Der Science-Fiction-Film „The Creator“ spekuliert über die Zukunft von Mensch und KI

Der neue Science-Fiction-Film The Creator spekuliert über unsere Zukunft mit Künstlicher Intelligenz. Eine Zukunft, die sowohl von Krieg als auch von Koexistenz geprägt ist. Dafür schafft der Regisseur Gareth Edwards eine wunderschöne Alternativwelt. Außerdem beweist er, dass Hollywood-Filme auch anders gedreht und dennoch monumental sein können.

Von Michael Förtsch

Es ist Zufall, dass The Creator gerade jetzt in den Kinos angelaufen ist – mitten im Hype um Künstliche Intelligenz. Denn die Arbeit daran begann bereits 2019, weit vor dem Start von ChatGPT, dem Ruf nach einem Entwicklungsstopp bei der Entwicklung von KI-Modellen oder den Debatten darüber, ob, wann und wie sich eine digitale Maschine erschaffen lässt, die denken und lernen kann wie ein Mensch. Das hier kein Zusammenhang besteht, macht Regisseur Gareth Edwards auch ziemlich klar, der vor allem durch das Reboot der US-amerikanischen Godzilla-Filme bekannt wurde. Denn eine Reihe von Filmschnipseln verankert die Welt von The Creator gleich in den ersten Minuten in einer alternativen Zeitlinie, in der die Entwicklung von Robotern seit den 1950ern deutlich schneller und stringenter verlief als in der Realität. In dieser anderen Version der Geschichte wird Künstliche Intelligenz möglich, indem das menschliche Gehirn mit Hard- und Software nachgebaut wird. Die Folge ist eine geradezu utopische Welt, in der Menschen, Roboter und die optisch sehr menschenähnlichen Simulants zusammenleben.

Jedenfalls bis 2065 in Los Angeles eine Atombombe explodiert, die mehr als eine Million Menschen tötet. „Die Künstliche Intelligenz“ soll dafür verantwortlich sein, sagt die US-Regierung. In der westlichen Welt wird Künstliche Intelligenz daraufhin verboten. Nur simple Roboter, die nicht denken können oder von einem menschlichen Verstand gelenkt werden, sind noch erlaubt. Im Osten der Welt sieht es jedoch ganz anders aus. In der Republik of New Asia leben Mensch und Maschine harmonisch zusammen, was die USA nicht akzeptieren wollen. Mit gezielten Kampfeinsätzen auf fremdem Territorium werden mutmaßlich terroristische KI-Gruppen ausgeschaltet und es wird nach Nirmata – nepalesisch für der Schöpfer – gesucht, einen mysteriösen KI-Forscher. Als ultimative Waffe haben die USA dabei Nomad im Einsatz, eine Plattform von der Größe einer Stadt, die aus dem niedrigen Erdorbit hochexplosive Raketen verschießt.

Dem US-Soldat Joshua Taylor gelingt es, eine Zelle von KI-Widerständlern in New Asia zu unterwandern. Doch er verliebt sich dabei in Maya, der mutmaßlichen Tochter von Nirmata, und sie sich in ihn. Sie heiraten sogar. Aber die lange geplante Spionageoperation geht schief, als das US-Militär den Unterschlupf der Gruppe vorzeitig stürmt. Auf ihrer Flucht werden die KI-Krieger und Maya durch Nomad unter Feuer genommen. Taylor gibt daraufhin seinen Dienst auf – bis er fünf Jahre später plötzlich erneut rekrutiert wird. Denn, wie eine Aufklärungsoperation zeigt, haben Maya und ihre Anhänger offenbar überlebt. Taylor soll einen Einsatz begleiten, um sie und Nirmata, der an einer KI-Waffe arbeiten soll, die angeblich die ganze Welt bedroht, festzunehmen.

Keine Angst vor KI

Die Mission von Taylor und einer kleinen Truppe von Elitesoldaten verläuft natürlich anders als geplant. In einem Bunkerkomplex unter einem vietnamesischen Dorf findet sich hinter einer dicken Stahltür keine ominöse Waffe, sondern ein Kind – ein robotisches Mädchen, das über Emotionen verfügt und offenbar Technologie fernsteuern kann. Den Befehl, das unschuldige Robo-Kind, das er kurzerhand Alphie tauft, zu töten, kann und will Taylor nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Gemeinsam fliehen sie und versuchen gemeinsam mit einigen Helfern, den Krieg zu beenden. Auf dieser Reise zeigt sich, wie harmonisch, sogar erfüllend für beide Fraktionen die Koexistenz von KI und Mensch in New Asia ist. Roboter sind hier ein natürlicher Teil der futuristischen Gesellschaft. Mehr soll hier erstmal nicht verraten werden.

Die Geschichte von The Creator ist stringent, sogar vergleichsweise simpel – aber sie funktioniert. Denn die Message des Films wird unmissverständlich klar: Wenn wir die Angst vor Künstlicher Intelligenz gewinnen lassen, könnten wir eine große Bereicherung für unsere Zivilisation verpassen. Sogar die Chance auf eine bessere Welt, die dadurch aber natürlich auch neue Gefahren und Unsicherheiten mit sich bringen wird. Und: Nicht nur Menschen könnten menschlich sein, sondern auch Maschinen – wenn wir sie denn lassen. Damit hat Edwards den philosophischen Kern der Blade-Runner-Saga aufgenommen und weitergedacht. The Creator passt dadurch – obwohl das gar nicht beabsichtigt war – als Debattenbeitrag hervorragend in die aktuelle Diskussion um Künstliche Intelligenz.

„Ich glaube, es ist ziemlich wahrscheinlich, dass KI für die Menschheit eine gute Sache sein wird“, so Edwards in einem Interview mit der dpa. „Es wird sicher auch ein paar negative Dinge geben, aber wenn man sich große technologische Meilensteine anschaut, dann war nicht die Technologie schuld an negativen Dingen, sondern Menschen, die sie missbraucht haben.“ Jedoch gesteht Edwards im gleichen Interview auch ein, dass er sich natürlich nicht sicher sein kann, wohin Künstliche Intelligenz die Menschheit führen wird. Er habe keine Antworten auf die großen Fragen. Niemand könne sagen, was die Zukunft bringt.

Neben einer utopischen Technologiefantasie wirkt The Creator aber auch als eine Kritik an der US-Außenpolitik. Geradezu selbstverständlich werden von Nomad aus hochexplosive Bomben auf fremdes Gebiet gefeuert, um den angeblichen „Feind der freien Welt“ auszumerzen. Dass dabei auch unschuldige Menschen ihr Leben lassen, wird – wie in der Realität beim Krieg gegen den Terror – hingenommen. Der Einsatz in einem kleinen Dorf, bei dem ein riesiges Panzerfahrzeug einfach Felder und Häuser platt rollt, lässt an Dokumentarfilme über den Vietnamkrieg denken. Offensichtlich, aber ohne es auszusprechen, vibriert dieser Aspekt durch den gesamten Film. Show, don’t tell.

Anders drehen

Mit The Creator hat Gareth Edwards nicht nur einen spannenden Beitrag zur KI-Debatte geliefert, sondern auch eines der visuell opulentesten Kinoerlebnisse dieses Jahres. Die Welt des Science-Fiction-Epos wirkt authentisch, greifbar aber ist sichtlich von unterschiedlichsten anderen Science-Fiction-Werken inspiriert. Die Anime Akira und Ghost In The Shell, der Neill-Blomkamp-Streifen District 9 und natürlich Blade Runner lassen sich in den Bilderwelten wiederfinden. Auch Apocalypse Now zählt Edwards als Inspiration auf. Dem Film von Francis Ford Coppola sind die für große Science-Fiction-Streifen eher exotischen Szenen mit Reisfeldern, Dörfern auf Holzpfählen und asiatischen Dschungelkulissen zu verdanken.

Bemerkenswert ist dabei insbesondere, dass The Creator im Gegensatz zu anderen Science-Fiction-Blockbustern vergleichsweise günstig war. Während der dritte Guardians of the Galaxy ganze 250 Millionen US-Dollar kostete, wurde The Creator für „nur“ 80 Millionen US-Dollar gedreht. Denn Edwards arbeitete ganz anders als bei solchen Hollywood-Produktionen üblich. Er ging ähnlich vor, wie bei der Produktion seines Erstlingswerks Monsters – ein Science-Fiction-Indie-Film – und Geheimtipp –, der für weniger als 500.000 US-Dollar entstand. Edwards mietete keine professionellen Filmkameras von Arri, Red oder IMAX, sondern setzte auf mehrere Sony FX3, die bereits für 4.000 Euro zu haben sind.

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Der Regisseur selbst kundschaftete mögliche Drehorte in Vietnam, Kambodscha, Indonesien, Nepal und Thailand aus. Gedreht wurde vor Ort in Guerilla-Manier mit einem kleinen Team um die Kameraleute Greig Fraser und Oren Soffer. Weitestgehend kam die Truppe ohne künstliche Beleuchtung aus. Drehorte wurden nur selten abgesperrt – so, dass im ersten Trailer sogar noch Badegäste im Hintergrund einer Szene zu sehen sind. Erst als der Film nahezu fertig geschnitten war, alle Szenen feststanden, begann die Arbeit von Special-Effects-Firmen wie Industrial Light & Magic, Wētā FX und Folks VFX. Es sollten möglichst keine teuren Effekte und Animationen produziert werden, die es nicht in den Film schaffen. Auch um die CGI-Künstler zu entlasten und ihnen Zeit zugeben, ihre beste Arbeit abzuliefern – anders als es etwa bei Marvel-Produktionen immer wieder kritisiert wird.

Mit The Creator zeigt Gareth Edwards daher nicht nur, wie eine Zukunft mit Künstlicher Intelligenz aussehen könnte. Er demonstriert ebenso eine mögliche Zukunft für das Blockbuster-Kino. Eine, in der groß aussehende Filme mit kleinen Budgets und kleiner Ausrüstung gedreht werden können. Und das nicht nur von den großen Studios, sondern auch von unabhängigen Filmemachern. Ja, und das wohl bald ganz selbstverständlich auch mit der Unterstützung von Künstlicher Intelligenz, die beim Schnitt, bei Effekten, bei Farben oder sogar beim Drehbuch hilft. Etwas, das das Filmemachen einfacher und die Filmlandschaft bunter und vielfältiger machen könnte.

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Hi Michael, hab den Film vorgestern gesehen - und ja, imposante Bilder und auch die Aussage, KI gefährdet nicht die Menschheit, ist nachvollziehbar und wichtig. Leider isses halt dann doch „nur“ ein Blockbuster, der die USA als nicht schlauer werdende „ich-hau-dir-auf-die-Fresse-und-frag-erst-danach-was-du-denkst/machst“-Nation darstellt. Muss das heute eigentlich noch immer sein? Wäre der Film nicht sogar viel spannender geworden, wenn auf einige Kriegsszenen verzichtet worden wäre und stattdessen imHintergrund laufernde Friedens-Verhandlungen gezeigt worden wären? Gerade jetzt?
Noch spannender als der Krieg zwischen den KI-Befürworter:innen und -Gegner:innen allerdings wäre eine kreative Umsetzung von Jürgen Schmidhubers KI-Vision: Da ist Generalistische Künstliche Intelligenz, die selbst denkt, so schlau, dass sie sich von der Erde verzieht und in den Weiten des Universums neue Intelligenzen schafft. In der KI-Serie der Süddeutschen, hier nachzulesen. Hochinteressant: https://www.sueddeutsche.de/kultur/juergen-schmidhuber-ki-pionier-1.6051518?reduced=true

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