Das Smartphone ist fast leer? Dann einfach an die nächste Hauswand gehen und das Ladekabel anstöpseln. Das könnte irgendwann möglich sein. Denn Forscher der Washington University haben herausgefunden, wie sich einfache Ziegel in Batterien verwandeln lassen.
Von Michael Förtsch
Wer eine dieser Parkbanken aus Backsteinen an der Bushaltestelle oder im Park um die Ecke hat, der kennt es: Die Dinger heizen sich im Sommer ganz schön auf. Selbst, wenn man sich weit nach Sonnenuntergang daraufsetzt, droht man sich noch den Hintern zu verbrennen. Der Grund? Backsteine sind grandiose Energiespeicher. Zumindest was Wärme angeht. Sie nehmen sie auf, halten sie und geben sie nur langsam wieder in die Umgebung ab. Laut Forschern der Washington University in St. Louis, Missouri, könnten sie aber auch einen guten Stromspeicher darstellen – und damit ein Baustein für die Stromversorgung der Zukunft werden. Denn über Umwege könnten die Klinker durchaus Wohnungen mit Elektrizität versorgen, indem sie in sogenannte smart bricks verwandelt werden.
Die Wissenschaftler kauften für ihre Untersuchungen ganz einfache Ziegelsteine in einem Baumarkt, für 65 Cent pro Stück. Diese bedampften sie dann bei hohen Temperaturen mit einer speziellen Beschichtung aus Nanofasern. Genauer gesagt: mit dem Polymer Poly-3,4-ethylendioxythiophen – kurz PEDOT –, das bislang vor allem in der Solartechnik und der Konstruktion von speziellen Sensoren genutzt wird. Zusätzlich wurden die Steine in einer Flüssigkeit mit PEDOT-Fasern getränkt, die dadurch bis ins Innere der Steine eindrangen und sich dort mit dem Eisenoxid – also: Rost – in den Ziegeln verbanden. So werden die Backsteine zu Kondensatoren.
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Jetzt Mitglied werden!„Die Polymerschicht bleibt im Backstein und dient als eine Art Ionenschwamm, der Elektrizität speichert und leitet“, schreibt das Team um den Chemiker Julio D’Arcy in der Studie, die gerade im Fachblatt Nature veröffentlicht wurde. Dadurch funktionieren die Backsteine ähnlich wie eine Batterie. Selbst wenn die Energiedichte und Speicherkapazität nicht gerade überragend ist, sei sie doch „substanziell“. Dadurch könnten die intelligenten Backsteine vielfach Anwendung finden, glauben die Forscher. Zumal sie absolut sicher und langlebig sein sollen. Die Beschichtung mache sie Wasserdicht und garantiere, dass sie selbst bei Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius als Energiespeicher funktionieren.
Noch müssen sie verbessert werden
Das Team der Washington University meint, dass die Backsteine in der Masse durchaus einen Unterschied machen können. Im Test konnten die Wissenschaftler mit einem Ziegel bereits eine LED-Leuchte betreiben. Kombiniert mit einer Solaranlage, sagen sie, könnte in Zukunft schon eine Wand eines Bürogebäudes, in die gerade einmal 50 der smart bricks verbaut sind, bei einem Stromausfall die Notbeleuchtung für rund fünf Stunden am Laufen halten. „Wir können uns eine bereits montierte Wand schnappen und sie nachträglich in eine unserer Energiespeichereinheiten umwandeln“, sagt D’Arcy. „Man kann einfach die Anzahl der Ziegelsteine erhöhen und dadurch die Menge der speicherbaren Energie“
Weitergedacht wären also komplette Wände, Parkbänke oder auch Plätze vorstellbar, mit denen sich das Smartphone laden oder eine Reihe von Straßenlaternen betreiben lassen – oder Netzwerke von Sensoren, die Wetter und Luftqualität messen. Ein großer Vorteil der Batterie-Steine sei zudem, dass sie sehr viele und schnelle Ladezyklen überstehen, ohne Kapazität zu verlieren. Laut Julio D’Arcy könne eine Wand aus den Ziegeln Hunderttausende Male pro Stunde auf- und entladen werden. Etwas, das bei klassischen Batterien schnell zur Verschlechterung der Speicherfähigkeit führen würde.
Bevor jedoch erste smart bricks verbaut werden, meint das Team, müsse das Verfahren zur Produktion der Energieziegel noch verbessert werden. Denn wenn statt Ziegeln aus dem Baumarkt speziell für die Energiespeicherung produzierte Ziegel verwendet werden, die bestimmte Mineralien und Materialien enthalten, ließe sich eine ungleich höhere Speicherkapazität und Speicherdauer erreichen. Laut Julio D’Arcy solle es das Ziel sein „die Ziegel zum bestmöglichen Energiespeichereinheiten zu machen“.