäten in die Erdumlaufbah. Auch eine große Discokugel und ein Gartenzwerg gehörten zur Fracht. Damit ist Rocket Lab derzeit einer der erfolgreicheren Launch Service Provider, wie solche Raketenunternehmen auch genannt werden.
Eigentlich wollte Rocket Lab bei solch kleineren Raketen bleiben, das hatte Peter Beck über die letzten Jahre mehrfach betont. Ansonsten würde er seinen Hut essen. Wie er nun in einem Video zur Ankündigung des Börsengangs von Rocket Lab sagt, hat er sein Wort in dieser Hinsicht gebrochen. „Es gibt bei Rocket Lab einige Dinge, von denen wir sagten, dass wir sie nie tun werden, aber trotzdem getan haben“, meint der Gründer – und zerkleinert dann mit einem Mixer eine Rocket-Lab-Kappe, um dann einige Fetzen davon zu essen. „Wir bauen jetzt eine größere Rakete.“ Diese Rakete soll Neutron heißen und deutlich größer ausfallen als die Electron, aber trotzdem noch kleiner als die Falcon 9 von SpaceX.
Die Neutron soll rund 40 Meter in der Höhe messen und mit ihren zwei Stufen rund acht Tonnen in den Erdorbit hieven können – damit wäre sie in einer Kategorien mit der chinesische Langer Marsch 8 oder der 2003 eingestellte EU-Rakete Ariane 4. Transportieren soll sie vor allem große Mengen an Satelliten, wie sie für Mega-Konstallationen wie die Starlink-Konkurrenten Projekt Kuiper und OneWeb gebraucht werden. Mit ihr sollen sich außerdem bis zu zwei Tonnen Fracht zum Mond und 1,5 Tonnen Fracht zum Mars und zur Venus transportieren lassen. Und, ausgestattet mit einer entsprechenden Kapsel, könnten mit der Neutron auch Astronauten zur Internationalen Raumstation oder auf ihren Weg zu anderen Planeten geschickt werden, wie Rocket Lab in einer Presseerklärung ausführt.
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Um die Starts der Rakete möglichst günstig zu halten, soll die erste Stufe der Rakete vollends wiederverwendbar sein. Sie soll gleich SpaceX’ Raketen selbsttätig auf die Erde zurückkehren und beispielsweise auf einer Plattform im Meer landen. Die Entwicklung der Neutron soll schon vergleichsweise weit sein. Ihr erster Flug soll 2024 stattfinden – und sie dadurch schon bald eine Alternative zur Falcon 9 von SpaceX bieten. Zwar ist die Falcon 9 mit bis zu 23 Tonnen Nutzlast deutlich tragfähiger. Allerdings wird diese Kapazität nur selten von Einzelkunden ausgeschöpft. Daher organisieren Unternehmen wie Spaceflight Industries quasi Ride-Sharing-Optionen, bei denen sich teils Dutzende Unternehmen einen Falcon-9-Flug teilen, wodurch teils viele Monate vorausgeplant werden muss.
Eine kleinere Rakete wie die Neutron ließe sich deutlich schneller und effizienter auslasten und dadurch in enger getakteter Frequenz starten. Geschehen soll das nicht, wie bisher bei den Electron-Raketen, vom Rocket Lab Launch Complex 1 in Neuseeland, sondern vom sogenannten Mid-Atlantic Regional Spaceport – kurz MARS – auf dem NASA-Weltraumbahnhof Wallops Flight Facility. Dort hat das Unternehmen schon damit begonnen, einen bestehenden Startplatz anzupassen. Von dem soll noch in diesem Jahr erstmals eine Electron-Rakete abheben. Zusätzlich soll für die Neutron eine neue Fabrik aufgebaut werden, für die derzeit nach einem passenden Standort in den USA gesucht wird.