Ich habe meine Weltfluchtambitionen nun schon eine Weile hinter mir und fröne illegalen Substanzen nur äußerst selten, verfolge aber den Drogenhandel im Darknet seit vielen Jahren mit großem Interesse. Denn: Hier zeigen sich die neuesten Ecommerce-Trends zuerst. Vor allem lernt man viel über die freie Marktwirtschaft und den Menschen an sich. Und man begreift, wie sehr der Staat als Staatsmacht gerade an Einfluss verliert.
Wer beispielsweise Anfang der 2010er Jahre durch einschlägige Foren im Tornetzwerk gesurft ist, hat die Opioidkrise, die Donald Trump 2017 den medizinischen Notstand ausrufen ließ, mit aller Wucht kommen sehen. Hier waren sie in Massen, die unbescholtenen Bürger der amerikanischen Mittelschicht, die nach einem Footballmatch mit einer Knieverletzung ins Krankenhaus kamen und es als hochgradige Oxy-Junkies wieder verließen.
Und natürlich kam ihnen in ihrer Not das Darknet da gerade recht: Sie mussten sich – wenn der fünfte Arzt irgendwann abwinkte – eben nicht in die zwielichtigen Viertel ihrer erzchristlichen Kleinstadt begeben. Sie informierten sich vor dem Rechner über die Risiken und Nebenwirkungen der Mittelchen und tauschten sich mit anderen Betroffenen aus über die Abgründe ihrer Habits, Best Practices und Hilfe gegen Entzugserscheinungen. Die Preise waren moderat, die Qualität viel besser als auf der Straße und die Lieferzeiten konnten sich messen lassen mit denen von Amazon.
So wird das nix
Als Silk Road, der erste weltbekannte Darknet-Markt, 2013 vom FBI geschlossen wurde, waren am nächsten Tag sofort neue Märkte da, die das berühmte Erbe antreten wollten. Und so geht es Schlag auf Schlag bis heute: Sheep, Black Market Reloaded, Agora, Evolution, Nucleus (in dessen Wallet noch immer 5000 Bitcoin lagern, Betreiber tot oder schlau?), Alphabay, DreamMarket, Wallstreet, Berlusconi, Empire. Einer zu, drei neue auf. Blöde Katz und schlaue Maus.
Denn mit jedem Markt, den die Staatsmacht schließt oder seine Betreiber mit Taschen voller geklauter Cryptos verlassen, wird der Gesamtmarkt klüger. Das Hosting wird stabiler, die Security-Mechanismen raffinierter und das Rezensionswesen der Waren sicherer gegen Manipulationen. Alles wird technisch besser und inhaltlich nuancierter. Inzwischen hat man z.B. erkannt, dass der harmlose Kiffer keine Opiate will, keine geklauten Kredikarten-Credentials und auch erst recht keinen Profikiller. Der Trend geht hier zur sauberen UX und dem ökologischen Touch für besonders nachhaltigen Anbau:
Was also sollte der Staat tun?
Er sollte meines Erachtens zunächst froh sein, dass sich eine solche Infrastruktur etabliert hat: Die Party-Crowd und die Süchtigen leben gesünder, bürgerlicher und sicherer. Die Kiffer entgehen häufiger der Kriminalisierung und entlasten die Polizei, die Gerichte und die Verwaltung. Nur die Mafia verdient sich noch immer dumm und dämlich.
Kontrolliert freigeben, steuerlich partizipieren, Suchtprävention und -begleitung.
Auch Delphine ziehen sich übrigens ab und zu einen Kugelfisch durch:
Wie geht es weiter?
In einem ausgezeichneten, vorurteilsfreien Essay skizziert der Cryptoanarchist, Privacy-Extremist und Darknet-Kenner TheRealSmuggler eine mögliche Zukunft der illegalen Märkte.
https://opaque.link/post/dropgang/
It is likely that future developments in this area will focus on customer convenience. Better homing beacons will be developed, and mass produced in Shenzhen factories to drive down the price.
Another expectation is that messaging services will appear that combine better anonymity for both merchant and customer with integrated payment systems and potentially even dead drop localizing functionality. Reputation tracking is a further feature that is likely to be integrated.
Und weiter:
A plausible next step would be the development of markets for dead drop operators that make their living by picking up product from one dead drop and placing it in another, working as a proxy for the customer to increase his safety and to reduce his efforts. This would also make this distribution model wider spread and available to more products, which will blur the lines between the black and the legal market. On this blurred line new services and technologies will establish themselves, inherently dual use services like lock boxes that can be paid by peer-to-peer cryptocurrencies.
Looking even further into the future, it seems plausible that the whole urban environment might find itself integrated into a dynamic landscape of very short-lived dead drops that are serviced by humans and cheap drones (unmanned aerial vehicles), which are already cheaply available and likely only require one market actor to develop and spread a mechanism to pick up and drop goods. Both merchant and customer could use drones, that are available for rent through dedicated Apps, to deliver product to a meeting point on a roof, where another drone would pick it up. Chaining multiple exchanges like this will make the tracing of the delivery extremely hard, essentially leading to mixing techniques so far used only in anonymizing digital communication.
Er schließt mit:
Continue thinking, what is possible if we combine: 4G/5G mobile internet, anonymous messaging, messaging bots, anonymous and untraceable digital currencies, strong end-to-end encryption, GPS, cheap electronics, 3D printed mechanics, cheap drones - both short distance multicopters and long distance fixed wing, visual processing for navigation, and lots of code.
What is possible if others combine these as well?
We have no idea what that will mean for our societies, good or bad. But we better start thinking how to deal with the effects. And we should ask the right people about it, not those still captured in the 20th century and the lobbying by industry.
Gebt die Drogen frei.