Erstmals sind US-Astronauten wieder mit eigener Rakete und eigenem Raumschiff ins All gestartet – an Bord einer Dragon-2-Kapsel und einer Falcon-9-Rakete der Firma SpaceX. Dass das so ist, hat auch mit dem Space Shuttle zu tun. Das ist eine Ikone, die eine bewegte Geschichte hat und auch ganz anders hätte aussehen können.
Von Michael Förtsch
Ganze neun Jahre waren die Vereinigten Staaten von Amerika auf Mitfluggelegenheiten in den russischen Sojus-Kapseln angewiesen, um ins All zu kommen. Denn im Jahre 2011 hatte die NASA mit dem Space Shuttle ihre zu diesem Zeitpunkt einzige Raumfähre in Rente geschickt. Am 8. Juli 2011 brach das Shuttle Atlantis zu seinem letzten Flug auf – und wurde nach der Rückkehr am 21. Juli eingemottet. Danach flog keine einzige der Raumfähren mehr. Über 30 Jahre hatten die Space Shuttles zu diesem Zeitpunkt ganze 135 Flüge absolviert. Darunter einige, die den Blick auf das Universum nachhaltig verändert haben. Ohne das Shuttle hätte beispielsweise das Hubble-Weltraumteleskop nicht ins All gebracht und mit seiner Korrekturbrille versehen werden können.
Die Idee zu einem raumflugfähigen Orbiter, wie es in der Fachsprache heißt, gab es bereits in den 1950er Jahren. Und zwar bei der US-amerikanischen Air Force, die mit dem sogenannten Dyna-Soar – auch X-20 – einen kleinen Raumgleiter plante. Er sollte taugen, um sowohl Satelliten als auch Astronauten auszusetzen, sowie um Wartungs- und Sabotagemissionen durchzuführen. Aber auch Bomben sollte der Dyna-Soar abwerfen können. Zeitweise arbeitete die NASA an dem Plan mit. Jedoch wurde das ehrgeizige Projekt aus Kostengründen eingestellt – obwohl bereits die Konstruktion begonnen hatte. „Sie haben Metall gebogen“, sagte Raumfahrthistoriker Roger Launius gegenüber Space.com. „Sie wären geflogen.“ Aber aufgegeben wurde die Idee nicht, sondern immer mal wieder unter neuen Namen und mit veränderten Anforderungen wiederbelebt.
Im Jahre 1965, vier Jahre vor der Mondlandung, fanden sich die US Air Force und die NASA noch einmal zusammen und hielten fest, dass eine solche Raumfähre unheimliche technische und finanzielle Hürden bedeuten würde. Aber auch, dass ein solches Programm mit einem großen Nutzen verbunden wäre – indem durch ein wiederverwendbares Fluggerät die Kosten für Raumfahrtmissionen letztlich drastisch geschrumpft würden. Dennoch stand erst einmal die Mondlandung als große Herausforderung im Zentrum.
Wilde Träume vom Weltraumflugzeug
Als die Mondlandung geglückt war, wurde die Idee eines Space Shuttles erneut aufgebracht. Rüstungs-, Luft-, und Raumfahrtunternehmen wurden gebeten, Konzepte einzureichen. Mehrere Jahre wurden bei der NASA intern Anforderungen debattiert – und parallel weitere Herausforderungen ins Auge gefasst – streng nach dem sogenannten Von-Braun-Paradigma: Wie geht’s weiter mit dem Mond? wie könnte man zum Mars gelangen? Doch zu dieser Zeit wandelte sich in der US-Politik einiges. Richard Nixon saß als Präsident im Oval Office – und er war kein Freund der Raumfahrt. Der Mond, der Mars, dort hegte er keine Ambitionen. Sowieso fand er die Raumfahrt viel zu teuer. Als ihm die NASA ihre Zukunftspläne vorlegte, gab er nur den Auftrag für ein Projekt. Das günstigste: Und das war das Space Shuttle.
Über einen langen Zeitraum hatten sich da nun schon zahlreiche und sehr unterschiedliche Vorstellungen entwickelt, wie ein Space Shuttle aussehen und funktionieren könnte. Es gab Ideen des Space Shuttle als einen Traktor im Weltall zu gestalten, als flunderflaches Weltraumflugzeug, als schwerelosen Jumbo-Jet mit Dutzenden Sitzplätzen für Astronauten. Einige Ingenieure schlugen vor, das Shuttle mit einem Flugzeug in die Höhe zu bringen, wo es dann starten sollte. Andere schlugen einen von Piloten gesteuerten Raketen-Booster – eine sogenannte Unterstufe – vor, der gleich dem Shuttle selbst wieder hätte landen können, damit er wiederverwendbar wird.
Die einflussreichsten Ideen entwickelten die Raumfahrtingenieure George Mueller und Maxime Faget vom Johnson Space Center. Sie mündeten in ein Shuttle-Konzept namens DC-3, das bei North American Aviation ausgearbeitet wurde – und dem finalen Space Shuttle in vielen Bereichen schon ziemlich nahe kam. Die mögliche Umsetzung drohte aber ein finanzieller Kraftakt zu werden. Daher mussten viele Aspekte überdacht, gestrichen oder vereinfacht werden. Unter anderem wurde das Shuttle geschrumpft und der steuerbare Unterstufe durch einen externen Treibstofftank und zwei einfache Feststoffraketen ersetzt. Dennoch drohte dem Projekt eine Kostenexplosion und die Streichung.
Jedoch intervenierte die US Air Force zugunsten des Shuttles: Sie wollte es nämlich auch für Missionen nutzen – wenn denn einige Anforderungen eingearbeitet werden. Unter anderem ein größerer Frachtraum, um schwere Spionage-Satelliten transportieren zu können. Zu den wilderen Ideen gehörte die Vorstellung der US Air Force, man könne mit Greifarmen russische Satelliten einfangen, in den Laderaum zu packen und damit landen. Tatsächlich wurde das Shuttle später für so einige Einsätze genutzt bei denen streng geheime Lasten transportiert und Operationen durchgeführt wurden.
Allem voran war das Space Shuttle aber das Arbeitspferd der NASA – und es wurde dadurch zu einem Symbol für die bislang aktivste Zeit der bemannten Raumfahrt. Es gab mit der Buran, dem Kliper, Hope X und Hermes zahlreiche Versuche, das Konzept des Shuttle zu kopieren, zu verbessern oder einen spirituellen Nachfolger zu konzipieren. Aber nahezu alle Versuche scheiterten bisher. Dadurch ist das Space Shuttle bis heute ein einzigartiges Raumfahrzeug.
Wir haben hier mal einige der futuristischen Konzeptzeichnungen aus der Frühzeit und der Entstehungsphase des Space Shuttle gesammelt.