Eine britische Klinik behandelt Krypto-Sucht – und verzeichnet einen Ansturm von Betroffenen

Im schottischen Schlossbau Castle Craig gibt es die weltweit erste Klinik, in der sich Menschen behandeln lassen können, die süchtig nach dem Handel mit Kryptowährungen sind. Die Nachfrage nach Therapieplätzen ist groß.

Von Michael Förtsch

Wer rechtzeitig investiert hat, konnte viel Geld machen. Die Werte von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether, Litecoin, Dogecoin und anderen sind in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen. Und Kryptobörsen wie Coinbase, Kraken und weitere machen den Handel mit den digitalen Währungen für alle möglich. Wie Psychologen mittlerweile feststellen, kann das Handeln mit Kryptowährungen aber zu einem pathologischen – sprich: suchtartigen und zwanghaften – Verhalten führen. Ganz ähnlich wie es bei Glückspielen, Wetten oder auch dem Handel mit Aktien der Fall sein kann. In einem Castle Craig genannten Anwesen in Schottland hat der Therapeut Anthony Marini vor drei Jahren eine Behandlung gestartet, die sich auch dediziert der Krypto-Sucht annimmt.

Wie Decrypt nun berichtet, hat die Zahl der Therapieplatzanfragen seit dem Ende des letzten Jahres dramatisch zugenommen. Es würden sich zehnmal so viele Personen um eine Behandlung bewerben wie in den Jahren zuvor. Die Krypto-Sucht geht laut Marini oft mit Alkohol- und Drogenmissbrauch einher, wie beispielsweise bei Steven Elphinstone, mit dem das Magazin gesprochen hat. Er habe seit dem Start seines Kryptohandels „hunderte von Bitcoin gekauft und verloren“ und im Zuge dessen begonnen, massiv Cannabis, LSD, Amphetamine und andere Rauschmittel zu nehmen. Ein weiteres Element sei bei vielen Patienten eine Isolation, die sich vor allem bei großen Verlusten durch die Geschäfte einstellt.

Die Betroffenen würden oft Tag und Nacht vor dem Rechner oder am Smartphone sitzen, um die Kurse zu checken, Coins und Token zu kaufen und zu verkaufen und dabei Angst-, Panikattacken und Schweißausbrüche erleiden, wenn sie Schwankungen in den Werten erleben oder akute Verluste machen. Viele würden unter Schlafmangel leiden. Laut Marini wären das auffällige Parallelen zu Patienten, die eine Glücksspielsucht durchmachen. Oft beginne die Sucht damit, dass die Betroffenen Kryptowährung erwerben, um etwas im Darknet zu kaufen und dann „etwas Spielgeld“ investieren. Bei anderen sei ein Jobverlust und die Hoffnung, mit Kryptowährungen schnell Gewinn zu machen, der Einstieg in die Sucht gewesen.

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Keine Einigkeit

Derzeit sollen acht oder neun von den 50 Patienten im Castle Craig wegen einer Krypto-Sucht in Behandlung sein. Die kämen nicht nur aus Schottland und Großbritannien, sondern auch dem Rest der EU und den USA. Der Vergleich der Krypto-Sucht mit einer Spielsucht ist nicht unumstritten. Andere Psychologen und Psychotherapeuten wie Dylan Kerr, der sich ebenfalls mit Krypto-Sucht und ihren Betroffenen befasst, sieht auch Unterschiede zur Spielsucht, die bedacht und adressiert werden müssten. „Obwohl es im Grunde eine Form des Glücksspiels ist, ist es das nicht“, so Kerr gegenüber Decrypt .

Laut Kerr würden beispielsweise die sozialen Medien eine große Rolle bei der Krypto-Sucht spielen. Die konstante Präsenz von Kryptowährungen würde einen indirekten Druck ausüben und ein Gefühl erzeugen, eine große Chance zu verpassen, wenn man nicht in diesen oder jenen Coin investiere. Ebenso sei der Handel mit Kryptowährung nahezu immer und jederzeit möglich. Kerr berät und behandelt unter anderem professionelle Händler, die sich aufgrund des Kryptohandels ausgebrannt und depressiv fühlen – und zum Teil durch ihre Sucht auch große Summen verloren haben.

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