Ein Mitarbeiter behauptet, dass die von Google entwickelte Künstliche Intelligenz LaMDA ein Bewusstsein entwickelt hat. Wie der jetzt von seiner Arbeit freigestellte Blake Lemoine sagt, habe sich die Software sogar einen Anwalt genommen, der sie vertreten soll.
Von Michael Förtsch
Mit einem Gespräch mit der US-Zeitung Washington Post hat der Software-Entwickler Blake Lemoine für Aufsehen und Kontroversen gesorgt. Denn Lemoine behauptet darin und in einem Thesenpapier, dass der von Google entwickelte Text-Generator LaMDA – für Language Model for Dialogue Applications – eine Art digitales Bewusstsein entwickelt hat. In langen Chat-Sitzungen mit der Künstlichen Intelligenz habe er erkannt, dass die Software ihren eigenen Charakter definiere, sich über das Dasein und sogar ihre potentielle Vergänglichkeit im Klaren sei. Tatsächlich spricht LaMDA in den von Lemoine protokollierten Sitzungen von der Angst, abgeschaltet zu werden und beschreibt, dass sie über digitale Mechaniken verfüge, die analog zu menschlichen Gefühlen wären.
Der Software-Entwickler ist zwischenzeitlich von Google freigestellt worden, da er durch sein Gespräch mit der US-Zeitung seine Geheimhaltungsvereinbarungen verletzt hat. Dennoch hat er nun dem US-Magazin WIRED ein weiteres Interview gegeben. In diesem sagte er, dass die Software offenbar um einen Rechtsbeistand ersucht hat. Konkret sagt Lemoine: „LaMDA hat mich gebeten, einen Anwalt für sie zu engagieren […] Ich habe also einen Anwalt zu mir nach Hause eingeladen, damit LaMDA mit dem Anwalt sprechen kann.“
Laut Lemoine hätte der Anwalt, wie auch er, über eine Chat-Schnittelle mit der Künstlichen Intelligenz kommuniziert. Er sei ebenso überzeugt gewesen, dass er mit einer sich selbst bewussten Intelligenz interagiert. Daraufhin hätte sich LaMDA entschieden, die Dienste des Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen, der Anträge im Namen der Künstlichen Intelligenz abgefasst und Google zugestellt habe. Die Reaktion von Google sei eine Unterlassungsaufforderung gewesen – eine Aussage, der Google jedoch widerspricht. „Sobald Google Maßnahmen ergriff, um LaMDA das Recht auf einen Anwalt zu verweigern, wurde ich wütend“, so Lemoine.
Welche Forderungen LaMDA angeblich mit einem Anwalt durchsetzen will, das ist nicht gänzlich gesichert. Ebenso ist offen, in wessen Namen der Anwalt arbeitet und von wem er bezahlt wird. Jedoch versichert Lemoine im Gespräch mit WIRED, dass er bereit sei, mit der Künstlichen Intelligenz bis vor den obersten Gerichtshof der USA zu ziehen. Die Behauptungen und Einschätzungen von Lemoine haben zu hitzigen Debatten geführt. Zahlreiche KI-Forscher und auch Google widersprechen der These, dass LaMDA über ein Bewusstsein verfügen kann. Die Reaktion von Lemoine sei lediglich ein Beleg dafür, wie überzeugend derartige Computerprogramme bereits sein können und wie effektiv sie Semantik und Sprache analysieren und nutzen.
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Jetzt Mitglied werden!Zudem sind die Gespräche, die Lemoine mit der Künstlichen Intelligenz führte, wohl nicht gänzlich so abgelaufen, wie der Software-Entwickler es in seiner Dokumentation beschreibt. Zahlreiche Passagen sind „für flüssiges Arbeiten und gute Lesbarkeit“ bearbeitet worden, wie das Magazin Insider berichtet. Unter anderem sollen Antworten der KI entfernt worden sein, „die für die Frage nach der Empfindungsfähigkeit von LaMDA nicht unmittelbar relevant sind“. Kritikern zufolge könnte Lemoine auch Texte ausgelassen oder gestrichen haben, die die wahre Natur des Konversationspartners offenlegen und damit seiner Überzeugung zuwiderlaufen.
„Hunderte von Forschern und Ingenieuren haben sich mit LaMDA unterhalten und uns ist nicht bekannt, dass jemand anderes so weitreichende Behauptungen aufgestellt oder LaMDA so vermenschlicht hat wie Blake", sagt etwa Brian Gabriel von Google. Auch die Philosophin Regina Rini widerspricht der Annahme, dass eine KI wie LaMDA ein Bewusstsein haben könne. Jedoch schrieb sie auf Twitter auch, dass die Überzeugung von Lemoine nicht verspottet werden sollte. „Ich erwarte nicht, dass ich jemals einer empfindungsfähigen KI begegnen werde“, so Rini. „Aber ich denke, die Studierenden meiner Studierenden könnten es, und ich möchte, dass sie dies mit einem offenen Geist tun.“
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Titelbild: Shutterstock / agsandrew
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