3 Fallen für Startups und wie Ihr sie vermeidet

Im Buch „Toolbox Innovationskommunikation" stelle ich strategische Modelle und Methoden vor, die Neuem zum Erfolg verhelfen können. Drei Fallen aus dem Buch und wie Ihr sie vermeiden könnt:

Die „Alle lieben Neues“-Falle

MVP-Phase und diverse Iterationen absolviert, das Produkt ist großartig und wird das Leben der Zielgruppen objektiv verbessern. Der Launch steht an, das wird großartig! Alle lieben Neues! Möchte man doch denken, oder nicht? Leider hat das Neue viele Feinde, und einige davon sitzen in den Köpfen unserer Zielgruppen.

„Biases“ sind kognitive Verzerrungen, die verhindern, dass wir uns immer rational mit neuen Themen auseinandersetzen. Sie schützen uns vor Überforderung, sind Shortcuts für Entscheidungen und stehen Neuem leider eher kritisch gegenüber. „Polyvisorgram? Nie gehört, kann nicht relevant sein“ (Verfügbarkeitsheuristik). Neues stellt Erlerntes und Gewohntes in Frage, was unserem Confirmation Bias nicht gefällt.

Sehr mächtige Gegner der Innovation sind zudem die Beharrungskräfte des Marktes. Die aktuellen Marktführer, die der eigenen Entthronung entgegenwirken, die Verlierer, die Innovation erzeugt und die besonders laut sind (fossile Player in der Energiewende). Abteilungsleiter:innen im Unternehmen, die ihre Bestandssoftware gerade um drei Jahre verlängert und ihre Teams darauf geschult haben. Sie alle stemmen sich mit Leibeskräften gegen das Neue.

Die Innovationsmaschine Mensch bringt immer schneller immer mehr Neues auf die Märkte und kann nun auch noch brauchbare KI-Systeme nutzen. So viel Neues überfordert, erzeugt Vorurteile, Angst, Abwehr. Leider nutzen in letzter Zeit verantwortungslose Politiker diese Gefühle für ihre Wahlkämpfe, schüren sie und stellen sich Innovation damit zusätzlich in den Weg (Stichwort Wärmepumpe).

Längst nicht alle lieben das Neue. Wenn Ihr diese Tatsache mitdiskutiert, bevor Ihr Euere eigene Innovation an den Start bringt, ist viel gewonnen. Fragt Euch: Wer verliert, wenn wir loslegen? Was werden die tun? Welche Ängste kann unsere Innovation auslösen, rationale und irrationale? Können wir Produkt oder Kommunikation irgendwie anpassen, um den Ängsten proaktiv zu begegnen? Wie gewinnen wir die, die gerade viel in Vorgängerlösungen investiert haben? Und, wenn Ihr GreenTech macht: Was, wenn die fossile Lobby Stimmung macht?

Im Kindergarten hatten wir alle ein Freundebuch. Eure Innovation braucht ein Feindebuch, und eine Strategie zur Überwindung jedes ihrer Feinde.

Die „Ein Pitch-Deck für alle“-Falle

Ich bin seit mehr als 20 Jahren in der Tech- und Innovationskommunikation und habe hunderte innovativer Unternehmen kommunikativ begleitet. Als DACH-Chef bei einer globalen Agentur war ich dabei einige Jahre auch für die Geschäftsentwicklung zuständig. Aufgabe: Unternehmen in meiner Region für uns gewinnen. Das hat recht gut geklappt, würde ich behaupten.

Vor drei Jahren bin ich dann zu Tyto gewechselt. Tyto hilft schnell-skalierenden Tech-Unternehmen dabei, den Europäischen Markt zu erschließen. Viele unserer Kunden sitzen in den USA und dementsprechend pitchen mein Team und ich auch viel mehr vor US-Entscheider:innen.

Die Vorbereitung der ersten Pitches mit mir an Bord verlief dabei eher mittelharmonisch. Das Problem: All meine Analysen und mein strategischer Unterbau für unsere Kampagnen flogen immer wieder aus den Decks. Gewonnen haben wir trotzdem viel. Trotzdem? Oder deswegen? Auf die Erklärung bin ich letztendlich erst bei den Arbeiten zur Toolbox Innovationskommunikation gestoßen: Ich war in die klassische Culture-Falle getappt.

Erin Meyer, „die Neue“ unter den Großmeistern der Kulturtheorie (Hall, Hofsteede, Trompenaars), hat mich aufgeklärt: Meyer unterscheidet „Principle-first“ und „Applications-first-Kulturen. Menschen aus Principle-first-Kulturen wie Deutsche oder Franzosen brauchen die Herleitung, wollen an die Lösung herangeführt werden („welche Prinzipien liegen der Lösung zugrunde?“), Applications-first-Menschen wie Amerikaner oder auch Briten kommen hingegen gerne sofort auf den Punkt („Was machen wir? Erklär mir vielleicht später warum.“). Also schaut Euch an, aus welchem Kulturkreis die VCs stammen und baut Euer Deck entsprechend auf.

Was für Pitch-Decks von Kommunikationsagenturen gilt, gilt auch für Investorendecks: Eines für alle funktioniert nicht.

(c) Florian Hohenauer - Interultureller Markenkompass

Da Innovatoren meist schnell skalieren und in andere Länder expandieren müssen, haben ich mir auch andere Kulturdimensionen angesehen und die relevantesten in einem Kompass zusammengefasst. Wer damit navigiert, umschifft einige der schwierigsten Kulturklippen.

Die „Alle auf einmal“-Falle

Eine nutzenstiftende Innovation müsste doch viele Menschen interessieren? Also kommunizieren wir sie an möglichst viele, das Ziel lautet schnelle Marktdurchdringung, richtig? Zumindest verständlich, als Ziel. Ist ein Startup erst mal aus der Stealth-Phase heraus, melden sich auch Wettbewerber und die angegriffenen Incumbents launchen ebenfalls „Abwehrinnovationen“. Das Wettrennen beginnt. Gewinnen wird es nur nicht derjenige Player, der versucht, möglichst alle auf einmal für sich zu gewinnen.

Wir haben schon gehört, dass nicht alle Neues lieben, vor allem nicht im B2B-Bereich, wo die Adoption einer Innovation anstrengend und teuer ist. Eine neue Cloud-Suite soll den alten On-Premise-Mix an Software ablösen? Das kostet viel Zeit und Geld und Nerven. Startups müssen sich fokussieren, und zwar gleich zweifach:

  • Der erste Fokus gilt dem Adoptionstyp. Rogers und Moore haben perfekt beschrieben, wer eine Innovation zuerst kauft, wer danach und wer danach. Es beginnt immer mit den „Innovators“, Tech-Nerds, deren Placet unabdingbar ist. Nur wenn dies erteilt ist, sehen sich „Early Adoptors“ die Lösung an. Sie wissen: Die Adoption wird anstrengend, wird unserem Unternehmen aber einen Riesenvorteil verschaffen (Motivation: Vorsprung). Mit Innovators und Early Adoptors wird noch nicht das große Geld verdient. Richtig interessant wird es ab der „Early Majority“, die sich aber bitten lässt. Sie will nicht zurückfallen und kauft erst, wenn schon andere Peers gekauft haben (Audi-CIO: „Hey, bist Du schon auf Cloud umgestiegen?“; BMW-CIO: „Ja, gerade dabei.“; VW-CIO denkt: „Mist, jetzt muss ich auch.“). Weil die Early Adoptors und die Early Majority so komplett unterschiedlich ticken, ist eine 180°-Wende in der Kommunikation gefragt.

  • Der zweite Fokus gilt dem Marktsektor, den ein Startup zuerst gewinnen will. Ihr müsst genau den auswählen, der die größten Schmerzen mit der aktuellen Lösung hat. Hier können zwei der drei in Frage kommen und Ihr könnt ein bisschen testen, aber dann müsst Ihr Euch für einen entscheiden, denn: Wir wollen die Marktführerschaft in dem Sektor. 40, 50, 60 Prozent Marktanteil. Das ist so wichtig, weil der Peer-Druck unter den Early Majorities so groß ist. Wenn alle Entscheider:innen im Sektor mitbekommen, dass schon sehr viele Eure Lösung im Einsatz haben, dann wird sie zur sicheren Wahl. Wenn schon wechseln, dann zum Leader. Ist ein Sektor gewonnen, könnt Ihr die angrenzenden adressieren, idealerweise welche, in denen die Entscheider:innen mit denen aus dem ersten Sektor sprechen.

Rogers und Moore gehören zur Pflichtlektüre für B2B-Innovatoren. Besonders Moore ist streng, schwört seine Leser:innen auf eines immer wieder ein: Fokus, Fokus, Fokus.

Die hier beschriebenen Fallen und die entsprechenden Auswege beschreibe ich im Detail im eben erschienenen Buch „Toolbox Innovationskommunikation“ (Springer-Gabler, keine Verbindung zu „Bild-Springer“). Darin finden sich insgesamt 21 strategische Modelle und Methoden, die Innovation durch schlagkräftige Kommunikation zum Erfolg verhelfen können. Fragen? Ich bin hier.

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