Erdbeben und Tsunamis auf der Spur

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Tektonische Plattenbewegungen, brechende Felsen und sich auftürmende Tsunamiwellen: Ein Forschungsteam um die Seismologin Dr. Alice-Agnes Gabriel, Professorin am Lehrstuhl Geophysik der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU), spürt mit Hilfe von High Performance Computing (HPC) der Entstehung von Erdbeben und Tsunamis nach – und entwickelt die Grundlagen für ein Warnsystem vor Naturkatastrophen. Vor Kurzem hat es seine Ergebnisse in der Zeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht: „Das Wachstum der HPC-Hardware hat diese Arbeit erst ermöglicht", sagt Gabriel. „Wir müssen die Funktionsweisen von Megaschubstörungssystemen verstehen, das hilft uns, die Gefahren in Subduktionszonen besser einzuschätzen. Es ist unklar, welche geologischen Verwerfungen tatsächlich Erdbeben der Stärke 8 und mehr hervorrufen und das Risiko für die Entstehung eines Tsunamis erhöhen können.“ Bei Erdbeben und Tsunamis wirken unterschiedlichste Kräfte zusammen: die Verschiebung von tektonischen Platten, physikalische Gesetze, durch die Felsen unter höchster Belastung brechen und abrutschen, sowie die Ausbreitung und das Wachstum von Wellen. Nicht jedes Erdbeben löst zudem einen Tsunami aus, die Stärke der Beben spielt eher eine Nebenrolle. Solche komplexen Zusammenhänge zu berechnen, erfordert hohe Rechenleistungen. In den letzten Jahren hat das Team an den Supercomputern – SuperMUC und SuperMUC-NG – des Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) aus Messwerten und Daten hochauflösende Simulationen von diversen Erdbeben-Tsunami-Katastrophen geschaffen (etwa vom Seebeben am 26. Dezember 2004 im Indischen Ozean mit der verheerenden Tsunamiwelle, s. Karte), und dabei die zugrunde liegenden Codes immer weiter verfeinert. Am SuperMUC-NG konnte es nun mehrere Modelle miteinander vereinen, und diese detaillierte Simulation weist auf drei wesentliche Merkmale hin, die das Entstehen von Tsunamis maßgeblich bestimmen: die Spannung entlang der Verwerfungslinie an tektonischen Platten, die Steifigkeit des Gesteins und die Festigkeit der Sedimentschichten. Inzwischen arbeitet das Team daran, mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens noch mehr Wissen aus den Erdbeben-Daten zu ziehen, seine Modelle weiter zu verbessern und diese für die Supercomputer der nächsten Exascale-Generation vorzubereiten. „Wir brauchen physikbasierte HPC-Modelle für Urgent Computing, damit wir nach gefährlichen Ereignissen schnell reagieren können“, gibt Gabriel die Richtung vor. „Wenn Wissenschaftler:innen wissen, welche geologischen Strukturen Georisiken verursachen können, können wir uns darauf verlassen, dass einige dieser Modelle Informationen zur Gefahrenbewertung und zur operativen Gefahrenabwehr liefern.“

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Die Karte zeigt die Ausbreitung des verheerenden Erdbebens und der bislang größten Naturkatastrophe, die am 26. Dezember 2004 den Indischen Ozean erschütterte, bei der rund 250.000 Menschen umkamen und weite Teile der Küstenregionen zerstört wurden. Karte: M. Werner/Wikimedia

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