Mit Starlink baut SpaceX ein dichtes Satellitennetzwerk im Orbit, um die Erde flächendeckend mit Internet zu versorgen. Für Astronomen wird das zum Problem. Denn die niedrig fliegenden Satelliten sind immer häufiger auf den Aufnahmen von Teleskopen zu sehen. Sie könnten dadurch manch Forschungsprojekt erschweren oder sogar ruinieren.
Von Michael Förtsch
Internet immer und überall. Selbst in den entlegensten Ecken der Erde. Dafür soll das Satellitennetzwerk Starlink sorgen, welches das von Elon Musk geführte Raumfahrtunternehmen SpaceX aufbaut. Im Januar 2022 umkreisen bereits über 2.000 der flachen und mit einem großen Solarpaneel ausgestatteten Satelliten in rund 550 Kilometern Höhe die Erde. In fünf Jahren sollen es fast 12.000 sein. Im kommenden Jahrzehnt über 40.000. Bereits jetzt ist der Dienst für das Internet aus dem All an vielen Orten verfügbar – auch in Deutschland. Aber vor allem sind die orbitalen Wanderer von Elon Musk anders als viele andere Satelliten von der Erde aus oft und klar zu sehen – und sorgen auch immer wieder für Erstaunen und Anrufe bei UFO-Meldestellen. Das gefährdet die Arbeit jener, die auf einen klaren Himmel angewiesen sind: den Astronomen.
„Die steigende Anzahl von Satelliten in der unteren Erdumlaufbahn ist ein Problem“, sagt Przemek Mróz im Gespräch mit 1E9. Das ist nicht nur eine Vermutung, sondern das Resultat einer Studie, die der Assistenzprofessor von der Universität Warschau gemeinsam mit mehreren Kollegen aus den USA und Europa durchgeführt hat. Das Team hat dafür Tausende von Aufnahmen analysiert, die zwischen November 2019 und September 2021 vom Palomar-Observatorium nahe San Diego aufgenommen wurden. Das zur Zwicky Transient Facility gehörende Observatorium lichtet alle zwei Tage den kompletten vom Beobachtungsort aus sichtbaren Nachthimmel ab, um auffällige Veränderungen oder Lichtphänomene auszumachen.
Die steigende Anzahl von Satelliten in der unteren Erdumlaufbahn ist ein Problem.
Przemek Mróz
„Bei seiner Arbeit fängt [das Palomar-Observatorium] auch Satelliten als Lichtstriche ein, wenn sie das Sichtfeld des Teleskops durchkreuzen“, sagt Mróz. Das Team fand auf insgesamt 5.301 einzelnen Aufnahmen derartige Lichtstriche, die sehr deutlich den Himmel durchschneiden. Besonders auffällig sind die Satellitenbahnen in den Aufnahmen zu sehen, die während der Morgen- und Abenddämmerung entstanden – eine Zeit, die beispielsweise für die Entdeckung von erdnahen Asteroiden besonders gut geeignet ist. Verstörend und auffällig sei, dass die Menge der von Satelliten durchkreuzten Bildern gegen Ende 2021 stark zugenommen habe – und zwar im gleichen Verhältnis wie die Zahl der im Orbit ausgesetzten Starlink-Satelliten.
Ist bald jede Aufnahme durchkreuzt?
Laut Przemek Mróz waren Ende 2019 lediglich 0,5 Prozent der Dämmerungsaufnahmen von Satellitenstrichen durchzogen. Von den Aufnahmen, die Ende 2021 entstanden, seien es dann fast 20 Prozent gewesen. Mit jedem Start, der weitere Starlink-Satelliten in den Orbit bringt, dürfte sich die Situation verschärfen. „Die Starlink-Satelliten befinden sich in einer niedrigen Umlaufbahn, sie sind groß und reflektieren daher eine große Menge Licht“, sagt der Astronomen. „Wir schätzen, dass, sobald SpaceX etwa 10.000 Satelliten in Betrieb genommen hat, fast alle während der Dämmerung aufgenommenen Bilder betroffen sein werden.“
Die Starlink-Satelliten sind auch mit bloßem Auge zu sehen. Sie erscheinen als eine Lichterkette, die über den Himmel zieht.
Selbst wenn die hellen Streifen, die die Satelliten hinterlassen, nur sehr dünn sind, könnten sie durch ihre stetige Zunahme die Arbeit der Astronomen beeinträchtigen. „Ein Streifen in einem Bild bedeutet nicht zwangsläufig, dass es zerstört ist“, sagt Przemek Mróz. Oft verdecke eine Satellitenspur weniger als 0,1 Prozent der Pixel eines Bildes. Die Gefahr, dass ein Forscher also einen Asteroiden oder eine Supernova übersieht, sei eher gering – aber ein solcher Strich könnte durchaus einzelne Sterne verstecken oder andere Objekte in ihrer Sichtbarkeit mindern. „Unsere Studie zeigt erst einmal, dass der wissenschaftliche Betrieb [des Observatoriums] der Zwicky Transient Facility noch nicht stark durch Satellitenstreifen beeinträchtigt wird“, meint Mróz. „Aber das gilt möglicherweise nicht für andere Observatorien.“
Unter anderem könnten Sternwarten, die mit optischen Equipment nach Hinweisen auf Gammastrahlenausbrüche oder Gravitationswellen-Ereignisse suchen, durchaus ernstere Probleme durch die Starlink-Satelliten erfahren. Ob das der Fall ist, genau das sollte nun erforscht werden, fordern Mróz und seine Kollegen. Astronomen sollten die Daten, die während der Studie gesammelt wurden, nutzen, um Startlink-Begegnungen zu reproduzieren oder auf andere Weise nachzuvollziehen, wie deren Wirkung auf Datensammlungen und astronomische Fotografien ausfallen.
Die Zusammenarbeit mit SpaceX ist wichtig
Wie der polnische Astronom anführt, sei den Ingenieuren bei SpaceX das Problem durchaus bekannt. Es werde auch schon aktiv nach Lösungen und Workarounds gesucht. Seit 2020 werden neue Starlink-Satelliten beispielsweise mit einem Sonnenschutz ausgestattet, der reflektierende Flächen abschirmt und dadurch die Leuchtkraft reduziert. „Unsere Studie hat gezeigt, dass dieser Sonnenschutz sie gegenüber den Vormodellen um den Faktor 4,6 weniger sichtbar macht“, meint der Wissenschaftler. Das sei bereits ein Erfolg. Aber die Satelliten würden dadurch nicht so stark abgedunkelt, dass sie auf Aufnahmen wie denen des Palomar-Observatorium unsichtbar werden.
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Es muss ein Dialog zwischen Firmen wie SpaceX und der Gemeinde der Astronomen geführt werden.
Przemek Mróz
Beim Kampf um klare Aufnahmen des Nachthimmels müssen sich Astronomen in den kommenden Jahren aber nicht nur mit SpaceX auseinandersetzen. Denn auch andere Unternehmen planen ähnliche Satellitenkonstellationen. Darunter OneWeb, Amazon, ein noch namenloses EU-Konsortium und chinesische Firmen wie Geely. Deswegen sollte dringend ein „Dialog zwischen Firmen wie SpaceX und der Gemeinde der Astronomen geführt werden“, fordert Mróz. „Das ist wichtig.“ Dennoch, meint der Astronom, dass es wohl unvermeidlich ist, dass zukünftig „einige Beobachtungsprojekte durch Satellitenstreifen ruiniert werden“.
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Titelbild: CalTech