Viele haben sich daran versucht, aber sind gescheitert. Weder Roland Emmerich noch dem Games-of-Thrones-Sender HBO ist es gelungen, das Science-Fiction-Epos Foundation von Isaac Asimov in bewegte Bilder zu übersetzen. Apple soll es jetzt endlich geglückt sein. Das Timing passt. Denn die Geschichte der Roman-Reihe passt geradezu erschreckend gut in unsere Krisenzeit – und wirft deshalb die Frage auf, ob wir auch einen Plan zur Rettung unserer Welt brauchen.
Ein Essay von Michael Förtsch
Rund 50.000 Jahre in der Zukunft hat die Menschheit längst vergessen, wo sie einst herkam. Die Erde ist nur noch ein Mythos, dem nur wenige noch eine Bedeutung beimessen. Schließlich ist die Menschheit ihren einstigen Grenzen längst entwachsen. Billionen von Menschen bevölkern Millionen von natürlichen und künstlichen Himmelskörpern: Planeten, Monde, Raumstationen und Asteroiden. Es haben sich unzählige und grundverschiedene Kulturen ausgeformt. Dennoch sind sie alle vereint. Nämlich als das Imperium, das unglaubliches Wissen, fantastische Technologien und immensen Reichtum angehäuft hat – und vom nahe dem Zentrum der Milchstraße gelegenen Planeten Trantor aus regiert wird.
Der Planet Trantor steht sinnbildlich für das Imperium selbst. Er ist durchurbanisiert, durch Rohstoffförderung ausgehöhlt, ob der Klimaprobleme weitestgehend überkuppelt und zudem von einer Zwiebelschale aus technologischen Vorrichtungen eingekapselt. Er ist ein High-Tech-Zentrum, das zu jeder Sekunde kurz vor dem Kollaps zu stehen scheint. Genau das ist es auch, was der Wissenschaftler Hari Seldon kommen sieht. Seldon ist der Erfinder einer neuen Art von Wissenschaft, der Psychohistorik, die Mathematik, Statistik und Soziologie vereint und dadurch die Zukunft einer Zivilisation vorhersagen lässt.
Und was Seldon mit ihr prognostiziert, ist, dass das seit Tausenden von Jahren existierende Imperium der Menschheit bald fallen wird. Nicht nur Trantor, sondern alle Welten, die von den Menschen besetzt und besiedelt sind, werden langsam, aber sicher in ein interstellares Mittelalter abrutschen und in Barbarei verfallen. Der Grund? Der ist kompliziert. Denn es gibt nicht einen einzigen Auslöser, sondern eine Vielzahl von gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Faktoren.
Genau das ist der Ausgangspunkt des Foundation-Zyklus von Isaac Asimov, eines der wichtigsten und einflussreichsten Science-Fiction-Werke überhaupt. Doch es ist auch eher schwer zugänglich. Zwar hatte Asimov den Zyklus 1942 als eine Kurzgeschichte für das Magazin Astounding begonnen. Heute jedoch spannt sich der Zyklus über 15 Bücher, 20.000 Jahre an fiktiver Zeitgeschichte und nahezu die gesamte Galaxie. Das mag abschrecken, doch sich in diese Welt reinzulesen, wirkt gerade jetzt ziemlich prophetisch – und lässt sowohl pessimistisch als auch optimistisch in die Zukunft schauen.
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Als Isaac Asimov mit dem Schreiben des Foundation-Zyklus begann, war er vom Verfall und Untergang des Römischen Imperiums inspiriert, in dem der Historiker Edward Gibbon über sechs Bände die letzten Jahre des römischen Reiches aufarbeitet. Gibbons sah das Verschwinden des einst so mächtigen Imperiums nicht als die Folge einer Kette von Ereignissen, sondern von schleichenden Prozessen – wie der Erosion von bürgerlichen Tugenden, zunehmender Selbstgerechtigkeit und Selbstsicherheit, was zu Krisen, Intrigen, verlorenen Schlachten und dem Sturz von Konstantinopel geführt hätte. Nun hat unsere Gegenwart scheinbar wenig mit einem Sternenreich oder dem römischen Reich zu tun.
Aber stimmt das wirklich?
Tatsächlich können sich die Corona-Pandemie, fauchende Buschfeuer, versinkende Küstenstädte, brennende Regenwälder, Heuschreckenplagen und jedes Jahr heftigere Hurrikans wie die Vorboten eines Untergangs anfühlen. Und: Ja, die menschliche Zivilisation ist für diese Situationen zumindest im großen Maße mitverantwortlich. „Die Zerstörung intakter Ökosysteme und der Klimawandel spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung neuartiger Viruserkrankungen“, ist beispielsweise bei der Bundeszentrale für politische Bildung zulesen. Und dass die Häufung und Heftigkeit von Bränden und Wetterkatastrophen auf den Mensch-getriebenen Klimawandel zurückzuführen ist, das ist laut Wissenschaftlern auch nicht mehr zu bestreiten.
All das lässt sich wiederum auf eine gewisse Dekadenz zurückführen – zumindest die der großen Industriestaaten und multinationalen Unternehmen. Mit totaler Selbstverständlichkeit werden Ressourcen ausgebeutet, Ländereien okkupiert, aufgerissen, zerstört und vergiftet zurückgelassen. Und das, um kurzlebige Konsumgüter zu produzieren, die sich letztlich nur ein kleiner Teil der Menschen überhaupt leisten kann. Und vor allem natürlich, um Geld zu machen. Zu oft ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit und zukünftige Generationen. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung immer weiter. Immer mehr Menschen wollen verständlicherweise etwas vom Wohlstand und Lebensstil der Industriestaaten abhaben. Doch die Ressourcen sind endlich und das System Erde nicht unendlich belastbar.
Das ist aber nicht alles. Was ist beispielsweise mit düsteren Auswüchsen wie dem Rechtsruck in eigentlich demokratischen Ländern und immer häufiger auftretenden Wirtschaftskrisen? Oder dem zunehmenden Glauben an Verschwörungstheorien? Oder auch dem Unwillen vieler Regierungen, den Klimawandel ernst zunehmen, auf erneuerbare Energien umzuschwenken und den Kapitalismus zumindest mal kritisch zu hinterfragen? Oder dem Widerwillen vieler Menschen, selbst kleine Veränderungen in ihrer Lebensweise zu akzeptieren?
Auch wenn der Kollaps der menschlichen Zivilisation momentan noch fern und irreal erscheint, ausgeschlossen ist er nicht, wenn es nach Klimaforschern geht. In 50 Jahren könnte ein Drittel der Menschheit in Gebieten mit einer unerträglichen Hitze leben. Landwirtschaft würde dort unmöglich werden. Niemand könnte mehr dort leben. Länder würden zerfallen. Menschen müssten in andere Gebiete auf dem Erdball flüchten. Manche Studien sehen weniger schlimme Szenarien, andere noch dystopischere. Selbst die Unternehmensberatung McKinsey warnt, dass ein Business-as-usual die Menschheit in absehbarer Zeit ökonomisch und ökologisch an die Wand fahren wird.
Es wäre normal, wenn alles zerfällt
Selbst wenn solche Studien keine Psychohistorik sind – und ziemlich daneben liegen können –, so lässt sich sagen: Wenn die Menschheit nicht untergeht, so wird sich die Welt jedoch mindestens nachhaltig ändern. Machtstrukturen werden sich verschieben und Gesellschaftssysteme umgekrempelt werden. Auch Wirtschaft, Kultur und vieles andere werden sich wandeln. Und es wäre ja nicht das erste Mal. In vergangenen Jahrhunderten sind zahlreiche Reiche, Imperien und große Zivilisationen zerfallen: Das Alte Ägypten, das antike assyrische Reich, das große Byzanz und natürlich das Römische Reich. Durchschnittlich hielten solche Zivilisationen knapp über 330 Jahre durch – und hatten dabei nicht gegen kaum beherrschbare Umwälzungen wie dem Klimawandel anzukämpfen.
Tatsächlich ist der Untergang von Zivilisationen in der Geschichte ein vollkommen normales Ereignis. Denn sowohl die Gesellschaften der Vergangenheit als auch unserer Gegenwart sind komplexe Systeme, die sich aus vielen sowohl parallel verlaufenden als auch verknüpften sozialen und technischen Vorgängen zusammensetzen. Und die sind nun einmal fragil und anfällig für Fehler und Aussetzer, die, wenn sie zu häufig und in zu starker Konzentration auftreten, das System zerbrechen lassen.
Laut dem Centre for the Study of Existential Risk an der Universität von Cambridge gäbe es unzählige Möglichkeiten, wie unsere heute global vernetzte Zivilisation an den Abgrund getrieben werden könnte. Unbekannte Viren, Kriege, Sonnenstürme, die Zerstörung des Ökosystems, den Zusammenbruch der Weltwirtschaft oder auch Künstliche Intelligenzen, die sich gegen uns wenden – und die sogenannten „Unknown Unknowns“, also Gefahren, die wir nicht vorhersehen können, weil wir nicht wissen, dass es sie gibt. Sie könnten der Tropfen sein, der das Fass zum überlaufen bringt.
Wie im Foundation-Zyklus ist es also eigentlich nicht die Frage, ob irgendetwas davon passiert oder ob die Zivilisation kollabiert. Sondern: Wann? Und was passiert, wenn es soweit ist? In der Roman-Reihe stößt der Wissenschaftler Hari Seldon die Gründung einer Organisation an, der Foundation.
Die Foundation soll losgelöst vom Imperium auf einem Planeten am Rande der Galaxie eingerichtet werden. Wissenschaftler, Künstler und Gelehrte sollen dort eine Encyclopedia Galactica erschaffen: eine Sammlung allen Wissens des Imperiums. Sie soll wissenschaftliche Grundlagen, Technologien, Kunst, Kultur, … einfach alles verzeichnen und festhalten – sogar, was in der Zukunft passieren wird (oder zumindest soll).
Es läuft außerdem noch ein geheimer Plan. Die Foundation soll nicht nur das Wissen hüten, sondern auch zur Keimzelle des Wiederaufbaus werden – ein Plan, den Seldon erst enthüllt, als es schließlich dazu kommen soll.
Seldon meint nicht, den Untergang verhindern zu können. Aber er nimmt sich vor, die Zeit des Chaos und der Unsicherheit zu verkürzen. Von Tausenden von Jahren auf nur 600 bis 1.000. Es läuft außerdem noch ein geheimer Plan. Die Foundation soll nicht nur das Wissen hüten, sondern auch zur Keimzelle des Wiederaufbaus werden – ein Plan, den Seldon erst enthüllt, als es schließlich dazu kommen soll.
Einfach wird das Vorhaben nicht. Die Foundation muss sich nach dem Untergang des Imperiums gegen Möchtegern-Reiche erwehren, die aus den Überresten des einstigen Bundes aus Millionen von Planeten emporsteigen. Und auch mit einer mysteriösen zweiten Foundation-Einrichtung muss sie sich befassen. Sie tut dies jedoch nicht mit Waffengewalt, sondern mit Diplomatie, Schläue und Wissen. Denn das neue Imperium soll nicht auf militärischer Macht oder verlustreichen Konflikten aufgebaut werden. Denn: „Gewalt ist die letzte Zuflucht der Inkompetenten“, lässt Asimov in der Buchreihe Salvor Hardin sagen, einen der Leiter des Foundation-Projektes.
Trotz aller Probleme übersteht die Foundation das galaktische Mittelalter. Aber ob und wie das neue Imperium entsteht, darüber schweigt sich Isaac Asimov aus. Als Leser bekommt man es nicht zu sehen. Und vielleicht ist das auch gut so. Denn was Asimov und Seldon vorschwebte, wäre wohl eine Techno- oder Scientokratie gewesen, eine Herrschaft der Wissenschaft und Technik, eine von Mathematik durchdrungene Fassung von Platos Republik. Eine, deren Bestand, durch die Psychohistorik und damit stetige Voraussagen und Lenkungen der Gesellschaft sichergestellt werden soll. Und ob dieses Sternenreich sonderlich lebenswert gewesen wäre? Gute Frage.
Brauchen wir eine Foundation?
Bei all den Katastrophen und pessimistischen Studien, die die kommenden Jahrzehnte prognostizieren, lässt sich dennoch fragen: Wäre eine echte Foundation vielleicht eine gute Idee? Klar, nicht als geheime Organisation mit einer unsicheren Agenda. Aber vielleicht als eine internationale Einrichtung, die das Weltwissen sammelt und dessen Überdauern sicherstellt: eben alles, was Fortschritt, Kunst, Kultur und unser Zusammenleben und unsere Vielfalt ermöglicht und ausmacht. All das würde auch jetzt nicht einfach verschwinden, wird jedoch von jedem Land einzeln in Nationalbibliotheken und Museen gehortet. Oder zum Teil auch von Stiftungen wie Wikimedia und dem Internet Archive, die von Spenden abhängig sind.
In anderen Feldern existieren solche Einrichtungen bereits. Unter anderem wäre da der Global Crop Diversity Trust, der der Bewahrung von Kulturpflanzen und Sicherstellung von Nahrungsmitteln verpflichtet ist. Im Svalbard Global Seed Vault, einem Bunker im norwegischen Spitzbergen, werden von der Institution 4,5 Millionen Samenproben bewahrt – für den Fall, dass Katastrophen, der Klimawandel oder andere Ereignisse Ernten vernichten und Pflanzensorten auslöschen. Es hat sich bereits gezeigt, dass diese Einrichtung eine gute Idee ist.
Aber auch eine echte Foundation wäre keine schlechte Idee, oder? Also eine Einrichtung, die für den Ernstfall – wie auch immer er ausschauen würde – vorausplant, eruiert und kalkuliert, was geschehen müsste, um die zerstörte Zivilisation zu einer neuen Weltgemeinschaft aufzubauen. Und die das dann als politisch neutrale Institution auch in die Wege leiten kann – mittels Diplomatie, Wissen und ruhiger Hand. Sei es auch nur, um in der finsteren Zukunft einen kleinen Hoffnungsschimmer sichtbar zu machen. Einen, der nicht nur auf die Erde beschränkt sein müsste. Denn vielleicht schaffen wir es ja zuvor tatsächlich noch eine Zivilisation zu werden, die nicht nur auf einem einzelnen Planeten zuhause ist.
Was denkt ihr: Brauchen wir eine Foundation? Und wenn dem so ist, wie sollte sie ausschauen und wie sollte sie funktionieren?