Mit Qubits rechnen

Hochinteressante Gäste aus München und Innsbruck sowie ein Forschungsupdate vom Quantum Integration Centre (QIC) des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ): Am 14. September traf sich die Bavarian Quantum Computing eXchange (BQCX), die Gemeinschaft der Quantenspezialisten, die das LRZ initiiert hat, erstmals nach der Sommerpause. Das Vortragsprogramm hatte Einiges zu bieten: Stefan Birner, promovierter Physiker und Mitbegründer der Münchner Firma Nextnano, stellte die Grundlagen von sogenannten fliegenden Quantenbits oder Qubits vor. Dabei handelt es sich um spezielle Recheneinheiten für das Quantencomputing aus Elektronen, die sich unter anderem für die Übertragung von Signalen eignen und so die Kommunikation zwischen Quantenkomponenten verbessern könnten.

Fliegende Qubits für den Austausch von Informationen

Nextnano wurde 2012 gegründet und entwickelte zunächst Simulationssoftware für elektronische und opto-elektronische Halbleiter-Nanobauteile. Diese wiederum kommen zum Beispiel in der LED-Technik, in Laserdioden oder in Sensoren zum Einsatz, die Licht in elektrische Signale umwandeln. Mit Hilfe der Halbleitertechnologie und optischer Verfahren lassen sich auch Elektronen von Atomen isolieren und so manipulieren, dass sie als kleinste Recheneinheit im Quantencomputing zur Übertragung von Informationen oder zur Durchführung von Rechenoperationen eingesetzt werden können. In den meisten Fällen sind sie sogar schneller als Qubits, die in Ionenfallen oder aus Atomen gewonnen werden, oder sich in supraleitenden Schaltkreisen verschränken und zusammenarbeiten. Nextnano entwickelt Prozessoren und Komponenten für den Einsatz von fliegenden Qubits, die eines Tages die Arbeit anderer Quanten-Hardware-Lösungen ergänzen könnten. Birner zeigte, unter welchen Bedingungen sich die isolierten Elektronen austauschen und wie sie zu Schaltkreisen verschränkt werden können.

Quantenprozessoren in der Forschungspraxis

Im QIC-Labor arbeiten die Spezialisten unterdessen daran, Quantenprozessoren in klassische Computer zu integrieren. Die Prozessoren sind zwar noch nicht geliefert, doch an der physikalischen Integration wird bereits erforscht. Um Hardwarekomponenten, technische Anforderungen und spätere Einsatzszenarien besser einschätzen zu können, simulieren die Forschenden derzeit die Funktionsweise dieser Hybridsysteme. Der promovierte Informatiker Muhammad Nufail Farooqi erläuterte der BQCX-Community die ersten Erfahrungen aus diesen Experimenten: So wurden beispielsweise Latenzen zwischen Quantenprozessoren und Rechenknoten beobachtet, die den Durchsatz im Hybridsystem deutlich reduzieren. Das LRZ-Quantenteam und seine Partner analysierten auch die Umprogrammierungszeit der Steuerelektronik, sie kann den Durchsatz ebenfalls erheblich beeinträchtigen, wenn die Latenzzeit zwischen Quantenprozessoren und Rechenknoten kurz ist.

Auf Anwendungsseite führte das LRZ Vorstudien zum Verhalten eines hybriden Systems durch. Dafür wurden verschiedene Ausführungszeiten von Quantenschaltungen gegenüber klassischen Rechenzeiten simuliert und miteinander verglichen. Weitere Simulationen zur Planung und Koordination von Aufträgen und Tasks stehen bereits auf der Agenda des LRZ-Quantenteams.

Ein Betriebssystem für Quantencomputer

Schließlich reiste Christian Ertler von ParityQC an: Er ist promovierter theoretischer Physiker, entwickelt in dem jungen Unternehmen mit Sitz in Innsbruck und München Technologien für das Quantencomputing und knüpft strategische Partnerschaften. Obwohl ParityQC mit verschiedenen Quantenprozessoren arbeitet, widmet es sich in erster Linie der Entwicklung eines Betriebssystems und damit Fragen der Kompilierung. Ähnlich wie klassische Computer benötigen auch Quantencomputer Software zur Steuerung und Überwachung sowie Werkzeuge, die Softwarebefehle oder Quellcodes in Maschinensprache umwandeln. ParityQC entwickelt dazu eine Plattform, die als Software as a Service (SaaS) Werkzeuge für die Kompilierung von Quantenschaltungen bereitstellt. Die Plattform vereint verschiedene Quantenprozessoren und stellt die Interoperabilität dieser Systeme sicher. Die neuen Prozessoren unterscheiden sich in der Art, wie Qubits erzeugt werden, wie sie miteinander interagieren oder verschränkt werden. Dazu werden heute Halbleiter- und Supraleiter-Technologien, Ionenfallen sowie optische und andere physikalische Methoden eingesetzt. Ertler erläuterte die sogenannte Transpilation, also wie Quantengatter und Schaltkreise unter verschiedenen Hardware-Zwängen angeregt werden und wie diese für Rechenoperationen zu nutzen sind.

Optimierung ist ein weiteres Feld für die Entwicklung neuer Systeme in der Ära der verrauschten Quanten im Zwischenmaßstab (NISQ). Um Quantenvorteile überhaupt nutzen zu können, muss dabei das Optimierungsproblem in eine korrekte Quantenform übersetzt werden. Als Schlüsselelement eines Betriebssysystems und für seine Plattform hat ParityQC für jede Prozessorentypus einen neuen, effizienteren Ansatz für die geforderte Übersetzung entwickelt. Noch arbeiten die verschiedenen Quantenprozessoren isoliert voneinander. Möglicherweise entstehen so eines Tages Systeme für unterschiedlich Anwendungen. Plattformen wie ParityQC schlagen Brücken und bieten ein breites Technologiespektrum für Nutzer:innen. Relevant sind die Erfahrungen des Startups auch für die Frage, wie das Quantencomputing ins Supercomputing integriert werden kann: Dies ist die Herausforderung für das LRZ und seine Partner in verschiedenen Forschungsprojekten.

Der Wissensaustausch im BQCX-Kreis geht im Oktober weiter: Das nächste Treffen findet am 12. Oktober 2022 statt. Die Themen finden Sie hier: https://www.quantum.lrz.de; Anmeldung unter bqcx@lrz.de (vs)

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