Ein Gastbeitrag von Thomas Lange
„Deutsche Ingenieure bauen Weltmarktführer von morgen“. So überschrieb die WirtschaftsWoche kürzlich ein Stück über die neue Gründergeneration: Nicht Mark Zuckerberg, sondern Werner von Siemens, Carl Zeiss und Gottlieb Daimler seien ihre Vorbilder: Sie wollen ihre Erfolge nicht darauf aufbauen, Ideen aus dem Silicon Valley zu kopieren, sondern auf langjähriger wissenschaftlicher Forschung und Ingenieurkunst. So wie das Münchner Startup Franka Emika, das mit seinen Leichtbaurobotern die industrielle Fertigung revolutionieren will.
Aber steht uns wirklich eine neue Gründerzeit bevor? SAP-Gründer Dietmar Hopp wäre vermutlich skeptisch: „Ich kenne eine Menge von Leuten, die mit richtig guten Ideen frühzeitig nach Amerika gegangen sind, weil sie hier keine Chance sahen, an Geld zu kommen. Das Problem ist, dass in Deutschland nur sehr wenige Menschen bereit sind, Risikokapital zur Verfügung zu stellen.“
Ein erfolgreicher junger Tech-Unternehmer schilderte uns im Zuge eines Projekts von acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, seine Geschichte so: Er brauchte für sein Wachstum zehn Millionen Dollar, die er zunächst nirgends bekommen konnte. Ein Angebot über sechs Millionen aus Frankreich schlug er aus: „Wenn Sie zehn Millionen brauchen und sechs Millionen geboten bekommen, dann verhungern Sie auf dem Weg.“
Hightech-Startups brauchen in späten Wachstumsphasen teils sogar 50 Millionen Euro und mehr. In Europa haben sie allerdings kaum eine Chance, in dieser Größenordnung Kapital aufzunehmen. In den USA und in China erhält ein Startup in der späten Wachstumsphase, in der der Verkauf des Unternehmens oder der Börsengang vorbereitet wird, im Schnitt fast viermal so hohe Investitionen wie ein Unternehmen in Europa.
Wir brauchen mehr Geduld!
Im politischen Berlin brütet man derzeit über Ideen, wie sich weitere Impulse zur Mobilisierung von privatem Kapital für Wagniskapitalinvestitionen setzen ließen – vor allem um Großanleger wie Versicherungen und Pensionskassen für die Anlageklasse zu gewinnen. Als Wagniskapital bezeichnet man Eigenkapital, das in junge innovative Unternehmen investiert wird. Einem hohen Verlustrisiko stehen dabei hohe Renditeerwartungen gegenüber. Die politischen Impulse sind wichtig, denn ohne eine stärkere Wagniskapitalszene in Deutschland werden wir keine neue Gründerzeit erleben.
In einem acatech Projekt gemeinsam mit der KfW und der Deutschen Börse haben wir noch zwei weitere Schlüsselthemen zur Stärkung des Ökosystems für Wachstumsfinanzierung identifiziert.
Erstens: Wir müssen über das klassische Wagniskapitalmodell hinausdenken. Denn diesem Modell fehlt eine entscheidende – strukturelle – Komponente: Geduld. Start-ups, die an Leichtbaurobotern, 3D-Druckern oder Quantencomputern arbeiten, brauchen mehr Zeit, um ein kommerzielles Produkt auf den Markt zu bringen, als Gründer, die einen Online-Shop starten. Die Anreizsysteme im klassischen Wagniskapitalmodell sind auf solche Zeiträume nicht ausgelegt. Investoren drängen in der Regel auf einen schnelleren Exit. Nach ein paar Jahren wollen sie ihre Anteile an den jungen Unternehmen gewinnbringend verkaufen. Bislang geht das üblicherweise nur, indem das Unternehmen an einen strategischen Käufer verkauft wird oder an die Börse geht.
Wir schlagen daher einen neuen Marktplatz vor, auf dem verschiedene Investoren zusammenfinden können, um sich gemeinsam an Wachstumsunternehmen zu beteiligen – ohne Umweg über einen Fonds. Die Funktion des Marktplatzes könnte eine Co-Investment-Plattform übernehmen. Dieses Modell erlaubt nicht nur größere Finanzierungsrunden als sie bislang in Deutschland üblich sind. Es versorgt junge Wachstumsunternehmen gleichzeitig mit geduldigem Kapital: Wenn einzelne Investoren ihre Beteiligungen auf einem Zweitmarkt handeln können, entspannt sich der Druck, das Unternehmen als Ganzes möglichst schnell zu verkaufen oder an die Börse zu bringen.
Konzerne und Startups können voneinander profitieren
Zweitens: Wir müssen die Zusammenarbeit von B2B-Startups mit etablierten Unternehmen stärken. Von dieser Zusammenarbeit profitieren nicht nur die Startups. Die Stars der Old Economy müssen den Sprung in die digitale Welt schaffen und sind dabei auf innovative Lösungen der nächsten Generation angewiesen. Die Startups profitieren in mehrfacher Hinsicht: Sie erzielen Lerneffekte, wenn sie ihre Lösungen unmittelbar im Industrieumfeld einsetzen und weiterentwickeln können. Zudem wirken sich namhafte Kunden und Partner positiv auf die Unternehmensbewertung aus – und damit auch auf das Potential, weiteres Kapital aufzunehmen.
Vor allem aber bescheren die Aufträge und Projekte den Wachstumsunternehmen unmittelbare Einnahmen. Mit diesem Geld vergrößern sie den Spielraum, aus eigener Kraft in ihr Wachstum zu investieren. SAP konnte sich beispielsweise von Beginn an selbst finanzieren, indem es Dienstleistungen bei Kunden erbrachte. Die erste Fremdfinanzierung erhielt das Software-Unternehmen erst mit dem Börsengang – 16 Jahre nach der Gründung.
Wir schlagen daher vor, eine Jump-up-Initiative zu starten, die vielversprechende Wachstumsunternehmen gezielt mit handverlesenen Technikvorständen etablierter Unternehmen, erfahrenen Entrepreneuren aus der Tech-Szene und Spitzen-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern zusammenbringt, um an gemeinsamen Lösungen rund um Zukunftstechnologien zu arbeiten.
Helfen wir dabei, die Weltmarktführer von morgen zu bauen.
@Thomas Lange gehört nicht nur zu unserer Community und zu den Speakern bei 1E9 THE_CONFERENCE am 11. Juli 2019 in München. Er leitet auch den Themenschwerpunkt Volkswirtschaft, Bildung und Arbeit bei acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. acatech bringt herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit hochrangigen Persönlichkeiten aus der Wirtschaft zusammen, um Politik und Gesellschaft in technikwissenschaftlichen und innovationspolitischen Zukunftsfragen zu beraten.Teaser-Bild: Getty Images