Service per App: Sind bald alle Dienstleistungen digitalisiert?

Einkaufen können wir per Smartphone alles. Bei Dienstleistungen könnte es auch bald so weit sein. Vom Fahrdienst bis zum Wertpapierhandel, alles wandert in Apps. Wenn es Start-ups mithilfe neuartiger und per App organisierter Geschäftsmodelle gelingt, Dienste komfortabler und günstiger anzubieten, können sie ganze Branchen ins Wanken bringen. Stehen herkömmliche Dienstleister deshalb vor dem Aus?

Von Tim Nagy

Schon seit fast 10 Jahren vermittelt Uber Fahrdienste unkompliziert per App. Mit wenigen Klicks ist anstelle eines Taxis ein privater Fahrer samt eigenem Auto bestellt, der uns an den gewünschten Zielort bringt. Bezahlt wird bargeldlos und spielend leicht über die App. Nur noch eine E-Mail erinnert daran, dass hier tatsächlich ein Kaufvertrag abgeschlossen wurde. Das Geschäftsmodell mit den vergleichsweise günstigen Preisen sorgte zwar vielerorts für einen Aufschrei der gewerblichen Taxifahrer und führte auch zum Verbot in Deutschland, doch Uber war dennoch nur der Anfang eines Prozesses, der inzwischen sogar Uberisierung genannt wird.

Denn unser Konsumverhalten und die Art, wie wir miteinander in Kontakt treten, haben sich unter der Einflussnahme der Digitalisierung bereits spürbar verändert. Während Produkte zunehmend online gekauft werden, tauchen auch immer mehr Dienstleistungen mit eigener App auf. Da stellt sich die Frage: Werden Dienstleistungen in naher Zukunft nur noch per App angeboten? Bevor wir all das klären, werfen wir einen Blick auf die Anfänge dieser Bewegung.

Das Disruptive an Uber ist nicht der Fahrdienst selbst

Trotz weltweiter Proteste, Regulierungen und Verbote hat Uber es in vielen Städten geschafft, das Angebot von Fahrdiensten auf den Kopf zu stellen. Der disruptive Charakter des Geschäftsmodells steht daher immer wieder zur Diskussion.

Der Begriff „Disruptive Innovationen“ wurde von Clayton Christensen in der Mitte der 1990er Jahre geprägt und bezieht sich auf den Prozess, bei dem meist junge Unternehmen mit einer Innovation – nach einem kurzen Nischendasein – auf einmal so rasant wachsen, dass sie etablierte Unternehmen vom Markt drängen.

Da mithilfe eines innovativen Produkts oder einer neuartigen Dienstleistung zunächst nur ein kleiner Markt erschlossen oder eine Nische bedient wird, nehmen Großunternehmen mit gefestigter Markposition diese oft nicht als ernstzunehmende Konkurrenz wahr. Wächst dann aufgrund der niedrigeren Preise oder der unkomplizierten Handhabung das Kaufinteresse der Kunden, kann das Wachstum oft nicht mehr aufgehalten werden. Als Folge dessen werden die Produkte der etablierten Unternehmen durch ihre innovativen Mitbewerber ersetzt oder verdrängt.

Uber zählt mit einem Jahresumsatz von etwa 14,15 Milliarden US-Dollar zweifelsohne zu den großen Erfolgen der im Silicon Valley ansässigen Technologieunternehmen. Doch Uber ist kein herkömmliches Taxi-Unternehmen mit eigener Fahrzeugflotte, sondern lediglich ein Online-Vermittlungsdienstleister im Bereich der Personenbeförderung. Die Fahrer sind keine Angestellten, sondern werden von der Uber-App mit den Kunden zusammengebracht – und verdienen pro Fahrt. Der Einfluss auf die Taxibranche ist daher bemerkenswert und wurde von den herkömmlichen Taxi-Unternehmen nicht rechtzeitig erkannt.

Die eigentliche Dienstleistung von Uber stellt allerdings keine Disruption dar, sondern ist nur eine Verbesserung des bestehenden Taxiservice. Fahrdienste gab es in Form von Taxis schließlich schon lange. Doch Uber nutzte die neuen Möglichkeiten des mobilen Internets, um eine praktischere und günstigere Alternative für seine Nutzer anzubieten. Die privaten Fahrer hingegen freuten sich über eine weitere Nebenverdienstquelle mit niedriger Qualifizierungshürde, da quasi jede Person mit gültiger Fahrerlaubnis und eigenem Fahrzeug Uber-Fahrer werden kann.

Allerdings sind die Folgen des Geschäftsmodells „Service per App“, das in erster Linie auch durch Uber geprägt wurde, durchaus disruptiv und führen in manch anderen Branchen ebenfalls zu heftigen Umbrüchen.

Das Uber-Prinzip lässt sich übertragen

Uber hat einen beträchtlichen Teil dazu beigetragen, das sich einerseits das Konsumverhalten der Gesellschaft durch die praktische Digitalisierung verändern und sich andererseits das Plattform-Geschäftsmodell beziehungsweise die Peer-to-Peer- oder auch Sharing-Economy ausbreiten konnte.

Grundsätzlich kann das Geschäftsmodell von App-basierten Online-Vermittlungsdiensten auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgebreitet werden. Die Skalierbarkeit entscheidet dabei über den Erfolg der einzelnen Unternehmen. Aufgrund des im Vergleich zur produzierenden Industrie sehr geringen Startkapitals, das für die Gründung eines Online-Unternehmens nötigt ist, kann die finanzielle Hürde anfangs oft ohne Aufnahme von Investorengeldern überwunden werden. Da keine Fabrikgelände oder eigene Güter benötigt werden, lässt sich das Geschäftsmodell in den meisten Fällen beliebig und relativ einfach skalieren.

Dem Wachstum der Start-ups im Silicon Valley steht finanziell nun ebenfalls nichts mehr im Wege, da der Erfolg der Digitalunternehmen viele Risikokapitalgeber anzieht, die bereit sind in innovative Produkte und Dienstleistungen zu investieren. In Deutschland und auch im Rest von Europa ist es deutlich schwieriger Finanzierungen zu erhalten, doch auch hier profitieren Jungunternehmer vom Geschäftsmodell, das mit vergleichsweise niedrigem Startkapital auskommt.

Von der Essenslieferung bis zum freien Parkplatz

Kommen wir damit zurück auf die Eingangsfrage. Ob in naher Zukunft wirklich alle Dienstleistungen per App angeboten werden, ist schwer zu sagen. Angesichts des Wachstums der Internetkonzerne und des Trends zu Cloud-Lösungen, E-Commerce und On-Demand erscheint dies aber wahrscheinlich. Nicht zuletzt gibt es den Grundsatz: Alles war digitalisiert werden kann, wird früher oder später auch digitalisiert. Vielleicht hilft uns bei der Einschätzung der Blick auf Branchen, die bereits Produkte und Dienstleistungen per mobiler App anbieten.

  • Ferienwohnungen: AirBnB ist die bekannteste und größte Plattform für das Vermieten und Buchen von privaten Unterkünften. Das Geschäftsmodell von AirBnB unterscheidet sich dabei kaum von dem von Uber. Private Wohnraumbesitzer können sich im Online-Portal registrieren und ihren Wohnraum zur Zwischenvermietung anbieten. Nutzer können dann die passende Unterkunft im Online-Portal oder über die App buchen. Auch hier benötigen Anbieter keine kaufmännische Ausbildung, um ein gut funktionierendes Kleinunternehmen über das Smartphone laufen zu lassen. AirBnB gehört, wie Uber, zu den großen Erfolgsgeschichten des Silicon Valley und auch der beeindruckende Börsengang von AirBnB zeigt das Vertrauen der Anleger in die neuartigen Geschäftsmodelle.

  • Essenslieferdienste wurden ebenfalls von Uber geprägt. In den USA liefern sich nicht nur Fahrdienste Preisschlachten, auch Essenslieferanten wie Uber Eats, Grubhub und DoorDash versuchen sich gegenseitig zu unterbieten. Der Trend, Lebensmittel oder Essen von Restaurants und Fastfoodketten über eine App zu bestellen, welches dann von privaten Fahrern an die Haustür geliefert wird, konnte sich bereits verfestigen. In Zukunft werden auch immer mehr Supermarktketten sich diesen Dienst zu Nutze machen, um ihre Kunden weiterhin zu erreichen.

Für die erfolgreiche Digitalisierung von Dienstleistungen braucht es aber nicht immer ein Sharing- oder Peer-to-Peer-Modell. Oft reicht es auch, dass die digitalen Angebote komfortabler, individueller oder schneller sind als ihre analogen Vorbilder. Auch hier exemplarisch ein paar Beispiele.

  • Streaming-Dienste sind mittlerweile mehr als nur ein Konkurrent zu den herkömmlichen TV- und Radio-Sendern. Über mobile Apps können von überall aus Serien, Filme und Musik auf dem Smartphone oder Tablett konsumiert werden. Die zahlungswilligen Kunden ziehen dabei die freie Auswahlmöglichkeit eines breiten Angebots ohne Werbeunterbrechung dem festgelegten Programm der Sendeanbieter vor. Streaming spielt eine tragende Rolle in der Zukunft der Unterhaltungsmedien und die Eigenproduktionen der Streaming-Dienste konkurrieren bereits jetzt mit der Filmindustrie von Hollywood. Oder Hollywood produziert gleich für Netflix und Co.

  • Trading-Apps: Die Digitalisierung macht selbst vor Brachen mit starker Regulierung nicht Halt. Die sogenannten Neo-Broker sind Trading-Apps für den Handel mit Aktien, Derivaten und Kryptowährungen. US-Unternehmen wie Robinhood stellen mit dem gebührenfreien Handel über die Trading-Apps eine ernstzunehmende Konkurrenz zu den herkömmlichen Brokern der Banken dar. Mit diesen aggressiven Preisstrategien können zwar viele Kunden überzeugt werden, doch für den Erfolg des Unternehmens müssen die Einnahmequellen ausgebreitet werden. Beispielsweise kann dies durch die Vergabe von Kleinkrediten, eigene Kryptowährungen oder die aktive Vermögungsverwaltung geschehen, welche zentral über eine einzige Applikation zugänglich sind.

  • Parkgebühren-Apps sind digitale Erweiterungen der Parkautomaten. Anstelle eines Parkscheins am Automaten, können die Parkgebühren über die jeweilige App bargeldlos bezahlt werden. Doch das Angebot der Park-Apps geht bereits weit über das Bezahlen von Gebühren hinaus. Viele Anbieter navigieren ihre Kunden zu den Parkplätzen und helfen in Großstädten bei der Suche nach freien Parkmöglichkeiten. In Zukunft könnten Parkautomaten komplett durch Apps ersetzt werden und somit ein weiteres Argument gegen Münzgeld liefern.

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Und was kommt als Nächstes?

Die Beispiele verdeutlichen, dass keine Branche vor dieser Bewegung gefeit ist. Es lassen sich allerdings zwei Trends erkennen, nämlich die zunehmende „Anonymisierung“ von Dienstleistungen und die Entstehung von Super-Apps.
Menschen lassen sich gerne persönlich beraten und verspüren ein Gefühl von Sicherheit, wenn sie dabei ihrem Gegenüber in die Augen schauen können. Viele Apps hingegen ersetzen soziale Kontakte zu anderen Menschen durch ein paar Klicks. Diese neue Art von Geschäftsbeziehung muss besonders von den älteren Bevölkerungsschichten erst angenommen werden. Doch da viele Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie diese Entwicklung sogar zu schätzen gelernt haben, könnte COVID-19 als Katalysator bei der Adaption dienen.

Aber zumindest Uber und AirBnB lassen hoffen, dass die menschliche Komponente nicht gänzlich der Digitalisierung zum Opfer fällt. Denn gerade die persönlichen Gespräche während einer Uber-Fahrt oder ein Gastgeber, der wertvolle Tipps für eine Entdeckungstour liefert und einen Einblick in die lokal vorherrschende Kultur gewährt, bewahren einen charmanten Charakter in dem sonst so anonymisierten Geschäftsmodell.

Im Alltag begegnen uns zahlreiche mobile Applikationen. Möchte man sich beispielsweise mit Freunden zum Essen verabreden, dafür Restaurants vergleichen, Car-Sharing oder Fahrdienste buchen, auf dem Weg dorthin Einkäufe erledigen oder Streaming-Dienste nutzen und am Ende des Abends bargeldlos bezahlen, verwenden viele Smartphone-Nutzer gut ein halbes Dutzend Apps. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern.

Super-Apps bieten hierfür die Lösung, da sie den Funktionsumfang von Social-Media-Plattformen, Liefer- und Vermittlungsdiensten, E-Commerce und Bezahlsystemen in einer einzigen App vereinen. Seit gut sechs Jahren zeichnet sich der Trend in China und Südostasien ab. Technologiekonzerne wie Tencent haben es geschafft mit Apps wie WeChat eine ganze digitale Dienstleistungs- und Shoppingwelt zu bündeln. Super-Apps agieren auf dem Smartphone dabei fast schon wie übergestülpte Betriebssysteme, da die Nutzer für alle virtuellen Tätigkeiten nur noch eine einzige App verwenden.

Auch die westlichen Internetkonzerne möchten an diesen Erfolg anknüpfen. Google Maps folgt dabei den Fußstapfen von WeChat und entwickelt sich stetig weiter in Richtung Buchungsplattform. Beispielsweise können Restaurantempfehlungen angezeigt, Tischreservierungen durchgeführt und Essenslieferungen bestellt sowie Touren für die Erkundung von Sehenswürdigkeiten gebucht werden. Facebook arbeitet an der Integration von WhatsApp in den Facebook-Messenger und entwickelt ein eigenes Bezahlsystem. Den Status der Super-App hat Facebook aber trotzdem noch nicht erreicht.

Wie beurteilt ihr die Entwicklung? Und welche digitalen Dienstleistungen haben euch in letzter Zeit besonders überrascht?

Titelbild: Getty Images

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Bei den genannten Apps gibt es noch eine interessante Differenzierung: Crowdsourcing.

Uber und AirBnB vermitteln und machen dabei die Crowd zum Dienstleister. Der Impact dieses Ansatzes und das disruptive Potenzial ist immer dann enorm, wenn die Plattform es schafft einen Standard in der Leistung zu etablieren und für die Nutzer ein gleichwertiges Erlebnis, gegenüber herkömmlichen Anbietern der Leistung zu schaffen.

Ich denke, dass viele „Papier“-Leistungen App- und Digital-Lösungen erfahren werden. Ich denke aber auch, dass die nächsten großen Fische die Vermittler von Leistungen sein werden. Auch wenn ich Digitalist bin, besorgt mich diese Entwicklung, da die großen Profiteure in diesem Fall nicht die Leistungsgeber, sondern die Vermittler sind. Das führt bei erfolgreicher Disruption dann zu Abhängigkeiten kleiner Leistungsgeber und einer zu dominanten Position des Vermittlers.

Aber es bleibt eine spannende Frage, welche Branche als nächstes „Kopfgestellt“ wird! Ich tippe auf Vermittler von B2C und C2C Leistungen.

Roamler ist da ein Player der sich im Bereich Healthcare und Handwerk noch spannend entwickeln könnte. Die haben im B2B Bereich bereits eine gut funktionierende Crowdlösung für FMCG Hersteller und Handel mit Hinblick auf Mystery-Shopper und Trademarketing aufgebaut.

Edit: Autokorrektur-Fehler ausgemerzt

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Vielen Dank für den aufschlussreichen Artikel @TNY!

Ich denke auch, dass wir in den kommenden Jahren noch mehr digitalisierte Dienstleistungen sehen werden. Im Gesundheitsbereich, zum Beispiel, der bisher noch recht undigital ist – zumindest aus Kundensicht. Wie ich schon im Newsletter geschrieben habe, habe ich kürzlich einen digitalen Tierarzt ausprobiert, der über WhatsApp-Chat und Zoom-Calls mit echten Tierärzten funktioniert hat. Und das war echt gut und auch sehr nett, weil es – obwohl digital – doch menschlich war. Sehr sympathisch. Den Vertrag abgeschlossen hat man auch über WhatsApp, von wo man nur kurz auf eine Webseite geleitet wurde, um ein paar Daten einzugeben. Ein Vorbote der Superapps.

Die sehe ich persönlich kritisch, weil wir dann auch noch Plattformen über Plattformen über Plattformen haben – und alle wollen was ab vom Umsatz. Was bleibt da noch für die, die tatsächlich die Leistung erbringen? Da bin ich ganz bei @stefan.d. Denn – wie du in deinem Text ja am Beispiel Fahrdienst beschrieben hast: Viele Dienstleistungen gibt es ja längst. Nur fanden bisher nicht so viele Anbieter und Kunden zusammen, weil sie räumlich getrennt waren, zum Beispiel, oder weil sie nur übers Telefonbuch gefunden werden konnten. Jetzt haben Leistungserbringer zwar durch Plattformen Zugang zu einem größeren Markt, dafür müssen sie auch Geld abgeben. Ich bin gespannt, wie die Bilanz der Gastronomie sein wird, die ja wegen Corona im großen Stil auf Lieferdienste setzt und dafür mit Lieferando & Co. kooperiert.

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Für mich ist einer der großen Aha Momente aus 2020 der Auftritt vom social media super pro MrBeast, der eine eigene Fast-Food (Burger) Kette aus dem Nichts ins Leben gerufen hat - per outsourcing von Produktion (ghost kitchens) und Lieferung (delivery services) von Burgern. Also super exponentiell und im Kern liegt nur noch die Kundenseitige „Brand“ von Mr. Beast, die sich auch in Form vom Reach abbildet. Hier ist der go-live Tweet - man beachte die Resonanz!

Es geht bei diesen Themen fast immer um die Erschließung von neuen Märkten durch Herabsetzung der Kosten um das jeweilige Business zu starten. 10x Kosten runter => gefühlt 100-1000x new market size oder so…

Was die Kardashians und andere im Beauty Segment gemacht haben geht wohl auch über social media für Burgers. Es ist klar wer hier am Drücker ist und relativ wenig Risiko trägt —> der influencer. Alles Darunterliegende wird über Skaleneffekte auf wenige große Player konzentriert und evtl zur Commodity. Sie sind austauschbar, solange es noch andere Liefer- Kitchenanbieter gibt, die sich in einem Preiskampf nach unten befinden um konkurrieren zu können.

Hab wenig Hoffnung, dass bei so etwas dann der Burger-Patty Brater eine gute Marge abbekommt, wenn es ihn als selbstständigen überhaupt noch geben wird.

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Blockquote Für mich ist einer der großen Aha Momente aus 2020 der Auftritt vom social media super pro MrBeast, der eine eigene Fast-Food (Burger) Kette aus dem Nichts ins Leben gerufen hat - per outsourcing von Produktion (ghost kitchens) und Lieferung (delivery services)

Spannender Input!

Bei diesem Influencer-Ding (die Nähe zur Influenza erfeut mich immer wieder) hoffe ich ja, dass es in der aktuellen Größenordnung irgendwann durch ist. Das ist mir echt suspekt.

Ich stimme Dir zu, dass Kostensenkungen und Skalierungseffekte wichtig sind -denke aber auch, dass Influencer dabei in vielen Fällen nur ein Weg sind schnell zu skalieren. m.E. Sind sie weniger das alles entscheidende Kernelement des langfristigen Erfolgs. Ich glaube, dass echte und nachhaltig funktionierende Unternehmen in den wenigsten Fällen aus einem Personenkult heraus geboren werden. Es mag ein paar Fälle geben, wo Profession und Bekanntheit in der Zielgruppe gleichermaßen hoch ist, dann ist der Fall anders gelagert. Aber ich denke, die Verquickung einer Marke mit einem Mensch ist schon deshalb ungünstig, weil Menschen sich entwickeln und altern.

Meine Vermutung ist, dass die Influencer hier nur ein Bedürfnis bedienen - Marken mit Persönlichkeiten zu finden. Bedingt durch „glatte“ Großkonzerne wie Unilever, McDonalds und anderen, haben Verbraucher das Bedürfnis bei Ihrem Konsum wieder einen Bezugspunkt zu haben. Das leistet dann ein Influencer, wenn es um eine digitalen Berührungspunkt zur Leistung geht halt recht gut. Aber final ist er dabei Marketing-Tool.

Das Thema Ghostkitchen finde ich auch enorm interessant. Darüber könnte man die vorhandenen Plattformen nutzen und in der danach folgenden Stufe der Produktion viel optimieren.
Im Sinne der Qualität, der Lieferzeit bzw. Entfernung und sicher auch in den Kosten. Ich habe keine Ahnung ob das in Deutschland schon im größeren Stil betrieben wird. Mein Eindruck ist, dass zB. Im Ballungsraum Ruhrgebiet immernoch viele sehr kleine 2-3 Mann Betriebe die Lieferdienste bespielen.

Eine größere Küche, die dann unter verschiedenen Pseudo-Marken vorkocht, was in Satelliten „vor Ort“ fertig gekocht wird, dürfte spannende Einsparungen erlauben. Könnte auch per Franchise in der letzten Stufe laufen. Würde mich nicht wundern, wenn das zukünftig von Lieferando und co selbst umgesetzt wird - oder schon passiert. Aber Food war nie so mein Thema. In Deutschland ist da die Preissensitivität dermaßen ausgeprägt, dass die Margen so klein sind, dass die meisten verrückten Ideen die ich dazu habe nicht davon getragen werden können :slight_smile:

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Danke, @tny, dass Du dieses Thema aufgeworfen hast! Danke an @stefan.d und @Wolfgang für die wichtigen Ergänzungen, an die ich mich anschließen und weiter ausführen möchte.
Aus meiner Sicht geht es in dem Artikel – und die Beispiele machen das deutlich - nicht einfach um „Services per App“, sondern vor allem um mit Plattformgeschäftsmodellen realisierte digitale Services. Tim stellt ja die Frage, wie wir diese Entwicklung beurteilen. Um dies mit dem nötigen Wissen zu tun, möchte ich betriebswirtschaftliche Aspekte zur Plattformökonomie und Plattformgeschäftsmodellen ergänzen, die ich zur Beurteilung für essentiell halte. Ich zitiere dabei mehrfach aus meinem Buch „Praxisleitfaden Corporate Digital Responsibility“, das im März im Springer Gabler Verlag erschienen ist, da ich dort einige wesentlichen Punkte beschrieben hatte.

Zunächst zu den Grundlagen: Was machen Plattformgeschäftsmodelle aus? „Plattformen verkaufen Verbindungen statt Güter oder Dienstleistungen. Mit ihren „Plattform“-Geschäftsmodellen verbinden sie als Intermediäre oder Vermittler verschiedene Akteursgruppen in mehrseitigen Märkten miteinander. IT-Plattformen sind die informationstechnologische Grundlage der Plattformökonomie (“Platform economy”). „Eine Plattform ist ein Geschäft, das auf der Schaffung wertschöpfender Interaktionen zwischen externen Produzenten und Konsumenten basiert“, sagt Geoffrey Parker. Eine etwas losere Definition beschreibt Plattformen als ein Online-Vermittler von sozialen und ökonomischen Interaktionen. Idealtypisch bieten sie die Vermittlung von Transaktionen an. Sie führen Angebot und Nachfrage zusammen und bieten eine Informations- und Suchfunktion, einen Angebotsmechanismus und einen Bewertungs- bzw. Reputationsmechanismus. […] Die Plattformökonomie ist gekennzeichnet durch direkte und indirekte Netzwerkeffekte, d. h. die steigende Anzahl von Nutzern führt zu einer Wertsteigerung für die Nutzer selbst sowie für die Plattform." (Dörr 2020, S. 19).

Mit diesem als Grundlage nun einige Einordnungen aus dem Text aus meiner Sicht.

Tim schreibt: „Die eigentliche Dienstleistung von Uber stellt allerdings keine Disruption dar, sondern ist nur eine Verbesserung des bestehenden Taxiservice.“ Diese Aussage würde ich nicht unterstützen. Die disruptive Innovation von Plattformgeschäftsmodellen besteht in der Schaffung wertschöpfender Interaktionen auf Basis von IT-Plattformen, die sich den Netzwerkeffekt zu Nutze macht. Diese „wirtschaftliche Innovation“ ist aus meiner Sicht Hauptursache für die digitale Transformation, wie wir sie aktuell erleben - neben den Entwicklungen und Möglichkeiten der digitalen Technologien.

Tim schreibt: „Allerdings sind die Folgen des Geschäftsmodells „Service per App“, das in erster Linie auch durch Uber geprägt wurde, durchaus disruptiv und führen in manch anderen Branchen ebenfalls zu heftigen Umbrüchen.“ Ja, die Veränderungen der Branchen sind disruptiv. Da wo dies bisher nicht der Fall ist, liegt das oft an gesetzlichen Vorgaben und Regulierungen (z.B. Keine Zulassung für Uber durch die Kommune zum Schutz der Taxibranche, Auflagen für Gastgewerbe, die private Anbieter via AirBnB nicht leisten können, Buchpreisbindung in D, weshalb auch andere Buchshops noch attraktiv sind etc.).

Tim schreibt: „Dem Wachstum der Start-ups im Silicon Valley steht finanziell nun ebenfalls nichts mehr im Wege, da der Erfolg der Digitalunternehmen viele Risikokapitalgeber anzieht, die bereit sind in innovative Produkte und Dienstleistungen zu investieren.“ Ganz so einfach ist es aus meiner Sicht nicht. Plattformen machen heute einerseits bereits die wertvollsten Unternehmen der Welt (nach Börsenwert) aus, „aber es sich andererseits um hochriskante Investitionen für Investoren und Kapitalgeber. So hat z. B. „AirBnB“, gegründet im Jahr 2008, erstmals 2017 Gewinne erzielt und Uber schreibt seit seiner Gründung im Jahr 2009 Verluste …“ (Dörr 2020, S.19). Offenbar soll sich das für Q4/2020 erstmals ändern. Die Dynamik der „Winner-takes-it-all“-Märkte und die Chance auf die Kontrolle ganzer Branchen macht die Mobilisierung hoher Investitionssummen möglich. Ein ökonomisch nachhaltiges Business ist das aktuell nicht.

Tim schreibt: „Nicht zuletzt gibt es den Grundsatz: Alles war digitalisiert werden kann, wird früher oder später auch digitalisiert.“ Ich würde sagen: Alles, was für Kund:innen vorteilhaft ist, wird digitalisiert. Vorteil der Plattformen ist, „dass sie die Kosten für den Leistungsaustausch, d.h. Suche und Abwicklung, für Kunden und Anbieter massiv gegenüber der bisherigen Marktlogik massiv verringern. D.h. die Leistungen z.B. von Waren, aber auch Dienstleistungen, können leichter verglichen werden und Verbraucher bekommen Transparenz über die Preise. Die Informationsasymmetrie sinkt. Eine steigende Anzahl von Anbietern und Nutzern, die z. B. Leistungen bewerten, führt zu einer Wertsteigerung für die Nutzer selbst sowie für die Plattform. Die Konsumenten werden zu Mit-Produzenten der Wertschöpfung („Prosumenten“). […] Plattformen bilden ein quasi-natürliches Monopol, weil durch die positiven Netzwerkeffekte die erfolgreichere bzw. größere Plattform bevorzugt wird. Das ist der Grund, weshalb diese Plattformen quasi als Gravitationszentren in ihren Märkten fungieren und immer mehr Verbraucher dort hin „strömen“. Der Wettbewerb auf diesen Märkten, der die Grundlage für eine faire Preisbildung darstellt, ist eingeschränkt oder kaum vorhanden. Durch ihre Stellung als „Alleinherrschende“, die bislang auch kaum durch nationale Regulierung gebrochen wird, diktieren die Plattformen die Regeln des Marktes. Dies birgt Risiken für Nutzer und die anderen Teilnehmer, wie beispielsweise die Selbständigen und KMU, die ihre Dienstleistungen auf der Plattform anbieten.“ (Dörr, 2020, S. 20). @Wolfgang hat darauf hingewiesen. Amazon zeigt heute bereits, wie die Plattform Preise diktiert und damit den Einzelhandel in Deutschland stark unter Druck setzt – bei der „traditionellen“ Buchbranche in USA (die nicht der Buchpreisbindung unterliegt) bereits geschehen.

Um es zusammen zu fassen: Ja, die Entwicklung von Plattformgeschäftsmodellen und damit verbundener Services wird mit der Dynamik des Netzwerkeffekts weiter gehen. Die Vorteile für die Beteiligten an den Märkten sind (zunächst) zu groß, als dass sie ignoriert werden könnten. Wenn wir jedoch faire Preisbildung und digitale Selbstbestimmung für die Nutzer:innen sowie faire Anteile für die anbietenden Marktteilnehmer:innen wie Taxifahrer:innen, Zimmervermietende, Ausliefernde, Gig-Worker:innen, Händler:innen etc. wollen, dann müssen diese Märkte zukünftig klug reguliert werden, so dass Wettbewerb überhaupt entsteht. Ein erster Schritt ist der gerade von der EU-Kommission präsentierte „Digital Markets Act“ und „Digital Services Act“ zu neuen Regeln für digitale Plattformen.

Zu den Trends: Den Trend zur Anonymisierung kann ich nicht erkennen. Gerade boomen die Coaching-Plattformen, in der mehr und mehr Arbeitnehmer:innen berufliches Coaching bekommen können. Gleiches mit psychologischer Beratung. Was ich jedoch als Trends erkenne ist die strukturelle Veränderung des deutschen Mittelstands (kleine und mittlere Unternehmen, KMU) wie auch des Handwerks durch die Plattformgeschäftsmodelle. Mit hohen Risiken für Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Deutschland. Und ich sehe die zunehmende „Gatekeeper“-Funktion der sog. „persönlichen Sprachassistenten“ als „direkte Kundenschnittstelle“, z.B. Echo/Alexa von Amazon zu Hause. Damit wird aus meiner Sicht die weitergehende (für Kunden „alternativlose") Ausbeutung der digitalen Präsenz, die Einschränkung digitaler Selbstbestimmung und eine „algorithmische Diskriminierung“ weiter gefördert.

Wir sind als Verbraucher:innen gefragt, diese Zusammenhänge zu verstehen und in unseren Kauf- und Nutzungsentscheidungen zu berücksichtigen. Unternehmer:innen sind gefordert, die Erwartungen von Kunden an Service und Vergleichbarkeit zu erfüllen und dabei mit digitaler Verantwortung vorzugehen. Wer sich intensiver mit den „unerwünschten Nebenwirkungen“ der Digitalisierung und den Handlungsmöglichkeiten für Unternehmer:innen auseinandersetzen möchte, dem mein bereits oben erwähnter „Praxisleitfaden Corporate Digital Responsibility“ empfohlen.

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@Saskia danke für die äußerst fundierten Ergänzungen und Aspekte.

Unter Trends hast Du ein spannendes Thema kurz angerissen, was man wirklich unbedingt im Blick behalten sollte:

Ich habe das Thema letztes Jahr auf einem Branchenkongress in einem Vortrag von marta kwiatkowski kennengelernt. Der Aspekt one-questions/One-Answer ist gleichermaßen nachvollziehbar, aber in der Konsequenz auch irgendwie unvorstellbar. Frau Kwiatkowski hat zu dem Zeitpunkt schon verstörend hohe Suchanteile über Voice-Assistants genannt - die Zahlen habe ich nicht mehr griffbereit. Sie hat in diesem Zuge erläutert, dass sich das Suchverhalten von Marken auf Eigenschaften verschieben wird, wenn ich mich recht erinnere. Aber die grundlegende Eigenschaft der Sprach-Assistenten, welche an dieser Stelle sowohl Gatekeeper als auch Informations-Nadelöhr werden ist beunruhigend.

Wenn man sich vorstellt, das Google nur noch einen Treffer ausgibt, würde dieser Platz recht wertvoll und in einigen Fällen wird vermutlich auf das eigene Angebot verwiesen.

Mich würde interessieren, wie Du das Thema bewertest? Denkst Du die Monetarisierung dieser Platzierung hat Vorrang, oder der Usernutzen, also die inhaltlich beste Antwort?

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Hallo @stefan.d, Danke für das Feedback - ja, das ist ein guter Punkt: Die Anzahl der „Treffer“ einer Suchanfrage wird bei der akkustischen Widergabe weiter reduziert, weil wir physiologisch über diesen „Kanal“ einfach noch weniger Informationen aufnehmen können als visuell. Möglicherweise auf einige wenige oder sogar nur einen. Es zeigt sich wohl bereits heute, dass die Bequemlichkeit dieser Empfehlung zu folgen, von vielen Echo/Alexa-Nutzern gefolgt wird. Das wäre dann bildhaft so, wie wenn man nur in eine Einkaufsstraße gehen kann (will) und dort gibt es nur einen Laden. Dort kauft man dann. Amazon ist bereits heute Gatekeeper für 30% aller Handelsumsätze in Deutschland - direkt und indirekt.
Zu Deiner Frage: So wie ich Google einschätze, die ja noch immer glauben, zu den „Guten“ des Internets zu gehören, lassen sie sich sicherlich etwas einfallen - vielleicht einen besten Treffer und einen gesponsorten Treffer? Sie werden sich aber sicherlich die Einnahmequelle nicht entgehen lassen.

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Das klingt für mich immer noch recht unconvinient. Zumal das Feedback ja per Audio erfolgt.

Ich hoffe, dass wir hier schnell im Bereich AR weiterkommen, da die aktuellen Trends schon zeigen, dass immer mehr User weg vom hangebundenen Eingabegerät wollen.

Die Verquickung von Sprachassistent und Gestensteuerung könnte eine gewinnbringende nächste Stufe darstellen.

Die One-Shot-Search die Du beschreibst, halte ich für gefährlich.

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