Die Nächte werden länger, die Tage kälter. Das heißt, es ist wieder mal Zeit, sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen, um zu einem guten Buch zu greifen. 1E9 hat daher für euch 18 gute Science-Fiction-Romane ausgewählt, die die eisige Jahreszeit vergessen lassen.
Von Michael Förtsch
In den vergangenen Monaten sind zahlreiche neue Romane von jungen Autoren und so einigen bekannten Namen aus dem Science-Fiction-Genre erschienen. Manche ziehen in fremde Welten. Andere in digitale Gefilde und andere Zeiten. Sie durchdenken die Folgen von neuen Technologien, spekulieren über die Zukunft der Menschheit oder fragen, was wäre, wenn…? Darunter sind Ursula Poznanski mit Cryptos, das einen in ein Metaversum saugt, das die Menschheit infolge des Klimawandels errichtet hat. Oder John Marrs mit The Watchers. Er spekuliert, wie es wäre, wenn Menschen zu biologischen Datenträgern werden.
Auch Die Letzte macht das Licht aus von Bethany Clift findet sich unter unseren Empfehlungen, ein scharfsinniges Abenteuer, in dem eine junge Frau als einzige eine globale Pandemie überlebt. Ebenso sind auch Klassiker wie Der lange Nachmittag der Erde von Brian Wilson Aldiss auf unserer Liste. Der 2017 verstorbene Autor breitete vor fast 60 Jahren eine so bizarre wie fantasievolle Vision aus, in der Mensch und Natur sich bis zur Unkenntlichkeit fort- und weiterentwickelt haben – und zeigte damit, dass, selbst wenn sich vieles wandelt, es doch immer noch eine Zukunft gibt.
Hier also 18 Romane, die euch sicher gut durch den Winter und in das neue Jahr bringen.
Der Astronaut
Die Menschheit hat ein Problem. Ryland Grace soll sie retten, aber weiß nichts mehr davon. Sowieso weiß er so ziemlich gar nichts mehr, nachdem er in einem Raumschiff weitab der Erde erwacht. Nur langsam kehrt seine Erinnerung zurück – etwa daran, dass er offensichtlich ein Wissenschaftler ist und eine außerirdische Spezies ins Sonnensystem der Erde eindrang. Aber anders als in vielen Hollywood-Filmen überfiel sie nicht die Erde, sondern… aber das wäre schon zu viel verraten.
Der mit Der Marsianer bekannt gewordene Andy Weir schreibt mit Der Astronaut eine Geschichte, die gleichzeitig herrlich vertraut, aber trotzdem gänzlich anders ist als in seinem Debütroman. Auch Ryland Grace muss etwa zum MacGyver-Bastler werden, um zu überleben und seine Mission zu erfüllen. Jedoch steht viel mehr auf dem Spiel, große Geheimnisse wollen gelöst werden. Und trotz der Spannung und Ausweglosigkeit, die sich zeitweise breitmacht, ist der Roman herrlich witzig und selbstironisch. Mit über 600 Seiten ist er jedoch nicht gerade ein Leichtgewicht.
Alien 3: The Unproduced Screenplay
Ein Planet voller religiöser Strafgefangener. Mittendrin: ein Xenomorph und Ellen Ripley. Das ist Alien 3, wie er in die Kinos kam. Doch ursprünglich hätte es ganz anders sein sollen. Denn das erste Drehbuch für den Film schrieb dereinst Williams Gibson, der in den 1980ern als Autor von Neuromancer bekannt wurde. Und der hatte sich eine wilde Action-Achterbahn ausgemalt, bei der die Killer-Kreaturen in einer riesigen Raumstation für Chaos, Tod und Verderben sorgen – während Ripley in einer Kapsel im Tiefschlaf liegt. Jedoch wurde das Drehbuch verworfen – weil zu teuer und aufwendig.
Nachdem das mittlerweile legendäre Skript bereits als Comic und Audio-Drama umgesetzt wurde, wurde nun auch ein Roman draus – oder eher: aus einer weiteren Fassung des Gibson-Drehbuchs. Umgesetzt hat ihn die mehrfach ausgezeichnete Cyberpunk-Autorin Pat Cadigan, die Gibson alle Ehre macht. Alien 3: The Unproduced Screenplay ist ein rasant geschriebener und trotz 430 Seiten sehr kurzweiliger Roman, der Kinoatmosphäre versprüht und einen fragen lässt, was wohl wäre, wenn diese Geschichte es auf die Leinwand geschafft hätte. Denn es ist einfach ein irrsinniges Science-Fiction-Spektakel.
Hella
Pest oder Cholera? Himmel oder Hölle? Erde oder Hella? Nachdem es auf der Erde aufgrund der Überbevölkerung und des Klimawandels immer ungemütlicher wurde, haben sich einige interstellare Siedler für Hella als neue Heimat entschieden. Der Planet entspricht in etwa der Erde des Jurazeitalters. Nur ist dort alles aufgrund etwas geringerer Schwerkraft riesig: Bäume sind hunderte Meter hoch, Saurier so groß wie Godzilla und so manches Insekt hat die Ausmaße eines PKW. Und Stürme sind so stark, dass sie problemlos Siedlungen hinwegfegen können. Aber gerade das macht diese Welt für den jungen Kyle Martins so faszinierend.
Um genau diese Faszination dreht sich der in vielerlei Weise experimentelle und ungewöhnliche Roman von David Gerrold. Denn Kyle Martins wird in keine finstere Verschwörung verwickelt, muss keinen dramatischen Konflikt überstehen oder sonst ein Geheimnis auflösen. In Hella geht es darum, Kyle in seinem Alltag und auf Missionen zu begleiten, in die bizarre Welt von Hella einzutauschen, ihre eigenwillige Ökologie zu ergründen und zu beobachten, wie die gesellschaftlichen und sozialen Dynamiken der Kolonisten dadurch geprägt und herausgefordert werden. Damit ist Hella ein gelassenes und sehr spezielles Leseerlebnis, das sich so nur selten findet und auch eine gewisse Lesepassion abverlangt.
Die Anomalie
Es ist eigentlich vollkommene Routine. Im März 2021 startet eine Boeing 787 der Air France von Paris nach New York City. Alles ist normal – bis der Flug AF 006 in einen merkwürdigen Sturm gerät. Elektromagnetische Ladungen lassen die Bordelektronik ausfallen. Die Maschine droht, abzustürzen. Doch die Piloten bekommen das Flugzeug unter Kontrolle und können es sicher landen. Aber dann geschieht vollkommen Unglaubliches. Einige Monate nach dem Unwetter landet die gleiche Maschine erneut. Mit denselben Passagieren, die behaupten, sie hätten den Sturm gerade erst verlassen. Es scheint, als hätte die Wetteranomalie, die gesamte Boeing 787 und alle darin, kopiert und zeitversetzt in die Realität geworfen.
Der französische Autor und Mathematiker Hervé Le Tellier legt mit Die Anomalie ein originelles Rätselwerk vor, das intelligentes Sci-Fi-Mysterium und rasanter Thriller zugleich ist. Erzählt wird die Geschichte nach und nach aus unterschiedlichen Perspektiven – fast wie bei einer TV-Serie: Da wären der Attentäter Blake, der nigerianischen Musiker Slimboy, ein Schriftsteller und eine Schauspielerin, die ganz unterschiedlich mit der Existenz ihrer Kopien umgehen. Ebenso fesselnd sind die Thesen, mit denen Forscher und Verschwörungstheoretiker im Buch ankommen, um das Mysterium zu erklären. Darunter die These, dass unsere Welt tatsächlich nur eine Simulation ist.
Pacific Storm
Ein Hurrikan, wie ihn die Welt noch nicht erlebt hat, hat Hawaii verwüstet. Er war so stark, das ganze Teile von Oʻahu hinweg gerissen wurden. Den USA fehlte das Geld für Hilfe und Wiederaufbau. Daher wurde Hawaii kurzerhand an China verpachtet, das Honolulu und die Strände restaurierte und einen riesigen Schutzwall errichtete, der solche Katastrophen in Zukunft vermeiden soll. In diesem bizarren Umfeld ermittelt die Polizistin Ava Arnett in einem zunächst beliebig erscheinenden Sexualverbrechen. Jedoch wird ihr die Arbeit durch Vorgesetzte und einem Hacker erstaunlich schwer gemacht.
Und auch HADAFA, eine Künstliche Intelligenz, die ihr mit Analysen und Verhaltensprognosen zur Hand gehen soll, scheint bei diesem Fall nicht so zu funktionieren, wie sie sollte. Insbesondere, nachdem am Strand ein Spion angespült wird. Linda Nagatas Pacific Storm konstruiert eine eigentümliche, aber keineswegs unglaubwürdige Zukunftsvision. Und genau die ist es, die mitreißt und weiterlesen lässt, selbst wenn die eigentliche Geschichte sich an so einigen bekannten Klischees aus Tom-Clancy-Romanen bedient. Mit seinen 264 Seiten ist Pacific Storm dazu auch für Lesemuffel gut schaffbar.
Skyfall
Die Prometheus ist ein Triumph der Ingenieurskunst – und ein Symbol dafür, was sich erreichen lässt, wenn Supermächte ihre Differenzen überwinden. Denn das 20.000-Tonnen-Raumschiff wurde gemeinsam von den USA und der Sowjetunion in den Erdorbit geschafft. Es soll die Energie der Sonne ernten und auf die Erde strahlen, um die Energieprobleme der Menschheit zu lösen. Aber nach anfänglicher Euphorie geht alles schief. Ein Triebwerk versagt, ein Teil des Schiffs bricht ab, stürzt auf die Erde und löscht ein Dorf in England aus.
Dann kommt es zu einem Sonnensturm, der die Systeme der Prometheus beschädigt, die nun über der Erde zu zerbrechen droht. Passiert das, würde sie mit ihrem Kernreaktor weite Teile des Planeten verstrahlen. Die Besatzung der Prometheus muss nun alles tun, um das Schlimmste zu verhindern. Skyfall von Harry Harrison erschien bereits 1976, aber liest sich wie ein moderner Weltraumthriller á la Gravity oder Ad Astra, der es schafft, Action und Authentizität in die Wage zu bringen. Tatsächlich würde Skyfall wohl fantastisch auf der Leinwand funktionieren.
The Apollo Murders
Ein echter Astronaut schreibt einen Thriller über die Raumfahrt? Das ist schon etwas Besonderes – und liest sich gut. Denn in The Apollo Murders erdenkt Chris Hadfield einen alternativen Verlauf für das Apollo-Programm. In seiner Geschichte geht es nach Apollo 17 noch weiter. Der Ex-Astronautenanwärter Kaz Zemeckis, der infolge eines Unfalls ein Auge verlor, beaufsichtigt nämlich gerade die Planung von Apollo 19: der erste NASA-Flug, der Militärgerät an Bord haben soll. Doch abrupt kommt einer der Astronauten ums Leben, der mit Apollo 19 ins All starten sollte. Kaz Zemeckis soll herausfinden, wie das geschehen konnte.
Bei seinen Ermittlungen stößt Zemeckis auf immer mehr Merkwürdigkeiten: sowjetische Spione, hochentwickeltes Geheimdienstgerät, eine mysteriöse Entdeckung auf dem Mond und vieles mehr. Das macht The Apollo Murders zu einem atemlosen Thriller. Was den Roman aber hervorhebt, ist, dass Hadfield es schafft, all das mit seinen Einblicken in die NASA zu verknüpfen, technische und bürokratische Details einzuweben, die die Geschichte selbst an seinen fantastischsten Stellen, glaubwürdig bleiben lassen. Ein imposantes Ausnahmewerk – das idealen Stoff für eine Netflix-Serie bieten würde!
Where They Wait
Auch Nick Bishop blieb vom Wandel der Medienbranche nicht verschont. Er verlor den Job bei der Zeitung, für die er viele Jahre geschrieben hat. Jedoch gelangt er als Freelancer sofort an einen offenbar einfachen Auftrag. Er soll einen Erfahrungsbericht über die App Clarity schreiben, eine dieser angesagten Achtsamkeits- oder Mindfulness-Apps. Bishop macht sich sofort ran. Er meditiert nach den Anweisungen des Programms. Er hört sich entspannendes Weißes Rauschen an – und manches davon scheint tatsächlich zu funktionieren. Doch dann… sind da die sogenannten Sleep Songs.
Die Lieder, die beim Einschlafen helfen sollen, die Clarity abspielt, sind so gar nicht beruhigend. Eher das Gegenteil. Sie könnten glatt aus einem Horrorfilm stammen. Und tatsächlich erlebt der Journalist alsbald schreckliche Albträume, die ihm den Verstand und den Schlaf rauben. Where They Wait ist keine sonderlich tiefsinnige, sondern angenehm kurzweilige Tech-Horror-Geschichte, in der Autor Scott Carson gekonnt aktuelle Trends und Internet-Mythen aufgreift. Das zieht durchaus mit und ist dadurch trotz der 400 Seiten schnell weg gelesen.
Exit this City
Rund 140 Jahre in der Zukunft hat sich viel verändert. Die Erde ist durch den Klimawandel in weiten Teilen zerstört. Und die einst mächtigen Industrienationen haben den Wettstreit um Technologie und Ressourcen gegen asiatische und südamerikanische Nationen verloren. Deutschland ist zur Agrarnation degeneriert, in der die meisten Menschen jedoch von synthetischer Nahrung leben müssen. Dazu werden genetisch veränderte Bienen eingesetzt, die den Ertrag steigern, deren Stich aber tödlich ist. Daher droht es nun zu einer Rebellion zu kommen: Ungewollt an vorderster Front ist die junge Veeru. Auf der anderen Seite der Welt, in Indien, bereiten sich Menschen wie Marti darauf vor, dass Hunderttausende bald durch einen radioaktiven Mega-Sturm getötet werden.
Der Roman der deutschen Autorin Lisa-Marie Reuter malt ein ziemlich düsteres Bild der Zukunft, das überzeichnet, aber durchaus greifbar wirkt – und in dem die Menschheit nichts aus den Katastrophen, die sie verursachte, gelernt hat. Nach und nach zeigt sich zudem, dass nicht alleinig die zerstörte Umwelt eine große Gefahr darstellt, sondern auch ein machthungriger Konzern, der Tod und Leid in Kauf nimmt, um seinen Gewinn und seine Dominanz zu steigern. Exit this City ist stringent geschrieben, beeindruckt mit zahlreichen wissenschaftlichen Details, überrascht mit manch schrägem Twist, aber lässt leider immer wieder den Draht zu den Hauptfiguren verlieren.
The Upper World: Ein Hauch Zukunft
Esso lebt in Peckham im Süden von London, in dem sich schon einmal verfeindete Banden in Schießereien aufreiben. Eines Abends wird der Teenager unfreiwillig zum Zeugen, als ein Gang-Mitglied ins Krankenhaus geprügelt wird. Er versucht, aus der Situation zu entkommen, aber wird prompt von einem Auto angefahren… und sieht plötzlich die Zukunft vor seinen Augen aufflackern. Und die sieht nicht gut aus. Er weiß, dass, was er sah, die Realität ist – oder sein wird. Und macht es zu seiner Mission, die Zukunft zu ändern.
Ganze 15 Jahre in der Zukunft versucht Rhia, die ohne ihre leiblichen Eltern aufwächst, eine Karriere als Fußballerin einzuschlagen, aber hadert mit der Schule. Da taucht plötzlich ein Mann namens Esso auf, der ihr nur zu gerne als Nachhilfelehrer seine Unterstützung anbietet. TheUpper World vom Physiker Femi Fadugba bietet eine emotionale Zeitreisegeschichte, die auch mit einer durchdachten Zukunftswelt begeistert. Drohnen, Künstliche Intelligenz, 3D-Drucker und vieles mehr wird clever in die Geschichte eingewoben. Ebenso wie die physikalischen Grundlagen von Zeitreisen und das philosophische Konzept des freien Willens.
Die Letzte macht das Licht aus
Andover, Kansas ist das neue Wuhan. Von dort aus verbreitet sich im Jahr 2023 ein Virus. Die Krankheit mit dem wohlklingenden Namen 6DM verbreitet sich rasend – und tötet immer. Sie greift direkt die lebenswichtigen Organe an und lässt sie verwesen. Im Dezember 2023 ist alles vorbei. Denn die gesamte Menschheit ist tot. Nun ja, nicht ganz: Eine Musikjournalistin hat in London überlebt – und hat keine Ahnung, wieso. Bethany Clift lässt die junge Frau in Die Letzte macht das Licht aus ihr Leben vor und bis zum tragischen Ende der fiktiven Pandemie resümieren, das von Selbstzweifeln und Selbsterkenntnis geprägt ist.
Tatsächlich liest sich Die Letzte macht das Licht aus wie eine apokalyptische Fassung von Bridget Jones. Denn trotz all des Todes, der Verwesung und des oft ziemlich bildlich beschriebenen Grauens ist der Roman eine humorig, ironische und dadurch herrlich makabre Selbstfindungsreise. Die namenlose und liebenswerte Protagonistin wandert mit einem Hund an der Seite durch leere Städte, betrinkt sich, sammelt alles, was sie gebrauchen kann und hofft, vielleicht doch noch einen anderen Menschen zu treffen. Trotz, aber vielleicht auch gerade ob der Corona-Pandemie macht dieser Endzeit-Roman viel Spaß – dessen Filmrechte sich übrigens schon Ridley Scott gesichert hat.
The Watchers: Wissen kann tödlich sein
Informationen sind Macht. Daher werden sie gehackt, gestohlen, verkauft und veröffentlicht. Die britische Regierung startet nun allerdings ein Programm, um seine wichtigsten Informationen sicher und abseits der digitalen Systeme aufzubewahren. Es entwickelt ein System, um Daten nachhaltig in menschlichen Gehirnen einzupflanzen. Zumindest den Gehirnen von Menschen, die über eine synästhetische Veranlagung verfügen. Und fünf solchen sonst vollkommen normalen Menschen werden die Geheimnisse des britischen Staates implantiert. Im Gegenzug erhalten sie in neues und von finanziellen Sorgen vollkommen befreites Leben.
Nur: Niemals dürfen die fünf Personen sich treffen oder im selben Raum aufhalten. Und wie sich zeigt, haben die implantierten Informationen so einige Nebenwirkungen. Die fünf Menschen erleben Halluzinationen, Paranoia und natürlich all die Last, die durch das Wissen um die dreckigen Geheimnisse der britischen Regierung entsteht. Nicht zuletzt: Das Projekt in The Watchers bleibt nicht geheim und bald ist jemand hinter den Datenträgern her. All das mündet in einen überbordenden und auch mit irrsinnigen Ideen überwältigenden Science-Fiction-Thriller, wie ihn Kenner von John Marrs erwarten.
Das Steinzeit-Virus
Hatten diese sogenannte Kryptozoologen, die von Nessie und Bigfoot reden, vielleicht doch recht? Leben in unserer Welt noch Wesen aus der Urzeit? Diese Frage stellen sich Forscher und kurz darauf die gesamte Welt, als im Kruger-Nationalpark in Südafrika ein Exemplar einer ausgestorbenen Elefantenspezies entdeckt wird. Doch schon wenig später zeigt sich, dass die Kryptozoologen doch falsch lagen. Die Antwort auf das Rätsel ist noch bizarrer: Ein Virus hat dafür gesorgt, dass sich ein Elefant in einen seiner genetischen Vorfahren zurückgebildet hat. Und dieses Tier bleibt nicht das einzige.
Bald schon springen und rennen mutierte Affen, Zebras und Großkatzen über den afrikanischen Kontinent. Die Paläontologin Anna Meunier und Mitarbeiter der WHO müssen herausfinden, wo das Virus herkommt – und wie es sich stoppen lässt. Denn plötzlich springt der genetische Rückbildungsmechanismus auf die ersten Menschen über – und bringt sie in den Status eines Homo erectus zurück. In großen Metropolen stolpern Menschen über die Straßen, die nicht in diese Zeit gehören. Mit Das Steinzeit-Virus skizziert der französische Autor Xavier Müller reizvolles Szenario. Leider wird der Roman der Idee nicht ganz gerecht, lässt aber dennoch Seite um Seite umblättern.
Blood World
Sie waren wohl doch auf der richtigen Spur, die abgedrehten Silicon-Valley-Milliardäre, die sich Blut von jungen Menschen in die Adern pumpen ließen. Zumindest in Blood World, in dessen Zukunftswelt Forscher entdeckten, dass das Blut mancher Menschen eine regenerative Wirkung hat. Infusionen mit diesem Blut drehen die biologische Uhr zurück, machen den Körper gesünder, schneller und den Verstand klarer. Jedoch werden die Infusionen von Regierungen verboten – weshalb sich ein reger Handel mit dem Blut von sogenannten Trägern entwickelt, die von Verbrecherbanden entführt und sprichwörtlich ausgeblutet werden.
Solchen Kartellen ist die Polizistin Ellie Batista auf der Spur – auch aus persönlichen Gründen: Ihr Bruder war einst entführt worden, da auch sein Blut diese heilenden Kräfte hat. Während ihrer Ermittlung verbreitet sich Pandora, ein potenzierter Blut-Mix, der Menschen in Übermenschen verwandeln kann. Chris Mooneys Blood World ist ein grimmiger und düsterer Science-Fiction-Krimi, der deutlich stimmiger und unterhaltsamer ist, als es in diesen paar Zeilen klingt. Denn dem Autor gelingt es, auf den rund 500 Seiten eine in sich logische Welt aufzubauen, die sonderbar, brutal und erschreckend wirkt.
Der lange Nachmittag der Erde
Brian W. Aldiss’ The Long Afternoon of Earth erschien bereits 1962 und wurde später als Am Vorabend der Ewigkeit auch auf Deutsch publiziert. Jetzt ist mit Der lange Nachmittag der Erde eine zeitgemäße Neuübersetzung des skurrilen Science-Fiction-Meisterwerks erschienen, das zwei Milliarden Jahre in der Zukunft angesiedelt ist. Die Sonne hat sich in dieser Zeit aufgebläht und ein Gros der Lebensformen auf der Erde zerstört oder gezwungen, sich anzupassen. Plötzlich stehen hier Bäume, die so groß wie Städte und Korntinte werden. Oder Gräser, die mit Hochhäusern verwechselt werden könnten. Die Menschen wurden hingegen kleiner und grüner– und haben sämtliche Technologie vergessen.
Die Handlung dreht sich um Gren. Er ist einer der wenigen Mannkinder, die es noch unter den Menschen gibt und genießt dadurch in seinem von Frauen dominierten Stamm besonderen Schutz. Aber Gren will mehr und wendet sich nach und nach von seiner Sippe ab – und stolpert hinein in ein bizarres Abenteuer. Er wird von einem intelligenten Pilz befallen, trifft auf Menschenwesen, die von einem parasitären Baum gefangen gehalten werden und vieles mehr. Der lange Nachmittag der Erde war und ist auch heute noch ein fantasievolles, bizarres und radikales Romanwerk, das mit einer ganz eigenen Sprache und seiner absonderlichen Welt verzaubert.
The Heap
Es war ein Monstrum. Mitten in einer namenlosen Wüste wurde mit dem Los Verticalés ein 500-Stockwerke-Mega-Hochhaus gebaut. Ein „Wunderwerk der modernen Architektur“, das dann aber aus unerfindlichen Gründen einstürzte und einen riesigen Schutthaufen zurückließ, der einen ganzen Landstrich unter sich begrub. Peter Thisbee, ein gefeierter Unternehmer und Architekt des Turms, sucht nun nach Freiwilligen für die Aufräumarbeiten – und eine Rettungsaktion, falls jemand, wie durch ein Wunder, den Einsturz überlebt haben sollte. Wie etwa Bernard Anders, ein Radio-DJ, der aus seinem verschütteten Studio weiterhin eine Sendung produziert.
Junge und idealistische Menschen reisen an, um sich durch das Geröll zu wühlen, Leichen und Wertsachen zu bergen. Um den zerstörten Turm entsteht eine Kommune, die nach und nach eher einem Festival gleicht. Sean Adams’ The Heap ist eine scharfsinnige, wenn auch etwas verworrene Satire, die das Stadtleben, die Verehrung von Unternehmern als Heilsbringer, soziale Hierarchien und die Sinnsuche der Social-Media-Generationen aufs Korn nimmt. Dafür umreißt Adams zahlreiche bemerkenswerte und unterhaltsame Anekdoten, neben denen die eigentliche Haupthandlung fast schon überflüssig wirkt. Sowieso wirkt The Heap zum Teil wirr, unkonzentriert und wunderlich. Wobei sich nicht sagen lässt, ob das gewollt ist, oder nicht.
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Jane Smith ist nicht der richtige Name von Jane Smith. Denn sie arbeitet als Beraterin in Sicherheitsfragen. Einestages erhält sie einen merkwürdigen Umschlag mit einem Brief darin, der sie zu einem Mietlager führt. Dort findet sie einen präparierten Kolibri. Der wiederum führt sie zu einem ausgestopften Salamander. Und… die weiteren Puzzleteile lenken sie irgendwann zu einer toten Frau. Nämlich Silvina, die den Brief schrieb. Sie war die Tochter eines bekannten Industriellen, aber auch eine gesuchte Öko-Terroristin.
Die so beharrliche wie auch arrogante Jane Smith zieht es nach und nach in einen bizarren Kaninchenbau aus Hinweisen, Fakten und Theorien dazu, wo sie da eigentlich hineingeraten ist. Geht es um eine Verschwörung? Das Ende der Welt? Einen Weltrettungsplan? Oder vielleicht um sie selbst? Ja, Hummingbird Salamander ist eine obskure Erzählung, die dem Leser nur das nötigste an die Hand gibt, aber damit vor dem geistigen Auge eine traumartige und rätselhafte Welt ausstaffiert, die ganze eigene Regeln hat. Und das funktioniert – über weite Strecken – sehr gut. Kein Wunder, ist der Autor doch Jeff VanderMeer, der schon die bekannte Southern-Reach-Trilogie schrieb.
Cryptos
Es war nicht mehr aufzuhalten. Die Erde befindet sich in einem Katastrophenkreislauf. Waldbrände, Überschwemmungen, Hagel- und Gewitterstürme von ungekanntem Ausmaß sind die Regel, nicht mehr die Ausnahme. Es ist kaum noch zu ertragen. Daher flüchten sich die Menschen mittels Spezialanzügen in virtuelle Welten, die Fantasy- und Science-Fiction-Kulissen und historischen Epochen nachempfunden sind. Die junge Jana ist eines der Talente, die solche Kulissen erschaffen – und wird daher vom Unternehmen Mastermind rekrutiert, das einer mächtigen Milliardärsfamilie gehört.
Zunächst ist Jana begeistert. Denn ihre Welten erreichen nun ein gigantisches Publikum. Aber schon bald bemerkt sie einen merkwürdigen Trend: Vor allem in ihrem virtuellen Fischerdorf Kerrybrook treten besonders viele Exits auf – Menschen sterben, während sie sich dort aufhalten. Die Verantwortlichen bei Mastermind sehen kein Problem. Daher macht sich die junge Entwicklerin selbst auf die Suche nach Antworten. Die Autorin Ursula Poznanski erschafft in Cryptos einen spannenden Science-Fiction-Krimi, der sich zwar an jünger Leser richtet, aber dennoch erstaunlich düster daherkommt.
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