Wie der Krypto-Pionier David Chaum mit antiken Ideen und Privatsphäre die Demokratie retten will

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David Chaum ist einer der Urväter des Bitcoin und der modernen Kryptographie. Jetzt will er mit seinen Verschlüsselungstechniken die Demokratie gegen alte und neue Feinde wappnen. Wir sprechen mit ihm ausführlich über die Herrschaft der KI und der Quantencomputer, all- und ohnmächtige Staaten – und die Renaissance der Privatsphäre in der digitalen Welt.

Ein Interview von Krischan Lehmann

„Können wir noch mal kurz die Aufnahme stoppen? Ich möchte dir was zeigen, aber das gedruckte Exemplar liegt in einem anderen Zimmer.“ Als David Chaum zurückkommt, hält er die erste Seite eines Essays, an dem er seit einiger Zeit arbeitet, vor die Webcam. „Democracy not doomed, but can flourish“ („Die Demokratie ist nicht dem Untergang geweiht, sondern kann erblühen“), lautet der Arbeitstitel des Papers. Es ist eine Art Rettungsplan für die Demokratie – die Chaum durch Fake News und Deep Fakes im Netz akut bedroht sieht. Und nun zusätzlich durch massenhaft KI-generierte politische Botschaften, die schon bald die sozialen Netzwerke fluten werden, algorithmisch perfekt auf die eh schon stark polarisierten Zielgruppen zugeschnitten. „Die moderne KI stellt einzelne politische Gedanken oder Positionen grundlegend in Frage“, sagt er. „Sie werden nahezu bedeutungslos.“

„Informationskolonialisierung“ nennt Chaum diesen beunruhigenden Trend und fürchtet, dass die Staaten – nicht die Bürger – zunehmend unregierbar werden: „Die Technologie von heute ermöglicht zentralisierte Machtstrukturen in einem solchen Maße, dass das unumkehrbare Auswirkungen auf die Governance von Staaten haben kann. Wenn Menschen an den Schaltern der Macht sitzen, dann können Menschen die Dinge, mit denen sie unglücklich sind, auch wieder ändern. Aber wenn Maschinen – von der KI über den Roboter bis zum Kriegsgerät – alles kontrollieren, dann gibt es wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich die Verhältnisse umkehren lassen.“

Weil David Chaum 1983 in seiner bahnbrechenden Arbeit „Blind signatures for untraceable payments“ die kryptographischen Grundlagen für digitales Geld legte und mit eCash Mitte der 90er ein frühes elektronisches Zahlungssystem auf den Markt brachte, wird er heute meist mit Kryptowährungen wie Bitcoin assoziiert. Im Grunde aber denkt Chaum schon immer in viel größeren gesellschaftlichen Zusammenhängen und in erster Linie politisch.

Es würde mich nicht wundern, wenn das FBI Videoaufnahmen von mir hätte, auf denen ich mit Plakaten herum marschiere und gegen Richard Nixons Politik protestiere.

Tief beeindruckt von den Studentenbewegungen der ausgehenden 60er-Jahre galt sein Augenmerk der Privatsphäre, dem Datenschutz und den neuen Möglichkeiten von Informationstechnologien in politischen Prozessen. Er wollte demokratische Wahlen im Digitalen ermöglichen. Allerdings war er damit in den 80ern viel zu früh dran – und in seiner neuen wissenschaftlichen Disziplin auch sonst recht allein: „Ich hatte schon in jungen Jahren tiefe Erkenntnisse darüber, wie mächtig Informationstechnologien sein können. Und ich dachte, dass es längst wissenschaftliche Theorien zur Sicherheit von Informationen geben müsste. Aber die gab es alles nicht. Also habe ich angefangen, mir das Wissen selbst anzueignen. Denn mir war irgendwann klar: Diese Technologien können verhindern, dass sich die Welt in die falsche Richtung bewegt.“

Heute, da ist sich Chaum sicher, stehe man in Sachen Datenschutz an einer wichtigen Weggabelung, an der es kein Dazwischen und kein Zurück mehr gäbe. „Entweder sind die staatlichen Mächte in der Lage, alles zu überwachen, was man tut, oder man selbst hält die Schlüssel für seine Privatsphäre in der Hand, um genau dies zu verhindern. Vielen ist gar nicht klar, dass es hier keinen Mittelweg geben kann. Und am Ende dreht sich alles um die Frage, ob dein Messenger auf dem Smartphone der Regierung offen steht, wie es bei WeChat in China passiert, oder eben nicht.“

Mit dem xx Messenger wollen wir ein WeChat mit eingebauter Privatsphäre für liberale Demokratien bauen. Ganz einfach.

Aber wie kann man Überwachungstechniken begegnen, die immer schneller und komplexer werden und zunehmend ein Eigenleben entwickeln? Der Launch des xx Messenger, einer auf der Blockchain basierenden, besonders abhörsicheren Messaging-App für Smartphones, war für David Chaum nur der erste Schritt. „Ich habe mir monatelang den Kopf zerbrochen. Es war ein wirklich zermürbender und verstörender Prozess. Und dann habe ich plötzlich verstanden, dass ich nur die verschiedenen Dinge, an denen ich 40 Jahre lang gearbeitet habe, zu einem großen Ganzen zusammensetzen muss.“

Was Chaum vorschwebt ist ein konsistentes digitales Ökosystem, das verschiedene kryptographische Verfahren kombiniert und am Ende der Privatsphäre des Menschen eine – im wahrsten Sinne des Wortes – staatstragende Rolle ermöglicht.

1E9: Was braucht man alles für die digitale Privatsphäre, wie du sie verstehst?

David Chaum: Zunächst eben private direkte Nachrichten und Chatfunktionen für kleine Gruppen. Dann aber auch die Möglichkeit, Informationen zu kaufen und zu verkaufen, um einen Journalismus zu ermöglichen, der ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen funktioniert. Denn es ist völlig klar: Wenn jede einzelne Zahlung, die du tätigst oder erhältst, transparent ist, dann verrät das schon eine ganze Menge über deine Kontakte und Aktivitäten. Also müssen auch deine finanziellen Handlungen geschützt werden. Und natürlich musst du dich am Ende vergewissern können, dass es die versprochene Privatheit wirklich gibt. Sie muss erkennbar und nachweisbar sein.

Ich habe im Vorfeld dieses Interviews mit einigen Leuten über private Messenger gesprochen und die Reaktionen waren äußerst gespalten. Die einen sehen darin die längst fällige Antwort auf die Datenkraken im Netz, die anderen fürchten ein neues Eldorado für Terroristen und Kriminelle. Was ist denn für dich ein sinnvoller Blick darauf?

David Chaum: Es ist ganz klar: Ohne die Möglichkeit, eine Art privaten Rat zu halten, um mit den Freunden und der Familie in einem geschützten Raum zu kommunizieren, kann man sich nicht politisch entwickeln. In der Isolation oder in einem Panoptikum, in dem jeder alles sieht, geht das nicht. Man braucht Zugang zu Informationen – ohne Angst vor Überwachung, Bloßstellung und Strafe. Und man muss eben auch in seiner privaten Sphäre kommunizieren können. Das ist grundlegend für die Demokratie und am Ende für die Freiheit im weitesten Sinne.

Und dennoch sind die Befürchtungen, dass man damit völlig rechtsfreie Räume schafft, ja nicht unberechtigt…

David Chaum: Aber das hat es doch in der Menschheitsgeschichte schon immer gegeben! Man konnte immer zu jemandem sagen: ‚Hey, lass uns rausgehen, ich möchte dir was erzählen.‘ Man hatte immer das Recht, privat mit anderen Leuten zu kommunizieren, von denen niemand wusste, dass man sie kennt. Man konnte sich immer eine Zeitung am Kiosk oder bestimmte Informationen in einer Bibliothek holen, ohne dass das Ganze öffentlich war. Das ist eine fundamentale Sache. Und daran ist nichts Neues oder gar Beängstigendes. Es ist schlicht die Grundlage für die Teilnahme an der Demokratie.

Es gibt dich als öffentliche Person mit verschiedenen Sphären und es gibt dich als private Person, die geschützt werden muss, um ein funktionaler Teil einer Demokratie zu sein.

In Deutschland gibt es derzeit immer wieder Diskussionen darüber, wie man z.B. mit Gruppen von Verschwörungstheoretikern oder Staatsfeinden umgehen soll, die sich in Telegram-Gruppen organisieren und dort z.B. Todesdrohungen gegen Politiker ausstoßen…

David Chaum: Das ist einfach ein zweischneidiges Schwert! Betrachte das Thema mal aus einer anderen Perspektive: Es hat sich ja herausgestellt, dass die Apps, mit denen verschiedene Arten von Massenprotesten organisiert wurden, später von den Regierungen zum Abwürgen genau dieser Bewegungen genutzt wurden. Zum Beispiel im Arabischen Frühling, wo manche Leute auf mysteriöse Weise verschwunden sind, bevor die vorherigen Machthaber und das Militär wieder das Ruder übernommen haben. Oder nimm andererseits die sehr erfolgreichen Protestbewegungen in Taiwan oder Hongkong, die eine Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert haben. Sobald man die Unterstützung einer Mehrheit vorweisen kann, wird der Einfluss von solchen Apps eher positiv gewertet.

In den 60ern gab es viele Bücher über die Theorie der Demokratie, in den letzten 20 Jahren kam da praktisch gar nichts mehr. Es ist ein totes Feld.

Ich glaube, dass der ganze Mechanismus der Meinungsbildung heute schief läuft. Sie sollte gar nicht über Protestbewegungen erfolgen müssen – wo es oft einem eher kleinen Teil der Gesellschaft auch darum geht, Spaß zu haben, andere Leute zu treffen, sich gemeinsam aufzuregen, Schaden anzurichten und damit unnötig das Strafrechtssystem zu beschäftigen. Was man eigentlich bräuchte, wäre ein neuer Weg, um die Mehrheitsfindung rund um bestimmte gesellschaftliche Themen zu verbessern. Es ist ein ganz natürlicher Vorgang, dass sich die Menschen für Sachen einsetzen. Deshalb sollte man Mittel und Wege finden, wie man diesen Einsatz öffentlich und die Mehrheiten dafür beweisbar macht.

Und wie könnte das gehen?

David Chaum: Damit beschäftige ich mich seit Ende 70er Jahre, als ich erstmals Wahlen über den Computer vorgeschlagen habe – und das ist kein leicht zu lösendes Problem. Zumindest wenn du demokratische Wahlen im Digitalen haben willst, die nicht einfach nur eine Kopie des guten alten Wahllokals mit seinen Stimmzetteln sind. Das ist ja in seiner Komplexität und Skalierbarkeit stark eingeschränkt. Du musst häufigere Abstimmungen durch mehr Menschen ermöglichen und idealerweise mit einer größeren Streuung der Stimmen. Das wird z.B. durch die „Random Sample Voting“-Methode erreicht, mit der man klar nachweisen kann, dass es für bestimmte Themen eine Mehrheit von zufällig ausgewählten Menschen gibt – was auch Leuten vermittelbar ist, die wenig Ahnung von Statistik haben.

Im Grunde geht es also um eine neue Form der direkten Demokratie?

David Chaum: Direkte Demokratie hat so eine schlechte Reputation. Überhaupt ist der Diskurs rund um Demokratie so unglaublich politisiert. Das Wort „Demokratie“ wurde eigentlich neu definiert und bezeichnet heute die „Repräsentative Demokratie“. Ich beziehe mich eher auf die Demokratie im athenischen Griechenland, dessen Ideen, Werte und Ideale unsere westliche Zivilisation begründet haben.

Das große geistige Erbe des athenischen Griechenlands zeigt die Durchschlagskraft von Menschen, die auf eine dezentrale Weise zusammenarbeiten.

Damals gab es ein sehr mächtiges und ausgefeiltes Jury-System. Wenn du als Gesetzgeber ein Gesetz einführen wolltest, das einige Bürger als verfassungswidrig erachteten, konnten sie dich vor eine Jury bringen. Das waren dann, sagen wir, 600 Juroren, die nachweisbar zufällig ausgewählt wurden, dann nicht mehr miteinander sprechen durften und am Ende mit ihrer Stimme über das Wohl und Wehe des Gesetzgebers entscheiden konnten. Es ist eine Form der direkten Demokratie, aber eben kein Plebiszit.

… die allerdings ziemlich in Vergessenheit geraten ist.

David Chaum: Es war eben ein ziemlich einfaches Prinzip, das in einer landwirtschaftlich geprägten Stadt wie dem alten Athen gut funktionieren konnte, aber mit einer wachsenden Komplexität der Gesellschaft zunehmend weniger. Jetzt – mit dem Web und den Smartphones – haben wir aber wieder die Situation, dass jeder Mensch sich zu so ziemlich jedem Thema sinnvoll äußern könnte, wenn er eine ganze Woche Zeit hätte, sich damit zu beschäftigen. Das ist das Wunder des Internets. Es ermöglicht uns jetzt – nach 2500 Jahren – die wirkliche Demokratie! Und das ist der Weg, den ich vorschlage.

In vielen Ländern – gerade der westlichen Welt – stehen die Alterspyramiden nahezu auf dem Kopf. Junge Wähler haben vielleicht die für eine Gesellschaft nachhaltigeren Prioritäten, sind aber inzwischen stark in der Minderheit. Ist eine zufällige Auswahl der Leute, die wählen dürfen, dann das richtige Prinzip?

David Chaum: Diese Idee würde ich mir gerne ausleihen. Man könnte in der Tat demographische Variablen einbauen. Wenn es ein Problem gibt, das jüngere Menschen benachteiligt, könnte man ihnen dann einen höheren Anteil an der Zufallsauswahl zugestehen.

Und wie würdest du sicherstellen, dass sich die wenigen Auserwählten wirklich mit der Materie beschäftigen und am Ende auch abstimmen?

David Chaum: Das ist in der Tat das zentrale Problem und dazu habe ich ein eigenes Whitepaper geschrieben. Aber um es kurz zu machen: Wenn jeder das Gefühl hätte, dass es seine moralische Pflicht wäre, jedes Mal zur Wahl zu gehen, dann wäre das Problem gelöst. Nur ist das im Moment noch nicht gelernt. Deshalb wäre eine kurzfristige Lösung, den Leuten Preise bzw. eine Art Lotterie anzubieten. Die wird von Nationalstaaten ja im Moment dazu genutzt, um armen Leuten Geld abzuknöpfen. Aber wie wäre es, wenn sie Geld gewinnen könnten, sobald sie zur Wahl gehen? Das würde sogar über alle Gesellschaftsschichten hinweg funktionieren.

Der Endzustand, den ich anstrebe, ist, dass man nur zweimal im Jahr zu lediglich einem Thema abstimmen muss und dabei nur eine Ja-Nein-Frage beantwortet. Und du weißt, dass deine Stimme viel zählen wird, weil du einer von nur tausend Leuten bist. Es gibt wissenschaftliche Beweise dafür, dass Menschen eine Wahl unter solchen Bedingungen sehr ernst nehmen – zumal sie eben vorher genug Zeit haben, um sich mit dem Thema vertraut zu machen.

Aber wie kann man sich mit einem Thema vertraut machen, wenn es überall gefakte oder manipulierende Inhalte gibt? Woran wird man in Zukunft erkennen können, wer die vertrauenswürdigen Experten sind?

David Chaum: Das stimmt, es gibt immer nur wenige echte Experten, die auch wirklich in der Lage sind, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Und die meisten ihrer Kollegen mögen sie dann nicht, weil sie der Meinung sind, dass ihre Aussagen ungenau sind, dass sie sich verkaufen und zu viel Geld verdienen. Eine mögliche Lösung wäre eine KI, die den Experten ersetzt. Sie könnte Sachverhalte, für die man Experten konsultieren müsste, für dich zusammenfassen.

Ein Beispiel: Stell dir vor, du musst darüber abstimmen, ob es neue Straßenbeläge in deinem Viertel geben sollte. Dann könnte die KI sowas sagen wie ‘Wenn wir 10 Prozent des Budgets für die Instandsetzung verwenden, könnten wir die Verkehrstoten um 20 Prozent verringern, weil sich der Bremsweg der Auto um 30 Prozent reduziert.’ Das war jetzt komplett ausgedacht, aber der Punkt ist: Eine KI könnte dem Wähler verständlich erklären, was als gesichertes Wissen gilt, was in der technischen Literatur dazu steht und was die anderen Bürger meinen. Und sie könnte mit Hilfe eines von mir mitentwickelten kryptographischen Verfahrens namens ‘Multi-Party-Computation’ (MPC) der Welt auch beweisen, dass die Aussagen wahr sind.

Außerdem hat das Wissen, das man zur Abstimmung braucht, ein begrenztes Ausmaß. Und es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Experten, Fachzeitschriften, Konferenzen und Universitäten. Also hat man genug Zeit, im Vorfeld das gesammelte Wissen zu analysieren, und ich glaube nicht, dass es darüber dann große Kontroversen geben würde – erst recht, wenn das Thema zunächst losgelöst von den Problemstellungen betrachtet wird.

Andererseits wird gerade im akademischen Betrieb der USA intensiv darüber diskutiert, wer über Privilegien verfügt und den Diskurs in den Wissenschaften überhaupt bestimmt…

David Chaum: Ja. Mir wird immer sehr bewusst, wenn ich mich mit der Antike beschäftige, wie wenig Ahnung von Geschichte wir tatsächlich haben. Die meisten Menschen, die auf diesem Planeten lebten, haben keinerlei Spuren hinterlassen. Wir reden über den Ackerbau in Deutschland, dabei hat es viel mehr Fischer an den Stränden dieser Welt gegeben. Und wir haben es auch gut hingekriegt, die 60.000 Jahre alte Kultur der Aborigines in Australien förmlich auszulöschen.

In der Fakultät für Geschichte in Harvard, die als weltweit führend gilt, fängt die Geschichte der Menschheit praktisch bei den Europäern an, die Gerste anbauen und mit Schießpulver rumballern. Das ist Irrsinn. Aber so ist es nun mal. Jetzt sollten wir nach vorne schauen und überlegen, wie wir der Mehrzahl der Menschen mehr politische Macht geben. Und ich glaube, dass sich am Ende die Weisheit der Masse durchsetzen wird. Denn wer sollte über die Masse der Menschen entscheiden, wenn nicht die Masse der Menschen?

Und wie gehst du jetzt konkret vor?

David Chaum: Ich habe mit einem internationalen Forscherteam und meinen Kollegen von xx network das System VoteXX entwickelt. Es ermöglicht sichere, geheime und freie Online-Wahlen. Damit kann man eindeutig nachprüfen, ob die Stimmabgabe und -auszählung korrekt erfolgt ist. Die Anonymität der Wähler und Wählerinnen bleibt gewahrt und ihr Abstimmungsverhalten bleibt geheim. Und weil sie ihr Votum für eine gewisse Zeit nach der Stimmabgabe anonym ändern oder gar widerrufen können, immunisiert sie das System gegen die Einflussnahme durch Dritte. Im nächsten Schritt wollen wir VoteXX einem Praxistest unterziehen.

Außerdem haben wir – Achtung, Werbeblock! – kürzlich das Projekt https://7th.estate/ gesponsert, ein kleines Comic-Booklet. Es zeigt eine Möglichkeit auf, wie man mit einem sehr kleinen Budget, nämlich tausend Briefmarken und Briefumschlägen, einen öffentlichen Beweis dafür erbringen kann, dass eine Mehrheit der Leute auf einer Mailingliste ein bestimmtes Thema unterstützt. Wir haben dafür die Open Source-Software geschrieben und bereiten auch hier gerade Tests vor. Und dann hat mein Team von Elixxir kürzlich die Alpha-Version von Speakeasy gelauncht.

Eine Social Media-Plattform.

David Chaum: Im Grunde eine völlig neue Kommunikationsplattform auf Blockchain-Basis. Wer sich mit Kryptographie und verschlüsselter Kommunikation auskennt, wird schnell merken, welches Potenzial da drin steckt.

Und das wäre?

David Chaum: Speakeasy ist zunächst so ähnlich wie Discord. Man kann eigene Kanäle erstellen, in die man nur mit Einladung reinkommt. Allerdings muss man sich nirgends registrieren. Du legst nur ein Passwort fest. Daraus generiert Speakeasy eine Reihe an zufälligen Codenamen, von denen du dir einen aussuchen kannst. Das alles erfolgt lokal auf deinem Rechner. Kein Server und keine Datenbank kennt diese Daten. Und auch danach musst du dir keine Sorgen machen, dass irgendwo gespeichert wird, wer wann mit wem über was geredet hat.

All diese Daten und Metadaten werden mithilfe von über 400 global verteilten Netzwerkknoten im xx network verteilt, verschlüsselt und dann geschreddert. Auf diese Weise kann man sich mit Menschen auf der ganzen Welt so vertraut austauschen, als gehörten sie zum engsten Familien- und Freundeskreis. Das dürfte Speakeasy auch für Whistleblower, politisch Verfolgte und den Investigativ-Journalismus interessant machen.

Ihr behauptet, dass die Blockchain des xx networks „das erste und einzige quantenresistente Ökosystem“ sei. Wie real ist die Bedrohung von Verschlüsselungsmechanismen durch Quantencomputer denn schon? Oft hört man, dass ein Einsatz der Technologie noch fraglich oder zumindest viele Jahre entfernt sei.

David Chaum: Die Geschichte der Kryptographie wird dich lehren, dass nur ein Narr glaubt, die Mächtigen hätten nicht die kryptoanalytischen Fähigkeiten, um die derzeit besten Systeme zu knacken. Im Zweiten Weltkrieg haben die USA zugelassen, dass vollbesetzte Passagierschiffe von der deutschen Marine versenkt wurden, weil sie nicht preisgeben wollten, dass sie deren Codes kannten. Du findest im Netz Bilder von kryptoanalytischen Rechenzentren, die die US-Regierung vor 30 Jahren gebaut hat. Dafür gibt es ein riesiges Budget.

Beim Quantencomputer geht es im Moment darum, einen echten Durchbruch zu erzielen. Es gibt Dutzende verschiedene Wege und noch ist es schwer vorherzusagen, welcher sich durchsetzt. Aber man kann sich sicher sein, dass die Regierungen vor der Tür stehen, sobald irgendwo der Durchbruch gelingt. Und dann werden sie sagen, dass es die patriotische Pflicht dieser Forscher sei, die Ergebnisse nicht zu veröffentlichen und die komplette Produktion an den Staat zu verkaufen.

Wie in einem Tom Clancy-Thriller…

David Chaum: Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe die International Association of Cryptologic Research gegründet – zu einer Zeit, als die NSA schon sehr aktiv war. Deren damaliger Direktor kündigte an, jeden ins Gefängnis zu stecken, der so etwas macht. Also hatte ich es plötzlich mit der allmächtigen US-Regierung zu tun. Ich habe es trotzdem gemacht, weil mir eine freie Kryptographie ein zu großes Anliegen war. Einer meiner Freunde hat dann bei unserer Konferenz einen Vortrag über Quantenkryptographie gehalten. Das war sozusagen der Anfang des Quantencomputers.

Man kann es so zusammenfassen: Wenn es einen Messenger gäbe, der die Privatsphäre vor Quantentechnologie schützt, sollte man am besten sofort darauf umsteigen. Denn wenn die Privatsphäre einmal verloren ist, dann bleibt sie es auch.

Können wir mal über den Bereich der Kryptowährungen reden? Du bist ja eine Art Paul McCartney der Kryptowährungen. Nach den großen Pleiten des Terra Luna-Projekts und der Börse FTX letztes Jahr wird die Branche – mal wieder – fundamental in Frage gestellt. Wie bewertest du diese Entwicklung?

David Chaum: Ich glaube, man kann beide Fälle nicht 1:1 vergleichen. Aber solche Skandale erschüttern natürlich das Vertrauen in den Krypto-Markt und einige seiner bekanntesten Vertreter. All das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Denn es gehört ja gerade zu den zentralen Wertversprechen von Kryptowährungen, dass man eben nicht auf die Rechtschaffenheit einer einzelnen Person oder Institution vertrauen muss. Genau das tut aber jeder, der seine Kryptowährungen bei einer zentralisierten Börse wie FTX liegen hat.

Wenn selbst renommierte Investment-Giganten wie Blackrock auf FTX reinfallen, ist es nachvollziehbar, dass Kleinanleger das als eine Art Gütesiegel begreifen.

Das soll nicht heißen, dass zentralisierte Exchanges per se etwas Schlechtes sind. Sie ermöglichen Einsteigern einen bequemen Zutritt in die Krypto-Welt und tragen damit zur Massenadoption von Kryptowährungen bei. Deshalb ist es zu begrüßen, dass nun einige große Börsen damit begonnen haben, ihre Reserven offenzulegen und regelmäßig zu beweisen, dass sie auch im Falle eines „Bank Runs" liquide sind. Genauso wichtig ist es jedoch, die Leute weiter über die Grundlagen von Kryptowährungen aufzuklären. „Not your keys, not your coins" ist keine hohle Floskel, sondern ein elementarer Sicherheitstipp.

Und was denkst du über die häufig geäußerte Kritik, dass Blockchain-Technologie nur so tut, als sei sie demokratisch, in Wahrheit aber zutiefst elitär ist, weil es viel Expertise braucht, um verständig und sicher damit umzugehen?

David Chaum: Da steckt natürlich ein Körnchen Wahrheit drin. Und das erinnert mich an eine lustige Geschichte, die ich mit Phil Zimmermann erlebt habe, dem Erfinder der Verschlüsselungssoftware Pretty Good Privacy. Wir hatten damals per Mail Kontakt und ich schlug ihm vor, doch PGP für unsere private Konversation zu benutzen. Aber er hat nur abgewunken und gesagt, dass ihm das viel zu kompliziert sei.

Für einen „iPhone-Moment“ im Krypto-Space werden wir eine Messenger-Software auf dem Smartphone brauchen, die alle möglichen Services – inklusive Zahlungen – nahtlos integriert. Deshalb bauen wir den xx Messenger.

Aber wollen die Leute in so einem Setting wirklich ihre eigene Bank sein?

David Chaum: Da gibt es technisch gesehen in der Tat noch viel Luft nach oben – und natürlich ist die Vorstellung verrückt, dass einige Krypto-Pioniere mit Milliarden von Dollar an ihrem Schlüsselring rumlaufen. Ich kenne solche Leute und an denen geht das sicherlich nicht spurlos vorbei. Auf der anderen Seite gibt es genug Menschen in Ländern wie Nigeria, wo Selbstverwahrung von Kryptowährungen wirklich hilfreich ist und den Bewegungsradius stark erhöht. Am Ende werden es nicht nur mehr die jungen Leute sein, die damit hantieren. Meine Mutter schreibt mir inzwischen über den Apple-Messenger.

Wie sieht denn dein größeres Bild für das Web3 aus? Auf der einen Seite gibt es die großen Unternehmen wie Facebook oder Google, die jetzt massiv ins Metaverse und auch in Blockchain-Technologien investieren. Dann haben wir die Regierungen, die zunehmend Notiz vom Web3 nehmen und das Treiben ihrer Bürger dort überwachen und regulieren wollen. Und dann gibt es die im Vergleich noch ziemlich kleine Krypto-Szene, die diese ganz großen Weltveränderungspläne hat…

David Chaum: Und du glaubst wohl, dass die Krypto-Leute verlieren werden? (lacht)

Für mich ist der Ausgang noch völlig unklar.

David Chaum: Gemessen an der reinen Machtverteilung erscheint die Lage klar. Interessanter wird es, wenn man eine Schicht tiefer geht und sich anschaut, was die einzelnen Akteure erreichen wollen. Die Regierungen brauchen lediglich die Steuergelder, sie haben eigentlich keine große Lust auf Regulierung. Das ist das Problem mit dem Konzept des Allgemeinwohls. Es gibt viele Dinge, die im Interesse aller sind, aber viele davon sind nicht im besonders großen Interesse aller.

Natürlich können die Regierungen jetzt die ganzen Kryptobörsen regulieren und alle Wege dahin und von dort kontrollieren, aber wenn die ganze Wirtschaft in den Cyberspace geht, trifft es die Staaten da, wo es wirklich wehtut. Man sieht ja jetzt schon die großen Probleme, die die Schattenwirtschaft und Schwarzmärkte z.B. in Italien oder Brasilien verursachen.

Wie werden sich die Staaten in einem solchen Szenario entwickeln müssen?

David Chaum: Nationalstaaten wurden absichtlich so strukturiert, dass sie sich nur sehr langsam entwickeln. Sie sind eigentlich die falsche Form, um optimal auf sich schnell verändernde Gegebenheiten reagieren zu können – wie eben heutzutage auf KI, synthetische Biologie oder die ganzen sozialen Medien. Andererseits hatte vermutlich jede Generation der letzten 500 Jahre ihre Doomsday-Szenarien. Nur scheinen mir die Veränderungen dieses Mal wirklich andere zu sein. Sie stellen die Bedeutung des Seins und des Bewusstseins in Frage und können die Machtverhältnisse so schnell und dramatisch verändern. Und man merkt auch an der sozialen Sphäre, dass gerade etwas Beispielloses passiert.

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Gerade wird unsere Gegenwart aber noch stark von den „müden Riesen aus Fleisch und Stahl“ bestimmt – wie die Staaten des Industriezeitalters in der „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“ von 1996 genannt werden. Das hat uns der Krieg in der Ukraine wieder schmerzhaft in Erinnerung gerufen. Wie beurteilst du diese großen geopolitischen Ereignisse in Bezug auf die Entwicklungen in der digitalen Welt?

David Chaum: Der Ukraine-Krieg, aber auch die Proteste im Iran und in China zeigen, wie wichtig es ist, dass Dissidenten und Protestbewegungen Plattformen haben, auf denen sie ohne Angst vor politischer Verfolgung ihrer Meinung Ausdruck verleihen können. Seit dem Erscheinen der „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“ hat sich in dieser Hinsicht aber wenig getan. Im Gegenteil: Anstatt eines von der Politik unabhängigen digitalen Raums, der alle Menschen rund um den Globus vernetzt, entwickelt sich das Internet immer mehr zu einem Splinternet.

Chinas „Goldener Schild" ist nur ein Beispiel, wie Regierungen versuchen, nicht nur einen ideologischen, sondern auch einen technologischen Keil zwischen die „Bewohner" des Internets zu treiben. Ähnliches ist im Iran und in Russland zu beobachten. Die Gefahr der Zensur droht allerdings nicht nur von Regierungsseite. Auch die Dominanz von einigen wenigen großen IT-Konzernen im Netz muss man hier kritisieren. Damit Menschen ihr unveräußerliches Recht auf freie Meinungsäußerung leben können, braucht es eine zensurresistente Infrastruktur. Und die können nur dezentrale Technologien wie die Blockchain bereitstellen.

Glaubst du, dass die Welt sich noch stärker polarisieren wird in einen westlichen Teil der zunehmend souveränen Individuen und eher zentralisierte Gesellschaften, wie sie China gerade anzustreben scheint?

David Chaum: China ist im Grunde eine 4000 Jahre alte Zivilisation mit ganz anderen Werten. Was man dem modernen chinesischen Staat zugute halten muss, ist die sehr gut organisierte, meritokratische Führung, die auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Wir im Westen haben praktisch das Gegenteil. Hier wählen dich die Leute, weil sie aus irgendeinem Grund mal deinen Namen gehört haben. Das scheint mir kein besonders gutes System zu sein. Wir sollten China also nicht grundsätzlich verdammen, sondern uns lieber die guten Aspekte abschauen.

Man stellt sich China ja gerne als diesen angsteinflößenden zentralisierten Staat vor, aber von meinen Freunden dort weiß ich, dass die ständigen Verlautbarungen der Regierung eigentlich wenig effektiv sind. Es ist ein sehr großes, stark fragmentiertes und gespaltenes Land, wo gerade die mittleren Machtebenen nicht besonders viel Respekt vor der Zentralregierung haben. Ich war selbst in China und mir ist aufgefallen, wie sehr sich die Leute damit abgefunden haben, gar nicht darüber nachzudenken, wie eine gute Governance aussehen könnte. Und das gibt ihnen in gewisser Weise eine ganze Menge Freiheit.

Die Wahrheit ist: Wenn wir eine ideale Form der Governance designen wollen, dann sollten sich die Leute nicht ständig damit beschäftigen müssen. Sie sollten einfach die Möglichkeit haben, sich über die Geschehnisse zu informieren und in den wichtigen Momenten einzubringen. Es ist sicher kein Zufall, dass man in der Schweiz, wo es mehr direkte Demokratie gibt, auch viele hochwertige und unterschiedliche Zeitungen hat, obwohl es so ein kleines Land ist.

Was bräuchte es noch für diesen idealen Staat?

David Chaum: Ich glaube, es muss eine Meritokratie sein. Das ist einfach der beste Weg, um die besten Leute in die Regierung zu bringen. Schau dir an, wie sich Singapur entwickelt hat – mit seinen hochbezahlten Staatsbediensteten! Klar, das ist kein hippyeskes Haight-Ashbury und auch dort gibt es ein Wohlstandsgefälle, aber Obdachlose wird man dort auf der Straße nicht finden. Taiwan ist auch ein gutes Beispiel. Dort gibt es eine große wirtschaftliche Freiheit gibt und die Regierung kann sehr überlegt vorgehen, weil sie viel Rückhalt in der Bevölkerung hat.

Im Grunde gibt es einen klaren roten Faden zwischen der frühen, athenischen Demokratie, dem Schweizer Staatsmodell und einem Land wie Taiwan: Man hat das Gefühl, dass man gemeinsam an einem Strang zieht und es gibt ein großes Interesse daran, Debatten zu führen – die man dann aber nicht persönlich nimmt. In der Schweiz können Nachbarn politisch streiten und laden sich hinterher zum Schmorbraten ein.

Sowas geht natürlich nicht von heute auf morgen: Im demokratischen Athen dauerte es siebzig Jahre, bis sich die Bürger die neue Staatsform wirklich zutrauten. Und ähnlich wird es bei einem Start-up wie 1E9 gewesen sein. Ihr musstet euch vermutlich erst als Gruppe finden, aber dann gibt es nichts Befriedigenderes, als sein eigenes Ding zu machen. Wäre es nicht toll, wenn ein ganzes Land so wäre? Es ist sicher nicht trivial, eine fantastische Zivilisation zu bauen, aber es geht.

Woran hapert es denn am meisten? In den USA hattet ihr mit dem „American Dream“ zumindest schon mal eine gute Story.

David Chaum: Ich habe einige Jahre in Amsterdam gelebt und da war der intellektuelle Europessimismus eine ausgemachte Sache! (lacht) Das ist eine gute Frage. Es gibt im Moment einfach viele große Probleme. Dennoch glaube ich, dass man gemeinsam an einem Strang ziehen kann. Es müsste wie eine Protestbewegung funktionieren, die positive Rückkopplungen erzeugt und sich so selbst antreibt. Und natürlich braucht es Zeit und viele ernsthafte Bemühungen. Aber ich habe festgestellt, dass die Bereitschaft, die Dinge anders zu machen, während der Pandemie gestiegen ist. Das ist eine große Chance für unsere Gesellschaft. Und eine seltene.

Es zerreißt mir das Herz, wenn ich sehe, wie diese Energie gerade für die persönlichen Belange von kleinen Interessensgruppen draufgeht. Wir müssen sie jetzt in eine große kohärente Vision umleiten. Das ist gerade meine große Motivation. Und dafür ist technologischer Optimismus das einzig Wahre. Die Evolution des Menschen ist hauptsächlich durch ein technologisches Instrumentarium erfolgt. Es hat ein enormes Potenzial.

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Sehr spannend. Allein ein solcher Artikel lohnt schon die Mitgliedsgebühr!
Mehr von diesem Thema (Verbindung von IT/Digitalisierung mit politischen/sozialen Zielen).

Liebe Grüsse aus Hannover
Stefan

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Dies kam gerade als anonymer Leserbrief zum Thema rein:

"Für mich ist es wichtig zu wissen, was Krypto-verrückte Leute so denken (z.T. auch KI-Begeisterte), wie Herr Chaum: > KI soll randomisiert nur 1000 Leute abstimmen lassen. Mit ihr könnte man dann das Stimmrecht bestimmter Gruppen höher gewichten (z.B. der jüngern höher ggü der älteren Bevölkerungsgruppen). > Oder: MPC: KI könnte erklären, was als gesichertes Wissen gilt. > Oder: die Nationalstaaten tun sich nur langsam entwickeln - auf schnelle Veränderungen soll aber schnell reagiert werden. > Oder: die Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace von 1996 ..*müde Riese aus Fleisch und Stahl"... huch, jetzt gibts den Ukraine-Krieg. Seit Menschengedenken gibts den Streit: Gerechtigkeit /Glück über Eigenverantwortung vs. durch ein System (heute Staat). Die Krypto Leute wollen das "System" vom Menschen unabhängig machen, weil der Mensch der Ursprung vieler Übel ist. Der Mensch ist eben nicht vollkommen. Die Technik schon, v.a. wenn sie dezentral wäre (...ehm auch wenn's vom Menschen stammt)....Tja, Herr Chaum glaubt die Unvollkommenheiten des Menschen mit Krypto überwinden zu können, weil heute u.a. das "System" Staat teilweise versagt (vor 150 Jahre hat man fest daran geglaubt, dass der Staat Gerechtigkeit schaffen wird und vieles der Unvollkommenheiten des Menschen überwinden wird). Ich glaube viel stärker an die Eigenverantwortung des einzelnen Menschen; der Staat soll Ungleichheiten mässigend ausgleichen. Krypto /KI ist aber sehr nützlich, nämlich dort, wo es den Menschen einen echten Nutzen stiftet. Und wo ist das zu sehen? Überall dort UND immer DANN, wenn die Menschen die Technik vollkommen verstanden haben! Von den ersten Elektronik-Entdeckungen/Anwendungen bis zur heutigen PV-Anlagen und Elektro-Autos vergingen mehr als 100 Jahre. Bei Krypto /AI könnte es schneller gehen - aber nicht viel. Krisen lehren uns Menschen, dass die Eigenverantwortung der wichtigste Baustein ist, um sich des Lebens zu erfreuen! Das sage ich als Kind von geflüchteten Eltern. Einer, der sich vieles selber erarbeitet hat und nicht vom Chancen-Vorteil einheimischer profitieren konnte und im Rückblick das auch gut so ist (bzw. keine Begründung dafür sein soll, dass ein System übermässig Ausgleich schaffen muss). Denn die einheimische Bevölkerung hat ihren Vorteil weiland auch selber erarbeitet! Und ich bin in gewissen, wenigen Situationen heute auch besser als die Einheimischen, weil ich in Eigenverantwortung härter daran arbeiten musste!.. ehm... hatte auch weniger hohe Erwartungen und die, die sich nicht erfüllt haben, auch erfolgreich zurückgeschraubt!!!!!! Herrn Chaum wünsche ich alles Gute für sein Hobby. Und gut wäre, wenn er sich von ein paar seiner Ideen verabschieden könnte (braucht Zeit!). Dies geschieht durch eine unsichtbare Hand (nennt man "Einsicht"), sobald er nämlich Schritte ausserhalb seiner so geliebten Krypto/KI-Community unternähme und sehen würde, wie die Menschen bei alle ihrer Unvollkommenheiten in Eigenverantwortung leben tuen und genau jene eben glücklich - ein fester Glaube gehört einfach dazu; erhält man leider nur, wenn man daran glaubt...:-) Liebe Grüsse, Fritz"

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David möchte die Menschen enablen und nicht entmündigen. Ich glaube von dem, was ihr erreichen möchtet, liegt ihr auf der gleichen Linie, aber leider sind zwischen den Zeilen ein paar Missverständnisse entstanden. D.h. seine Vision könnte noch genauer formuliert werden.

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