Erfinder in Deutschland
Einsichten von Prof. Dr. jur. Erich Häusser (*1930 - †1999)
Präsident des Deutschen Patentamtes a.D. (1976 - 1995)
Erfinder, aber auch Wissenschaftler werden bei uns – soweit sie nicht zum Establishment gehören – nicht mehr mit allen Mitteln unterstützt, gefördert und wegen ihrer Leistungen allgemein anerkannt, sondern vernachlässigt, nicht selten ausgesprochen schlecht behandelt oder – was fast noch schlimmer ist – einfach nicht zur Kenntnis genommen. Dieser Vorwurf trifft nicht nur Führungskräfte in Industrie und Politik, sondern auch die Meinungsmacher in unserer Gesellschaft. Erfinder sind längst nicht mehr Vorbilder, sondern eher Buhmänner der Nation, die wegen ihrer Leistungen auch noch angegriffen werden.
Wo sind die Zeiten, da in einem Lehrbuch des Patentrechts Erfinder als „Lehrer der Nation“ bezeichnet wurden (1906!)? Statt dessen haben wir ohne erkennbare Reaktion hingenommen, dass die Gebrüder Philbert, die selbst Naturwissenschaftler und erfolgreiche Erfinder sind, 1984 ein Buch veröffentlichten mit dem Titel Überleben ohne Erfindungen?“ und dem Untertitel „Deutschland verstößt seine Erfinder“. Es fand sich auch niemand, der dieser aufregenden Feststellung widersprochen hätte. Sie wurde von unseren Entscheidungsträgern überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.
Es sind Unsummen, die an Personalkosten und für Studien, Gutachten und Obergutachten ausgegeben werden, um den Nachweis zu führen, dass von einem Außenseiter erzielte Forschungsergebnisse technisch nichts taugen oder zumindest wirtschaftlich „nicht machbar“ sind.
Ist dagegen eine von außen kommende Erfindung interessant und erscheint sie für ein Unternehmen wertvoll und nützlich, dann wird sie auch ohne Zögern in Anspruch genommen. Und dann wird ebenfalls, nicht nur in Ausnahmefällen, mit hohem Personalaufwand alles getan, um dem Erfinder seine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg seiner Erfindung, den gerechten Lohn für seine Leistung, streitig zu machen oder sie doch so gering wie möglich zu halten. Dabei sind wir wie nie zuvor auf die Leistungsfähigkeit technisch-kreativer Menschen angewiesen, wenn unsere Zukunft auf Dauer gesichert werden soll.
Wir brauchen also Erfindungsreichtum, um für neue Produkte und Verfahren die unverzichtbaren Grundlagen zu schaffen. Es ist deshalb notwendig, kreative Menschen – Forscher, Wissenschaftler und Erfinder – mit allen verfügbaren Mitteln zu unterstützen, sie zu fördern und ihr Ansehen in unserer Gesellschaft wieder zu festigen. Vor allem aber müssen wir ihnen das Erfolgserlebnis der Verwirklichung ihrer Ideen im eigenen Land ermöglichen und ihnen eine faire Behandlung zukommen lassen.
Das alles wird ihnen bisher weitgehend verwehrt. Gelingt es nicht, das dafür ursächliche Kartell der Ignoranz zu durchbrechen, werden wir in durchaus absehbarer Zeit selbst wieder Billiglohnland und gezwungen sein, aus Not erfinderisch zu werden.
Auszug aus „Strukturen des Aufbruchs – Von der Konkurrenzgesellschaft zur Solidargemeinschaft“ herausgegeben von Vladimir Svitak, Hirzel, 2001, ISBN 3-7776-1112-3, Seite 53
Heute ist das natürlich ganz anders - oder ?