KI verwandelt Texte automatisch in Nachrichtensendungen mit virtuellen Moderatoren

Kein TV-Studio, keine Mikrofone, keine Kameras und vor allem keine Menschen vor den Kameras braucht es, um mit der Software des israelisch-amerikanischen Start-ups Hour One ganze Nachrichtensendungen zu produzieren. Zu den ersten Kunden, die das neue Tool nutzen, gehört eine Fußballsendung aus Deutschland.

Von Wolfgang Kerler

Im Geschäft mit digitalen Doppelgängern, die in Videos auftreten, ist Hour One schon länger. Mit Aufnahmen von tatsächlich existierenden Menschen als Trainingsdaten erschafft die Software der Firma realistisch aussehende Klone, die mit synthetischen Stimmen sprechen können. Die Technologie, die Hour One dabei einsetzt, funktioniert wie die hinter den Deepfake-Videos, die seit ein paar Jahren das Internet aufmischen.

Bisher produzierten Kunden, die mit der Reals genannten Software-Plattform des Start-ups arbeiten, vor allem Lernvideos – für Sprachkurse oder die Weiterbildung von Angestellten. Die virtuellen Avatare traten dabei vor flachen, zweidimensionalen Hintergründen auf. Mit dem neuen News-Feature bietet Hour One jetzt auch dreidimensionale Studioumgebungen an, in denen die virtuellen Moderatoren platziert werden. Komplizierter soll die Bedienung dadurch allerdings nicht werden.

„Man muss nur einen Avatar, eine Stimme und eine 3D-Vorlage auswählen und zusätzlich die Sequenz der gewünschten ,Aufnahmen‘: Nahaufnahme, Schwenk, Vollbild und so weiter“, sagt Natalie Monbiot, Head of Strategy bei Hour One, zu 1E9. „Dann den Text eingeben und auf Wunsch Hintergrundbilder hinzufügen.“ Daraus kreiert die Software das fertige Nachrichtenvideo, das heruntergeladen werden kann.

Menschliche Moderatoren abschaffen wolle man damit aber auf keinen Fall. Stattdessen wolle man Unternehmen, die bisher eher auf Text setzen oder keine Ressourcen für teure Videoproduktionen haben, neue Möglichkeiten eröffnen. „Wir wollen den Zugang zu Premium-Videos für alle möglichen Publisher demokratisieren“, sagt Monbiot.

Zu den ersten Kunden, die bereits News-Formate mit dem Hour-One-Programm erstellen, gehört die Sportsendung ran aus Deutschland. Während der Bundesliga-Saison entstehen laut Monbiot mehrere Videos pro Woche, die zusammenfassen, was sich in der Liga getan hat.

Der Aufstieg der synthetischen Medien?

Noch sieht man den virtuellen Nachrichtensprecherinnen und Moderatoren an, dass sie keine echten Menschen sind. Die Mimik ist manchmal etwas ausdruckslos, der Blick geht immer in exakt dieselbe Richtung und die Bewegung der Lippen wirkt manchmal zu schnell, gerade wenn es sich um deutschsprachige Videos handelt. Doch Hour One will seine Technologie weiterentwickeln.

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„Wir arbeiten ständig daran, die Leistungsfähigkeit zu steigern – sei es bei der Geschwindigkeit, der Automatisierung oder durch mehr Realismus“, sagt Natalie Monbiot. Das nötige Kapital dafür hat sich das Start-up gesichert, als es mit einer Finanzierungsrunde 20 Millionen US-Dollar bei Investoren einsammelte. Natalie Monbiot geht davon aus, dass synthetische Medien, wie sie Hour One ermöglicht, eine immer größere Rolle spielen werden.

„Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der jede Suchanfrage zu einem personalisierten Video führen kann, das genau die richtigen Informationen liefert, um die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, und das dabei unterhaltsam ist“, sagt sie. Auch im Bereich der Fan-Fiction könnten Tools wie die von Hour One völlig neue Möglichkeiten eröffnen. „All das könnte auf jeden Fall zu stärker personalisiertem Storytelling führen.“

Ihre Firma ist nicht die einzige, die sich auf virtuelle Avatare spezialisiert hat. Start-ups wie Synthesia oder SoulMachines arbeiten an ähnlichen Lösungen. In China trat schon 2018 der erste KI-gestützte Nachrichtensprecher auf.

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