Metaphor: Kann Künstliche Intelligenz die Suche im Internet neu erfinden?

Seit dem Start von ChatGPT wird darüber diskutiert, wie Künstliche Intelligenz unsere Welt verändern könnte. Ein kleines Start-up namens Metaphor will nun mit der Technologie von Sprachmodellen die Suchmaschine neu erfinden. Dafür bricht es mit alten Konventionen und fordert Nutzer dazu auf, kreativ zu werden.

Von Michael Förtsch

AltaVista, Fireball, Infoseek, AllTheWeb… die Liste der Suchmaschinen, die vor Jahren das World Wide Web dominierten, aber längst vergessen sind, ist lang. Wer heute im Internet sucht, tut das mit Google, vielleicht mit Bing oder Duck Duck Go. Sonst gibt es wenige Alternativen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Marktmacht der dominierenden Tech-Unternehmen und die Relevanz von Websites, sondern auch auf die Art und Weise, wie wir Informationen suchen und finden. Wer googelt, tippt Stichworte in ein Suchfeld, mal zusammen mit einigen Sonderzeichen, um die Suche zu präzisieren und einzugrenzen. Noch. Doch der Erfolg von ChatGPT, dessen Integration in die Bing-Suchmaschine sowie der Start des Google-KI-Chatbots Bard, haben das Potential die Internetsuche grundlegend zu verändern. Wie ein Chat, ein Dialog mit einem Assistenten könnte die Suche in Zukunft für viele Menschen funktionieren. Vielleicht kommt es aber auch ganz anders?

Letzteres ist jedenfalls die Hoffnung eines kleinen Teams aus San Francisco, das an einer eigenen und zunächst kurios anmutenden Suchmaschine arbeitet: Metaphor. „Wir haben Metaphor gestartet, weil es schwierig wird, mit Google wirklich gute Informationen zu finden, sobald die Suche etwas komplexer wird“, sagt Will Bryk, einer der Gründer und Chef von Metaphor, zu 1E9. Denn obwohl im Kern der Google-Suche ein KI-Modell namens BERT seine Arbeit verrichte, liefere die Suchmaschine sowohl auf sehr konkrete als auch sehr vage Anfragen oft eher mäßige Resultate. „Wir fanden es merkwürdig, dass es so etwas wie [das Sprachmodell] GPT-3 gibt, das sehr konkrete Antworten geben kann, aber Google gleichzeitig so unglaublich schlecht ist“, so Bryk. „Also entschieden wir uns, die Internetsuche einfach vollkommen neu zu denken.“

Die Idee des Teams von Metaphor war es, eine Suchmaschine um die Funktionsweise eines Sprachmodells herumzubauen. Sprachmodelle reihen Worte aneinander, die statistisch wahrscheinlich zusammengehören. Text-zu-Bild-Generatoren tun ähnliches, um Grafiken zu erzeugen. Das Modell von Metaphor tut eben das mit URLs. „Nur generiert die Suche keine neuen Links, so wie Midjourney etwa neue Bilder generiert“, sagt Bryk: „Stattdessen greift es auf Links zurück, die bereits im Internet existieren.“

Beschreibende Sprache

Die KI-Suchmaschine reagiert nicht auf die Aneinanderreihung von Suchbegriffen oder Fragen. Stattdessen fordert sie Nutzer dazu auf, das Ergebnis, das sie haben wollen, zu beschreiben. Beispielsweise: „Hier ist eine Website, die mit vielen Bildern erklärt, wie Künstliche Intelligenz funktioniert“ oder „Die Wikipedia-Seite von jemandem, der ist wie Jeff Bezos, aber aus dem 19. Jahrhundert“. Oder, da Metaphor auch dediziert nach Tweets, Rezepten und Veranstaltungen suchen kann: „Ein Tweet, der erklärt, warum jeder unbedingt zum Festival der Zukunft kommen sollte“.

„Metaphor ist darauf trainiert, die Art von Links vorherzusagen, die Menschen teilen würden“, erklärt der Suchmaschinen-Chef. „Die KI lernt, Menschen zu imitieren; sie lernt, welche Links zu den beschriebenen Interessen und Gefühlen passen.“ Eine gute Suchphrase sähe daher aus wie die Nachricht eines Freundes, der einem etwas schickt, das einen interessieren könnte.

Aber die Nutzer können noch kreativer werden. Auch eine Suchanfrage wie „eine lustige Seite, die mir das Gefühl gibt, nicht allein zu sein“, ein fiktiver Dialog oder gar eine Kurzgeschichte, die den gesuchten Inhalt metaphorisch beschreibt, soll als Suchtext funktionieren – und tut es manchmal auch. Denn die Stärke des KI-Modells hinter der Suchmaschine ist es, genau diesen Kontext in den Texten zu erkennen und mit URLs aus dem Web zu verknüpfen. Wie genau das funktioniert, mit welchen Daten das Modell trainiert wurde, dazu halten sich die Entwickler allerdings bedeckt. Es seien aber „Quellen aus dem gesamten Internet“ gewesen.

Es gibt noch Probleme

Gestartet ist Metaphor im Oktober 2022 – und damit kurz vor dem Launch von ChatGPT. Die Arbeit begann bereits 2021 und allei die Erstellung des ersten Models dauerte fast acht Monate – der Rechenprozess selbst einen Monat. „Ja, wir haben weit vor dem KI-Hype mit der Arbeit an Metaphor angefangen“, sagt Bryk. Der plötzliche Fokus auf Künstliche Intelligenz habe für die Entwickler und ihre Arbeit wenig geändert. Aber: „Es hat vollkommen verändert, wie Leute auf das schauen, was wir hier machen. Mein Vater dachte, ich sei vollkommen irre, es mit Google aufnehmen zu wollen, jetzt denkt er, ich bin ein Genie.“

Und mit Google aufnehmen will es Bryk wirklich. „Wir wollen das Suchproblem lösen. Es ist nicht nur ein Experiment, wir hoffen, dass wir Metaphor groß rausbringen“, sagt er. „Es ist wichtig, dass wir das tun – und zwar richtig.“ Es gehe dem Team darum, neue und vor allem flexiblere Wege zu etablieren, um an Informationen zu kommen. Wobei das Team dabei noch einige Hürden zu nehmen hat. Denn Metaphor liefert zwar oft interessante, hin und wieder aber auch zweifelhafte Ergebnisse. Wer etwa nach der „Wahrheit über [ein kontroverses Thema]“ sucht, landet schnell auf Verschwörungswebsites oder obskuren Debatten auf Reddit.

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„Ich glaube nicht, dass das Unterdrücken von Informationen der richtige Ansatz ist“, erklärt Bryk die zuweilen bedenklichen Ergebnisse. „Ich glaube, dass es richtig ist, den Nutzern die Möglichkeit zu geben, alles zu finden, was sie wollen.“ Gänzlich unproblematisch findet er es jedoch auch nicht. Es sei natürlich nicht das Ziel, mit der Suchmaschine einfach Falschinformationen zu verbreiten – aber verstecken solle man sie nicht. Daher könnten solche Ergebnisse in Zukunft beispielsweise mit Hinweisen versehen werden, die warnen, dass „diese Informationen umstritten“ sind.

Will Bryk und sein Team sind jedenfalls überzeugt, dass ihre Herangehensweise an die Suche einen Mehrwert hat, ja sogar revolutionär sein könnte. „Sprachmodelle kombiniert mit Suchsystemen wie Metaphor werden alles ändern“, sagt er. Nicht die Menschen werden suchen, sondern Sprachmodelle werden für Menschen die Suche übernehmen. „Solche Sprachmodelle sind der nächste große Sprung unseres Informationsökosystems“, meint der Entwickler. Neuartige Suchmaschinen sollen in der Lage sein, „jede noch so komplexe Wissensabfrage zu beantworten“. Das könne laut Bryk „eine sehr verrückte Zeit werden“ und daher, wäre es äußerst wichtig, „den kommenden Wandel so zu gestalten, dass er allen zugutekommt.“

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