Ich möchte gerne ein paar Worte über einen Speaker auf unser Konferenz verlieren, den man mit Fug und Recht als einen der wenigen deutschen Universalgelehrten bezeichnen kann: Joscha Bach, Jahrgang 1973, in Thüringen also zu einer Zeit aufgewachsen, als die DDR sowohl ihre Hochphase wie auch ihren Niedergang erlebte. Joscha entstammt einer Künstlerfamilie, groß geworden „in einer Höhle voller Bücher“ und ab 1983 mit einem C64 – als Initiation in die Welt der Computation, wo der Mensch die Mathematik und Physik zum Leben erweckt.
„Only a simulation can have a consciousness.“
Als die Grenzen Anfang der 90er offen sind, fährt er mit einem Liegefahrrad durch Neuseeland und lebt u.a. mit den Mole People in New York. Er studiert Informatik und Philosophie, promoviert in Kognitionswissenschaften und geht schließlich – nach Mitgründung eines AI- und eines Ebook-Start-ups – ins Media Lab vom MIT. Seine Mission: Computern die Kreativität beizubringen.
„It‘s very hard to have an intellectual discourse in a world where most people don‘t agree on ways to discuss truth. (…) Morals need to guide our decision making, but not our model making. Our morals need to be only subservient to truth, our models need to be subservient to what we want to achieve. (…) If social media is done right, it‘s gonna make individual voices to be thoughts in the same mind.“
Ich lerne Joscha 2003 in einem von mir mitgegründeten Forum und sozialen Netzwerk namens Nensch kennen, das sich dem interdisziplinären Austausch zwischen verschiedenen Tribes verschrieben hat. Joscha reüssiert mit einem Essay namens „Wie das indeterministische Universum in einen monadischen Solipsismus führt“. Allgemeines Erstaunen. Danach gibt es etliche eindrucksvolle Gespräche, siehe z.B. – archive.org sei Dank – den Thread von Myriam Kyselo, heute Professorin für Philosophie der Kognition an der TU Berlin: „Was ist Selbstbewusstsein?“, ein Thread in einer heute kaum denkbaren Ausführlichkeit.
Ich hab mir von Joscha irgendwann mal folgenden Kommentar zum Wesen der Ästhetik abgespeichert:
Der Schlüssel liegt darin, das Wesen der Ästhetik zu verstehen. Ich nehme an, menschliches Verhalten ist durch eine Reihe basaler Triebe erklärbar, die in einem komplexen System gegeneinander streiten.
Zu diesen Motiven gehören u.a.: Bedürfnisse nach Nahrung, körperlicher und geistiger Unversehrtheit, Schmerzvermeidung, Suche nach sozialer Bestätigung, Verringerung von Unbestimmtheit und Erhöhung von Kompetenz. Die beiden letzten Triebe führen zu explorativem, also neugierigem, forschendem Verhalten.
Die Befriedigung eines Triebes führt dabei stets zu einem Lustsignal, die Verschlechterung einer Triebsituation (z.B. durch eine Verletzung oder einen Fehlschlag) zu Unlust.
Wenn wir die Welt beobachten, so erkennen wir sie nicht einfach (wir können nicht wissen, wie die Welt wirklich ist), sondern wir legen Repräsentationen über sie an, die von unserer Wahrnehmung, unseren Bedürfnissen, bestimmten angeborenen Bedingungen und bisherigen mentalen Strukturen abhängen. Diese Repräsentation können sehr unterschiedliche Gestalten haben. Etwas zu verstehen bedeutet, eine geeignete Repräsentation zu finden, ist also das Resultat eines komplexen Such-Verfahrens (die Ergebnisse unbewußter Suche nennen wir meist „Intuition”). Ich vermute nun, es gibt einen weiteren Trieb, der sich auf die Gestalt dieser Repräsentationen bezieht - die sollten nämlich möglichst elegant, also geeignet im Bezug auf ihren Gegenstand, knapp, manchmal phantasieanregend, manchmal klärend sein und gegebenenfalls Bezüge zu anderen Repräsentationen aufweisen. Wenn es uns gelingt, solche Repräsentationen zu finden, erhalten wir ebenfalls ein Lustsignal, und den Trieb können wir „Suche nach Ästhetik” nennen.
„It’s the best time to be alive.“
Joscha vermutet im 1E9-Interview, dass die Entwicklung der Menschheit das Ende einer S-Kurve erreicht hat. Das würde die Jubelschreie der Innovatoren und die Angstschreie derer erklären, die bereits in den Abgrund schauen.
„The only thing that i think that we can have in the face of eternity is this exploration, where we throw ourselves together to make a few sparks that light up the darkness of the universe.“
Ich freue mich auf den Talk von Joscha Bach, heute VP of Research @ AI Foundation, bei unserer Konferenz. Hier gibt es die Tickets.
Die Zitate stammen übrigens aus folgendem sehenswerten Podcast zum Thema Conscious Machines: