Als der Asteroid Oumuamua auftauchte, faszinierte er nicht nur die ganze Welt, er brachte die Wissenschaft auch zu zahlreichen Theorien und Spekulationen. Da sich das interstellare Objekt aber stets weiter von der Erde entfernt, wird es immer schwerer zu erforschen. Britische Forscher haben daher einen Plan entwickelt, um Oumuamua mit einer Sonde einzuholen.
Von Michael Förtsch
Am 19. Oktober 2017 wurde er vom Pan-Starrs-1-Teleskop des Haleakala Observatoriums auf Hawaii entdeckt und daraufhin weltweit zum Gesprächsstoff. Denn der Asteroid, der 1I/ʻOumuamua getauft wurde, sauste in einer merkwürdigen hakenförmigen Bahn durch unser Sonnensystem. Sie ließ Fachleute schließen, dass er wohl das erste beobachtete Objekt ist, das aus einem anderen Sternensystem kommt – und damit als interstellar klassifiziert werden kann. Spannend machten Oumuamua aber auch andere Merkmale: Er gleicht von der Form her einer 400 bis 800 Meter langen und rund 10 Meter breiten Zigarre, beschleunigte seinen Flug – wohl durch wärmebedingte Ausgasungen – bei der Annäherung an die Sonne, zeigte dabei aber keinen Schweif. Das Benehmen des Asteroiden faszinierte zahlreiche Astronomen und Nicht-Astronomen.
Ein internationales Team hat inzwischen zahlreiche Daten über den Asteroiden ausgewertet und glaubt, dass er von jenseits der Oortschen Wolke kommt. Möglicherweise wurde er bei der Entstehung der Planeten aus seinem Heimatsystem geschleudert. Ein anderes Team versuchte seine Zusammensetzung zu bestimmen und spekuliert, dass sich im Inneren der Zigarre ein Eiskern verbirgt. Doch Oumuamua provozierte auch eher absonderliche Theorien. Beispielsweise, dass es sich bei dem Objekt um eine außerirdische Sonde oder sogar ein Alien-Raumschiff handelt, wie zwei Harvard-Forscher meinen. Sicher ist: Viele Fragen über Oumuamua bleiben offen. Zumindest, wenn das Objekt nicht weiter erforscht werden wird. Doch genau das wird schwierig bis unmöglich werden, da es sich mit hoher Geschwindigkeit von der Erde weg bewegt. Daher schlagen einige Forscher eine Mission zu 1I/ʻOumuamua vor.
Das britische Non-Profit-Forschungsunternehmen Initiative for Interstellar Studies hat mit Project Lyra einen umfangreichen und detaillierten Plan darüber ausgearbeitet – und seit dem Vorbeiflug von Oumuamua erweitert –, wie der Asteroid weiterhin beobachtet und erforscht werden könnte. Dafür soll eine große Sonde losgeschickt und mit der Gravitation des Jupiters und der Sonne beschleunigt werden, um 1I/ʻOumuamua einzuholen. Ein eigener Raketenantrieb soll der Sonde zusätzlichen Schub geben. Denn derzeit bewegt sich der Asteroid mit rund 150.000 Kilometer pro Stunde von der Erde weg – doppelt so schnell wie die Raumsonde Voyager 1. Diesen Vorsprung aufzuarbeiten wäre ein Kraftakt. Doch die Forscher meinen, dass es machbar ist.
Vorerst bleibt all das nur eine Idee
Der Plan der Initiative for Interstellar Studies schlägt vor, die Sonde um 2030 auf den Weg zu bringen. Dadurch ließe sich 1I/ʻOumuamua um das Jahr 2049 erreichen. Laut den Autoren des Project Lyra sei die Mission „unter Verwendung aktueller und baldiger Technologien realisierbar“ und räume genügend Zeit ein, die Mission wissenschaftlich als auch technologisch ausgiebig zu konzipieren. „Wir wissen, dass eine solche Mission zumindest im Prinzip machbar ist“, sagt Adam Hibberd von der Initiative for Interstellar Studies gegenüber dem US-Magazin WIRED. „Die möglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse wären enorm und könnten unsere Sicht auf unseren Platz im Universum grundlegend verändern.“
In der Mai-Ausgabe des Fachmagazins Acta Astronautica will die Initiative for Interstellar Studies einen aktualisierten Fassung ihrer Missionsbeschreibung und der dafür nötigen Sonde vorstellen. Dass diese Mission tatsächlich stattfindet, ist bisher dennoch eher fraglich. Denn auch wenn theoretisch umsetzbar, wäre Project Lyra eine logistische und vor allem finanzielle Herausforderung, die die Initiative for Interstellar Studies selbst keinesfalls stemmen könnte – und auch nicht will.
Das Project Lyra ist daher eher als Vorschlag und Denkanstoß für Raumfahrtbehörden wie die NASA und ESA gedacht – oder auch finanzkräftige Unternehmer, die es sich leisten könnten, eine solche Mission zu finanzieren. Vor vier Jahren stellte etwa der russische Unternehmer Juri Milner mehrere Millionen Euro bereit, um Mini-Raumschiffe mit Lichtsegeln zu konzipieren, die mit einem Laserstrahlen in Richtung Alpha Centauri beschleunigt werden sollen.
Teaser-Bild: ESA/Hubble, NASA, ESO, M. Kornmesser