Unkrautvernichtungsmittel können nicht nur die Gesundheit schädigen. Sie tragen auch zu immer schlechterer Qualität der Böden bei. Deshalb hat das amerikanische Start-up Carbon Robotics nun eine technische Alternative zu Pflanzengift entwickelt: einen autonomen Roboter, der Unkraut per Laser beseitigt.
Von John Koetsier
Der Nährstoffgehalt unseres Gemüses ist in den letzten zwei Jahrzehnten um 40 Prozent gesunken. Das sagt Paul Mikesell, der Gründer von Carbon Robotics. Die Gesundheit unserer Böden leide außerdem unter dem immer stärkeren Einsatz von Herbiziden. Und Landwirte seien zunehmend besorgt über die langfristigen Auswirkungen, die das ständige Versprühen von Chemikalien über den Feldern, auf ihre Gesundheit haben könnte. Doch das Unkraut von den Ackern nicht zu entfernen, würde die Hälfte der Ernte kosten – und es unmöglich machen, rentabel zu arbeiten.
Die Lösung des Start-ups: ein autonom-fahrender Landwirtschaftsroboter, der pro Stunde 100.000 Unkräuter vernichten kann. Per Laser. „Wir wollten herausfinden, ob es einen besseren Weg gibt, [Unkraut zu beseitigen]“, sagt Paul Mikesell kürzlich in einer Folge des TechFirst -Podcasts. „Was wir dabei relativ früh entdeckten, ist, dass wir durch den Einsatz von Hochleistungs-Energiesystemen – also Lasern, die im Wesentlichen eine Möglichkeit sind, gezielt Energie abzugeben – dieses Unkraut abtöten können. Dank unseres Computer-Vision- und Deep-Learning-Know-hows ist es uns möglich, in Echtzeit zu erkennen, was ein Unkraut und was eine Nutzpflanze ist – und das Unkraut zu vernichten.“
Mangelnde Bodenqualität als existenzielle Bedrohung
Die schlechte Qualität der Lebensmittel, aber auch die gefährdete Gesundheit der Landwirte sind große Probleme. Eine möglicherweise existenzielle Bedrohung stellt allerdings die mangelhafte Bodenqualität dar: Ohne die Fähigkeit, Lebensmittel zu produzieren, wird selbst eine reiche, moderne, technologische Gesellschaft zusammenbrechen. Die American Society for Horticultural Science, also die Amerikanische Gesellschaft für Gartenbauwissenschaften, stellte bereits fest, dass es „Hinweise darauf gibt, dass einige Nährstoffe in Obst und Gemüse in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich abnehmen“. Und das Magazin Scientific American berichtet, dass „Pflanzen, die vor Jahrzehnten angebaut wurden, viel mehr Vitamine und Mineralien enthielten als die Sorten, die die meisten von uns heute bekommen“.
Ein zentraler Grund dafür? Der Boden ist ausgelaugt.
Unkraut lässt sich immer schwerer bekämpfen, da Sorten überleben, die gegen Bekämpfungsmittel resistent sind, und die Hersteller von Herbiziden daher gezwungen sind, immer stärkere Chemikalien zu entwickeln. Das hat potenzielle Auswirkungen auf die Gesundheit der Landwirte – immer wieder wird diskutiert, ob Chemikalien wie Glyphosat zu Krebs und Paraquat zu Parkinson führen könnten – und es hat ernsthafte Konsequenzen für die Bodenqualität. „Was mit der Zeit mit dem Land passiert, ist, dass wir einen Großteil der essenziellen Mikrobakterien im Boden zerstören. Wir verändern die Art und Weise, wie die Dinge im Boden zerfallen, und das verursacht eine Reihe von langfristigen Problemen in Hinblick auf die Gesundheit des Bodens“, sagt Paul Mikesell von Carbon Robotics.
Doch Neben menschlicher Arbeit, die nicht skalierbar ist, sind Herbizide so ziemlich die einzige Lösung, um das Unkrautproblem zu lösen. Zumindest bis der autonome Laser-Unkrautentferner von Carbon Robotics kam. Er verfügt über nicht weniger als acht unabhängig voneinander ausgerichtete 150-Watt-Laser, die normalerweise zum Schneiden von Metall verwendet werden und 20-mal pro Sekunde feuern können. Geführt werden sie von 12 hochauflösenden Kameras, die mit KI-Systemen verbunden sind, die gute Pflanzen von schlechtem Unkraut unterscheiden können.
Der Laser-Unkrautentferner steuert sich selbst mit Hilfe von Computer Vision, findet die Furchen in den Feldern, positioniert sich selbst mit GPS und sucht mit LIDAR nach Hindernissen. Er fährt acht Kilometer pro Stunde und kann 15-20 Hektar an einem Tag jäten. „Er ist in der Lage, zu sagen (…) ‚das ist Spinat‘, also eine Pflanze, die jemand anbauen könnte, und ‚das ist Portulak‘, also Unkraut, das jemand vielleicht vernichten möchte“, sagt Mikesell.
„Es ist wichtig, dass wir Unkraut und Kulturpflanzen kennen, denn die Landwirte arbeiten im Wechsel. Man baut zum Beispiel Karotten an, also ist das Feld voll mit Karotten. Man baut die Karotten an, erntet sie, schickt sie auf den Markt und macht hoffentlich einen guten Gewinn. Und danach pflanzt man Zwiebeln an. Im ersten Szenario waren die Möhren die Ernte, und alles, was keine Möhre ist, sollte vernichtet werden. Im zweiten Szenario sind die Karotten jetzt Unkraut. Wenn noch Möhren übrig sind, will man sie vernichten, um die Zwiebeln zu schützen. Unsere Maschinen wissen also, was sie gerade sehen, und können sagen: ‚Okay, es ist Zwiebel-Zeit, zerstören wir die Karotten‘.”
Auf einem Feld fährt die Maschine autonom, menschliches Eingreifen ist dann erforderlich, wenn sie zwischen den Feldern bewegt werden soll – oder irgendetwas sehr kompliziertes erledigen muss. Carbon Robotics ist Sicherheit wichtig. Die Landwirte können mit GPS-Koordinaten einen Geozaun festlegen, über den die Maschine nicht hinausfährt. Sie arbeitet auch nachts, mit leistungsstarken Scheinwerfern, die das Erntebeet beleuchten. So können die Kameras die Pflanzen deutlich sehen und die Computersysteme sie identifizieren. Wie gut es funktioniert? „Es ist sehr effektiv“, sagt Mikesell. „Wir haben das jetzt über mehrere Saisons hinweg gemacht. Die Landwirte sind begeistert, und wir konnten ihnen eine Menge Geld bei der Unkrautbekämpfung sparen.“
Die Automatisierung der Landwirtschaft nimmt weiter zu
Carbon Robotics kommt gerade aus der Prototyp-Phase heraus und startet jetzt mit der Vermarktung seines Roboters. Das Unternehmen hat eine Series-B-Finanzierungsrunde abgeschlossen und von Investoren 27 Millionen Dollar erhalten, die in den Ausbau des Vertriebs, den Support, die Entwicklung und den Start einer Marketingkampagne fließen soll. Die meisten Verkäufe gelangen bisher über Mundpropaganda, sagt Mikesell.
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Jetzt Mitglied werden!Wie bei allen neuen Technologien wird der endgültige Beweis ihres Nutzens wohl erst in einigen Jahren erbracht sein, wenn die Landwirte sie zunehmend anwenden und auf die Probe stellen. Doch da Herbizide teuer sind, gibt es neben den Gesundheits- und Sicherheitsgründen auch einen wirtschaftlichen Anreiz, neue Wege zu gehen. Und eine Lösung für die Unkrautkontrolle, bei der kein Herbizid – also kein Gift für einige Pflanzenarten – müsse einfach positiv aufgenommen werden.
Laut Mikesell wird sich noch viel tun. Die landwirtschaftlichen Betriebe der Zukunft werden viel stärker automatisiert sein, sagt er. „Eines der großartigen Dinge an Landwirten ist, dass sie sehr innovativ sind. Wenn man sich also mit jemandem zusammensetzt und darüber redet, welche Dinge ein Problem darstellen, ist das nur der Anfang. Welche Dinge könnten ihrer Meinung nach automatisiert werden? Darüber werden sie stundenlang mit Ihnen reden können. Einige dieser Ideen werden in relativ naher Zukunft erste Früchte tragen, und so haben wir eine Reihe von Dingen, an denen wir arbeiten werden. Und ich hoffe, dass wir in fünf Jahren in der Lage sein werden, so viel in der Landwirtschaft zu automatisieren, wie die Leute es von uns erwarten, und so viel wie wir können, um wirklich hilfreich zu sein.“
Von John Koetsier via The Story Market . Dieser Artikel erschien zuerst bei Forbes und wurde von 1E9 ins Deutsche übersetzt. Titelbild: Getty Images
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