Es klingt nach einer irren Zukunftsvision, wie man sie aus Science-Fiction-Filmen oder Videospielen kennt: Irre Schwebefahrzeuge rasen über Rennstrecken, rauschen über Schluchten hinweg und überholen einander mit gigantischen Sprüngen. Aber genau das ist’s, was ein australisches Start-up bereits im kommenden Jahr in die Realität umsetzen möchte.
Von Michael Förtsch
Wer mit einer PlayStation aufgewachsen ist, kennt diese abgefahrenen Szenen wahrscheinlich. Futuristische Fahrzeuge schweben leise surrend in einer Startaufstellung und schießen dann fauchend los. Sie kreischen um enge Kurven, springen in hohen Bögen übereinander hinweg um rammen einander bis die Funken fliegen. Genau das war die futuristische Vorstellung, die die Macher des Videospiels Wipeout schon vor fast 25 Jahren von der Zukunft der Autorennen hatten. Wie’s scheint, könnten sie damit Recht behalten.
Der Airspeeder Mark IV, der erst Ende Juli auf dem Goodwood Festival of Speed vorgestellt worden war, lässt tatsächlich an die Antigraviationsrenner aus dem Videospiel denken. Er besteht aus einer schlanken Kapsel mit einer langen Motorhaube und einem schmalen Cockpit. Er ist offensichtlich an klassische Rennwagen wie den Lotus 49 und Konzeptfahrzeuge wie den Mercedes W 196 R angelehnt. Mittig und an der Front greifen Streben heraus. Sie tragen die insgesamt acht Rotoren-Elemente, die den Airspeeder vollends elektrisch in die Luft heben.
Fast vier Jahre hat Alauda Racing, das in Australien gestartete aber nun auch in den USA und Großbritannien angesiedelte Start-up hinter Airspeeder, an dem Multikopter gewerkelt. Dabei sind mehrere mehr oder minder stabile Prototypen entstanden, die, wie die Macher vergleichsweise schonungslos und mit viel Humor auf Youtube dokumentierten, mal mehr, mal weniger stabil durch die wüste Landschaft im Outback gesegelt sind. Mittlerweile soll die Technik aber einsatzbereit sein, behaupten die Macher, um „einen ganz neuen Rennsport“ zu begründen.
Denken in drei Dimensionen
„Ums ganz knackig zu formulieren: Mit Airspeeder wollen wir die Formel 1 für fliegende Autos schaffen“, sagt Jack Withinshaw von Airspeeder zu 1E9. Bereits Ende des kommenden Jahres soll es mit dem 2020 Airspeeder Grand Prix losgehen. Und das obwohl der erste bemannte Testflug des vier Meter langen und fast ebenso breiten Konzept-Prototypen noch bevorsteht. „Als Heny Ford damals sagte, 'Das Autorennen begann fünf Minuten, nachdem das zweite Auto gebaut worden war ', sprach er davon, dass Menschen immer schon das Bedürfnis hatten, sich in Maschinen miteinander zu messen“, meint Withinshaw. „Wir sehen Airspeeder als die Evolution davon – als Weiterentwicklung des traditionellen Motorsports.“
Optisch sollen die Airspeeder modern aber auch irgendwie retro erscheinen. Daher holten sich die Designer Anleihen und Inspiration bei Rennwagen von den 50er- bis 70er-Jahren. Technisch hingegen sollen die Flitzer hochmodern sein.
Das soll vor allem eines werden: total spektakulär. Pro Rennen sollen je fünf Teams mit je zwei Airspeedern antreten. Und das in „ikonischen Orten“, wie Withinshaw sagt. Welche das sein werden, das mögen die Alauda-Racing-Mitarbeiter noch nicht im Detail verraten. Aber wie der Alauda- und Airspeeder-Gründer Matt Pearson bereits in vergangenen Interviews angedeutet hat, will er die Flugautos in vier bis 30 Metern Höhe durch Canyons, über Klippen hinweg und um Inseln fliegen sehen. Die Herausforderung für die Piloten wäre, wie Pearson sagt, dabei, „nicht nur in zwei, sondern in drei Dimensionen die Ideallinie“ zu finden, die ihnen den entscheidenden Vorteil gibt.
Aber ebenso müssten die Piloten generell das Umdenken lernen. Denn überholt werden kann eben nicht nur links und rechts, sondern auch oben und unten. Damit in all der Hektik und ohne eindeutig markierte Rennstrecke nicht doch die Orientierung verloren geht, sollen die Piloten visuell unterstützt werden. Auf einem Augmented-Reality-Head-up-Display im Cockpit der Flugflitzer soll stetig ein virtueller Rennkorridor eingeblendet werden, der den Streckenverlauf zeichnet und anzeigt, wenn ein Airspeeder darüber hinausschießt.
Spektakel und Gefahr
Rund 30 Minuten soll ein Rennen mit den Airspeedern jeweils dauern. Wobei jeder Pilot mindestens einen Boxenstopp einlegen muss. Rotoren müssen dabei wohl nicht gewechselt werden – wohl aber die 500-Kilowattstunden-Batterie. Denn die leert sich bei Volllast in nur 15 Minuten. Zwar gäbe es einen kleinen Puffer und eine Ausfallbatterie. Doch wer nicht rechtzeitig in die Box kommt, der riskiert schonmal eine Notlandung.
Auch sonst könnten die Rennen durchaus brenzlig werden. Die Airspeeder sollen einander manchmal ziemlich nahekommen. Damit aus diesen riskanten Situationen keine allzu gefährlichen Momente oder sogar Crashs werden, soll eine Software sorgen. Ein Programm für Kollisionsvermeidung würde die Rennfahrzeuge stets mit Position und Lage im Blick behalten – und eine Art virtuelles Schutzschild um sie legen. Kommen sie einander zu nahe, so Withinshaw, korrigiert das Programm den Kurs, lenkt gegen und stellt sicher, dass sie „physisch nicht aufeinandertreffen.“
Dazu wären die Piloten „rigoros trainierte Athleten“, wie Withinshaw beteuert. Aber vollends auszuschließen sind Unfälle natürlich nicht. Die Software kann versagen, Fehler machen und manche Situationen werden sich trotz beherztem Eingreifen einfach nicht vermeiden lassen. In solchen Fällen sollen dann das aus einem Stück Karbonfaser gefertigte Cockpit, mehrere Airbags und weitere Notfallsysteme Schlimmeres verhindern. Krachen die Piloten also auf den Boden, werden sie von einem Kissen aus Luftbeuteln eingehüllt sein. So lautet jedenfalls der Plan.
Nicht der einzige Zukunftsrennsport?
Bevor aber wirklich erste Menschen in den fliegenden Kisten um die Wette rauschen, steht für Alauda Racing noch einiges an. In der australischen Wüste von Coober Pedy soll diesen September ein erstes Rennen mit verkleinerten und ferngesteuerten Prototypen abgehalten werden. Dabei sollen sich auch die Sicherheits- und Leitsysteme bewähren. Ebenso sollen über die kommenden Monate noch Sponsoren an Bord geholt werden, die, wie auch bei anderen Autorennen, die teuren Veranstaltungen erst finanzierbar und in alle Welt übertragbar machen. Bislang konnte das Start-up immerhin schon den Paketgiganten DHL und den Finanzdienstleister Equals gewinnen.
Halsbrecherisch anzusehen aber ungefährlich für die Piloten sollen die Rennen werden. Das versprechen zumindest die Planer.
Geht’s nach dem Airspeeder-Gründer Matt Pearson hätten die Airspeeder-Rennen das Zeug dazu, der „meist geschaute Sport in der Welt“ zu werden. Denn die bringen die futuristische Ästhetik und Geschwindigkeit von Videospielen und Drohnen-Rennen mit dem echten Können und dem Anspruch von Formel-1- und Formel-E-Rennen zusammen. Aber, so schränkt sein Kollege Withinshaw ein, „ist’s letztlich an den Zuschauern zu entscheiden“, ob es ein Erfolg wird.
Genauso schaut es auch für andere teils schräge und erst durch die technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre möglich gewordenen Rennsportideen aus. In Roborace sollen alsbald von verschiedensten Teams entwickelte Künstliche Intelligenzen anstelle von menschlichen Fahrern in futuristischen Rennwagen gegeneinander antreten. Die Macher hinter dem Prosthesis Mech Racing wollen menschliche Kontrahenten in gigantische Roboter-Lauf-Maschinen spannen, um sie um die Wette rennen zu lassen.
Und natürlich ist da noch die Drone Champions League, bei der Miniatur-Drohnen mit Höchstgeschwindigkeit durch vollkommen irre Parcours gescheucht werden. Trotzdem glaubt Withinshaw, dass Airspeeder gegenüber diesen einen unschlagbaren Vorteil hat. „Bei einem sind wir uns wirklich echt sicher“, sagt er. „Es gibt weniges, das cooler ist, als ein Hochgeschwindigkeitsrennen mit fliegenden Autos!“