Ein Google-KI-Forscher sagt, menschengleiche Künstliche Intelligenz ist bald machbar

Das Google-Unternehmen Deep Mind hat ein KI-System vorgestellt, das nicht nur eine spezielle Fähigkeit besitzt, sondern sowohl chatten, Videospiele spielen und Bilder analysieren kann. Laut einem der Entwickler sei der Weg zu einer KI nicht mehr weit, die dem menschlichen Gehirn gleichkommt. Jedoch sind andere Wissenschaftler anderer Ansicht.

Von Michael Förtsch

Eine Künstliche Intelligenz, die denken kann, wie ein Mensch. Das ist für viele Wissenschaftler sowohl Traum als auch Albtraum zugleich. Eine sogenannte Artificial General Intelligence – oder auch allgemeine Künstliche Intelligenz – könnte anders als heutige KIs nicht nur bestimmte einzelne Aufgaben erledigen, sondern viele verschiedene. Und vor allem: Sie könnte ohne Hilfe und Anleitung ganz neue Fähigkeiten hinzulernen, sich selbst optimieren und vielleicht sogar ein Bewusstsein erlangen. Laut Nando de Freitas, Leitender Forscher bei der Google-KI-Firma Deep Mind, sei das keine Spinnerei, sondern ein Durchbruch, der noch in dieser Generation stattfinden könnte. Das behauptet er zumindest in Reaktion auf eine Kolumne des Technologiejournalisten Tristan Greene, der nach der Vorstellung des Deep-Mind-Projektes Gato äußerte, er fürchte, dass „die Menschheit niemals eine AGI“ erschaffen werde.

Bei Gato handelt es sich um ein System, das mehrere spezialisierte Fähigkeitsmodule in einem sogenannten Generalist AI Model zusammenfassen kann. Solche Modelle speichern das gelernte Wissen einer KI. „Gato kann Dialoge führen, Bilder beschriften, Blöcke mit einem echten Roboterarm stapeln, Menschen beim Spielen von Atari-Spielen übertreffen, in simulierten 3D-Umgebungen navigieren, Anweisungen befolgen und vieles mehr“, so Deep Mind. Nichts davon kann Gato wirklich gut, aber es beherrscht verschiedene Fertigkeiten, während andere KIs eben oft nur eine Fähigkeit besitzen. Gato ist damit keine Artificial General Intelligence, sondern ein Generalist Agent, wie die Entwickler es nennen.

Laut Tristan Greene ist Gato jedoch vor allem eine Art Illusionist. Es sei eine KI die vorgebe, multifunktional wie ein Mensch zu arbeiten, aber in ihrem grundlegenden Konzept dennoch genauso begrenzt sei wie andere KIs auch. Es bestehe etwa kein großer Unterschied zum Text-Generator GPT-3 von OpenAI, der zwar Texte verfasst, die genauso gut von einem Menschen stammen könnten, aber nicht intellektuell erfassen oder verstehen kann, was er schreibt. Wenn es nach Nando de Freitas geht, ist das falsch.

Echte Intelligenz?

Nando de Freitas schrieb auf Twitter, dass der Schritt hin zu einer Artificial General Intelligence nur noch eine Sache der Skalierung sei. „Es geht darum, diese Modelle größer, sicherer, recheneffizienter, schneller bei der Abtastung, intelligenter im Speicher […] zu machen“, so der Deep-Mind-Forscher. „Die Lösung dieser Skalierungsprobleme wird die Grundlage für AGI bilden.“ Nach Ansicht von Nando de Freitas heiße es „Game Over“ was das Wettrennen um die Erschaffung einer echten Künstlichen Intelligenz betrifft – Google beziehungsweise Deep Mind würde gewinnen.

Andere KI-Forscher sind da jedoch gänzlich anderer Ansicht. Der renommierte KI-Forscher Gary Marcus bezeichnet das, worauf Deep Mind und auch OpenAI hinarbeiten nicht als Artificial General Intelligence, sondern Alt Intelligence. „Bei Alt Intelligence geht es nicht darum, Maschinen zu bauen, die Probleme auf eine Weise lösen, die mit menschlicher Intelligenz zu tun hat“, so Marcus. „Es geht darum, riesige Datenmengen – oft aus dem menschlichen Verhalten abgeleitet – als Ersatz für Intelligenz zu nutzen.“ Das sei etwas, was mit größeren, effizienteren Modellen und schnellerer Hardware erreichbar sei.

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„Es ist per se nichts Falsches daran, [die Entwicklung von] Alt Intelligence zu verfolgen“, meint Marcus. Aber es sei nicht der Sprung hin zu einer echten Intelligenz, die der eines Menschen gleicht. Dafür brauche es weitaus mehr: Es brauche Methoden, um kognitive Funktionen eines Gehirns und den Denkprozess selbst nachzubilden. Andere KI-Forscher sind durchaus ähnlicher Ansicht und sehen beispielsweise die Notwendigkeit, Künstlichen Intelligenzen die Fähigkeit zu verleihen, ihre eigenen Daten neu klassifizieren und umzuorganisieren zu können, um letztlich neue Schlussfolgerungen zu ziehen und abstrakte Konzepte zu entwickeln. Sie müssten das Nachdenken lernen.

Wie, wann und ob eine Artificial General Intelligence tatsächlich machbar ist, da gehen die Einschätzungen ziemlich weit auseinander. Laut einer Befragung glaubt eine Mehrheit von fast 1.000 KI-Forschern, dass die erste AGI vor dem Jahr 2060 möglich sei. Eine weitere große Gruppe geht davon aus, dass eine solche Künstliche Intelligenz erst nach 2090 machbar ist – oder sogar gar nicht. Wie die Autoren der Befragung anmerken, seien KI-Forscher aber immer schon sehr optimistisch gewesen. Bei einer früheren Umfrage unter 550 KI-Forschern von 2012/2013 waren ganz zehn Prozent überzeugt, dass bereits 2022 eine AGI möglich wäre.

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Titelbild: Shutterstock / Pixel-Shot

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