Wikileaks-Gründer Julian Assange soll freigelassen werden

Der Gründer der Whistleblower-Plattform Wikileaks könnte freigelassen werden und in seine Heimat zurückkehren. Seit Jahren zieht sich ein Rechtsstreit um seine Auslieferung an die USA hin, wo er wegen Spionagevorwürfen vor Gericht gestellt werden soll. Nun soll er sich mit der US-Justiz geeinigt zu haben.

Von Michael Förtsch

Am 11. April 2019 wurde Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Gründer der Whistleblower-Plattform Wikileaks fast sieben Jahre in dem Gebäude in der Nähe des Hyde Park verbracht, wo ihm politisches Asyl gewährt worden war. Schweden hatte einen Haftantrag gegen ihn gestellt, nachdem zwei Frauen ihn wegen Sexualdelikten angezeigt hatten. Über Schweden, so befürchtete Assange, könnte er an die USA ausgeliefert werden, wo ihm mehrere Fälle von Spionage und Computermissbrauch vorgeworfen werden – und damit eine Haftstrafe von bis zu 175 Jahren droht. Konkret soll Assange „wissentlich und illegal mit Chelsea Manning konspiriert“ haben, um mehr als 700.000 geheime Militärdokumente zu veröffentlichen. Nach einem Regierungswechsel in Ecuador wurde Assange das Asyl entzogen und er wurde nach seiner Verhaftung im Londoner Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh interniert.

Seitdem gab es ein politisches Tauziehen, ob und wie Assange an die USA ausgeliefert werden kann. Erst im Mai erhielt Assange das Recht, gegen seine Überstellung Berufung einzulegen. Nun wurde bekannt, dass sich Julian Assange mit dem US-Justizministerium geeinigt habe. Er soll sich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe schuldig bekennen und zu einer Haftstrafe verurteilt werden, die mit der Inhaftierung in Belmarsh als verbüßt gilt. Danach soll er in seine Heimat Australien zurückkehren können, ohne eine Auslieferung an die USA befürchten zu müssen. Das zuständige US-Gericht muss der Vereinbarung noch zustimmen. Wie Wikileaks berichtet, hat Assange Belmarsh bereits am gestrigen 24. Juni nach 1.901 Tagen verlassen und Großbritannien mit einem Flugzeug vom Flughafen Stansted aus verlassen.

US-Medienberichten zufolge reiste Assange mit dem Flugzeug nach Saipan, einer der größten Inseln der Nördlichen Marianen, einem US-Außengebiet im Westpazifik. Dort soll er am heutigen Mittwoch vor einem lokalen Bundesgericht erscheinen, um die getroffene Vereinbarung besiegelt wird. Eine Reise auf das US-Festland lehnte Assange aus Sorge um seine Sicherheit ab. Er würde sich vor Gericht formell schuldig bekennen, verurteilt werden und könnte dann direkt in seine Heimat ausreisen.

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Ein Notfallfonds ist geplant

Stella Assange, die Ehefrau von Julian Assange, hat die Einrichtung eines Notfallfonds für den Journalisten und Aktivisten angekündigt. Denn nach den Jahren in der Botschaft und im Hochsicherheitsgefängnis leide der heute 52-jährige Assange unter schweren physischen und psychischen Problemen. Unter anderem habe Assange 2021 einen Schlaganfall erlitten, der auch zu einem Gedächtnisverlust geführt habe. „Ich bitte euch, wenn ihr könnt, einen Beitrag zu leisten und uns beim Übergang in diese neue Phase von Julians Freiheit zu helfen“, sagt Stella Assange.

Bereits 2013 war Chelsea Manning wegen Spionage und Diebstahls geheimer Dokumente zu 35 Jahren Haft verurteilt worden. Sie soll als Geheimdienstanalystin der US-Streitkräfte zahlreiche Videos und Dokumente kopiert und an Wikileaks weitergegeben haben. Darunter waren auch die 2010 veröffentlichten Videoaufnahmen, die unter dem Namen Collateral Murder bekannt wurden und international für Aufsehen sorgten. Sie zeigten Luftangriffe in Bagdad am 12. Juli 2007, bei denen mehrere unbewaffnete Menschen getötet wurden, darunter zwei Reuter-Mitarbeiter und zwei Kinder. Im Januar 2017 wurde Manning von Barack Obama der Rest ihrer Haftstrafe erlassen. Heute ist Manning als Datenschutzaktivistin aktivund war als Rednerin beim Festival der Zukunft 2022 zugeschaltet.

Die mögliche Freilassung von Julian Assange wird von vielen Aktivisten als Sieg gefeiert. Bereits seit Assanges Flucht in die Botschaft hat sich eine weltweite Unterstützungsbewegung gebildet, die den USA einen Angriff auf die Pressefreiheit vorwirft. Allerdings gab es auch immer wieder Kritik an Assange und Zweifel an seiner journalistischen Integrität. Unter anderem hatte er 2012 im Internet mehrere Folgen der Talkshow The World Tomorrow für den russischen Sender RT moderiert. Ebenso hatte Wikileaks zahlreiche Daten veröffentlicht, die die US-Präsidentschaftswahl 2016 beeinflussten. Dabei handelte es sich um Daten, die teils nachweislich, teils mutmaßlich von russischen Hackern von den Servern der Demokratischen Partei, dem privaten E-Mail-Server von Hillary Clinton und dem E-Mail-Konto von John Podesta, dem Vorsitzenden des Wahlkampfteams von Hillary Clinton im Jahr 2016, erbeutet worden waren.

Titelbild: (CC) by David G Silvers, Cancillería del Ecuador

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