Wenn die fleißigen Roboter kommen und uns die Arbeit abnehmen

Roboter werden immer nützlicher. Und Experten sagen, sie kommen gerade rechtzeitig. Sie könnten uns helfen unseren Lebensstandard auch in Zeiten des Demographie-Wandels zu halten.

Von Wilson da Silva

Von wegen Roboter nehmen uns in den nächsten 20 Jahren die Arbeitsplätze weg! Wir sollten lieber Angst davor haben, dass es nicht genug der kleinen Helfer gibt. Das jedenfalls ist sagt Robotiker und Unternehmer Rodney Brooks.

Der australische Pionier und Gründer von iRobot ist der Ansicht, dass die Welt vor einer großen Veränderung steht. Er prophezeit, dass eine neue Population an Robotern in alle Lebensbereiche vordringen wird. Brooks in Boston ansässiges Milliardenunternehmen hat weltweit mehr als 30 Millionen Roboter verkauft. Darunter ist auch der berühmte Staubsauger Roomba und der Bombenentschärfungsroboter Packbot.

Vorangetrieben wird der Marsch der Roboter von den Fortschritten der Künstlichen Intelligenz und des Sehvermögens von Robotern. Hinzu kommen billige, aber sehr schnell Computer, überall WiFi und eine Flut an Big Data. So können die Roboter auf schier unendliches Wissen zugreifen und sich auf diese Weise die Welt erklären.

Roboter werden uns im Alter pflegen

„Ich mache mir keine Sorgen darüber, dass sie Arbeitsplätze wegnehmen, sondern darüber, dass wir nicht genug intelligente Roboter haben werden, die uns helfen, wenn wir alt und gebrechlich sind“, sagt Brooks, der sich am Massachusetts Institute of Technology einen Namen als Vordenker der Robotik gemacht hat. „Wir werden alle technisch versiert sein… und wir werden länger in unseren Häusern bleiben wollen.“

Er verweist auf den demografischen Anstieg der Babyboomer. Sie werden länger leben und länger Pflege benötigen. Dafür wird es aber nicht genügend arbeitsfähige Menschen in den USA und Europa geben. 50 Jahre lang waren stabile 80 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Dieser Prozentsatz sinkt nun rapide. Prognosen zufolge werden bis 2050 in den USA nur noch 69 Prozent der Bevölkerung arbeiten können. In Europa sind es sogar nur 64 Prozent. Selbst in China wird der Anteil bis dahin auf 67 Prozent sinken.

Um dieses Problem zu lösen, brauchen wir „soziale Roboter“, Maschinen, die mit uns über soziale Hinweise und Sprache interagieren. Glücklicherweise kommt die Technologie genau zum richtigen Zeitpunkt. Und Brooks hat dazu beigetragen, sie auf den Weg zu bringen: 2008 gründete er zusammen mit seiner ehemaligen MIT-Kollegin Ann Whittaker das Unternehmen Rethink Robotics. Das nötige Risikokapital steuerten unter anderem Goldman Sachs und Amazon-Gründer Jeff Bezos bei.

Mit Robotern arbeiten, ohne programmieren zu müssen

Rethink entwickelte einen „kollaborativen Roboter“, der ohne Sicherheitszone mit Menschen zusammenarbeiten kann. Dabei soll er so reagieren, dass Menschen ihn intuitiv verstehen: „Baxter” muss nicht programmiert werden, sondern lernt wie ein Mensch bei der Arbeit. Soll er einen Artikel von einem Förderband nehmen, ihn scannen und mit anderen in eine Kiste legen, greift man seine mechanische Hand und führt ihn durch die gesamte Routine.

Baxter richtet sich an kleine bis mittlere Unternehmen und ist vor allem als Fließband-Arbeiter gedacht. Sein „Gesicht“ ist ein digitaler Bildschirm, der von großen, ausdrucksstarken Cartoon-Augen dominiert wird. Wenn sein Sonar erkennt, dass jemand einen Raum betritt, dreht er sich um und schaut ihn an, wobei er seine virtuellen Augenbrauen hochzieht. Wenn Baxter etwas aufhebt, schaut er auf den Arm, den er gerade bewegt, um seinen Kollegen zu signalisieren, was er tun wird. Wenn „Baxter” verwirrt ist, hebt er eine virtuelle Augenbraue und zuckt mit den Schultern.

Rethink wurde von dem deutschen Automatisierungsspezialisten Hahn Group übernommen und als Rethink Robotics neu gegründet. Im Jahr 2019 brachte das Unternehmen den neuen Roboter Sawyer Black Edition auf den Markt, der für bisher schwer automatisierbare Prozesse wie Montage, Be- und Entladen, Leiterplattentests, Metallverarbeitung, Spritzguss und Verpackung konzipiert ist.

Bis 2050 sollen Roboter besser Fußballspielen als menschliche Profi-Spieler

Zwar sind kollaborierende Roboter noch nicht in der Lage, Lebensmittel zum Auto zu tragen oder den Müll zu entsorgen Das sei nur eine Frage der Zeit, so die Hoffnung der Experten. Die Entwicklung macht sprunghaft Fortschritte, und die Branche hat überraschende Ziele: Bis zum Jahr 2050 sollen Roboter gegen die Sieger der Fußballweltmeisterschaft spielen – und diese schlagen. Eine große Portion Marketing ist bei solchen selbstgesteckten Zielen und vollmundigen Prophezeiungen immer dabei, doch es zeigt wie selbstbewusst die Robotik-Branche inzwischen ist. Die als RoboCup bekannte Robotermeisterschaft wurde in den letzten fünf Jahren von der australischen University of New South Wales gewonnen. Sie zieht jährlich 3.500 Teilnehmer aus 45 Ländern an, die in 16 Kategorien gegeneinander antreten. Ziel ist es einen Kader von Fußball-Androiden zu schaffen und so Künstliche Intelligenz und Robotik voranzubringen.

Wir werden mit unseren Autos, Kühlschränken und Zentralheizungen kommunizieren

Noch vor diesem Zeitpunkt werde künstliche Intelligenz (KI) allgegenwärtig sein, prophezeit Toby Walsh: „Innerhalb eines Jahrzehnts wird KI das Betriebssystem all unserer vernetzten Geräte sein.“ Walsh ist ein führender KI-Forscher an der University of New South Wales in Sydney, Australien. „Apps wie Siri und Cortana werden uns ermöglichen, fließend mit der vernetzten Welt interagieren. Auf diese Weise werden wir mit unseren Autos, Kühlschränken, der Zentralheizung und der Haustür kommunizieren. Wir werden in einer Welt leben, in der wir immer online sind.”

Ein Teil dieser Zukunft ist bereits im Hafen von Brisbane zu sehen. Im weltweit ersten vollautomatischen Containerterminal der Welt fahren 27 riesige Roboter in Windeseile hin und her. Die so genannten AutoStrads sind zehn Meter hoch und 60 Tonnen schwer. Sie können ganze Schiffscontainer umfassen und mithilfe von Radar und hochpräzisem GPS autonom bewegen. Und das rund um die Uhr und mit großer Genauigkeit. Ihre Fehlerquote liegt bei unter zwei cm.

Die AutoStrads sind eine Schöpfung von Hugh Durrant-Whyte, der einen Großteil ihrer Entwicklung am Australian Centre for Field Robotics an der Universität von Sydney leitete. Er gilt als einer der weltweit führenden Innovatoren auf dem Gebiet der Feldrobotik. Er war für die ersten beiden Bergwerke der Welt verantwortlich, die ihr gesamtes Erz mit Roboter-LKWs transportierten. Die schwerfälligen Giganten werden heute von den Bergbaugrößen Rio Tinto, BHP und Fortescue Metals in Australien eingesetzt. „Hugh war ein Pionier beim Einsatz von Robotern in der freien Natur“, sagt Walsh. „Er ist international ein großer Name in der Feldrobotik.“

Ein bekannter Akteur, der Robotern hilft, ihre Umgebung zu sehen und zu verstehen, ist Peter Corke. Er ist Direktor des Australian Centre for Robotic Vision an der Queensland University of Technology in Brisbane. Sein Team hat Robotersysteme für den Bergbau sowie für Luft- und Unterwasseranwendungen entwickelt. Derzeit arbeitet er an der Entwicklung von AgBots, also Landwirtschaftsrobotern. AgBot II, ein vierrädriger Rover kann autonom sähen, jäten und düngen. In ersten Versuchen gelang der Hinweis, dass er die Kosten für Energie, Arbeit und Chemikalien um bis zu 40 Prozent senken könnte.

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Ein weiterer nennenswerterer Australier ist Bob Williamson, Chefwissenschaftler von Data61, der Informationstechnologieabteilung der australischen Wissenschaftsbehörde CSIRO. Er besitzt einen starken Einfluss auf dem Gebiet des „maschinellen Lernens“. In diesem Bereich der künstlichen Intelligenz entwickeln Computer die Fähigkeit selbst zu lernen, ohne programmiert zu werden. Sie bringen sich selbst bei, sich anzupassen, wenn sie mit neuen Daten konfrontiert werden.

Maschinelles Lernen ist ein angesagtes Forschungsgebiet, das von selbstfahrenden Autos bis hin zu Netflix-Empfehlungen alles vorantreibt. Und es hat zu erstaunlichen Fortschritten geführt, wie dem 4:1-Sieg des AlphaGo-Programms über den Go-Weltmeister Lee Sedol. Der Algorithmus von AlphaGo basiert auf einem neuronalen Netzwerk, das das Spiel selbst erlernt hat. Es hat einfach vergangene Spiele studiert und sich selbst im Spiel gegen Menschen trainiert. AlphaZero dann nur noch gegen sich selbst und lernte dabei ohne fremde Hilfe Schach, das japanische Shogi und das chinesische Go. Keines der bis dahin existierenden Programme hatte noch eine Chance. Im Jahr 2020 erzielte DeepMind bedeutende Fortschritte beim Problem der Proteinfaltung. Es wurde von DeepMind Technologies entwickelt, einem geheimnisvollen britischen Unternehmen für künstliche Intelligenz, das Google 2014 für über 550 Millionen Euro übernommen hat.

Noch gibt es zu viele unterschiedliche Systeme

Maschinelles Lernen wird enorme Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben. Es ermöglicht Computern, in riesige Datenmengen einzutauchen und wertvolle Muster zu finden, die für den Menschen unmöglich zu erkennen sind. Aber es gibt immer noch eine Menge „schwarzer Kunst“ in dieser Disziplin, sagt Williamson: Jeder Algorithmus werde von Grund auf neu entwickelt. „Es gibt nur sehr wenige Standards. Man kann nichts gemeinsam nutzen, es gibt viele unterschiedliche Systeme“.

Sein ehrgeiziges Ziel ist es, Standards für das maschinelle Lernen zu schaffen. Diese sollen es ermöglichen, es systemübergreifend zu nutzen und Fortschritte zu beschleunigen, indem sie auf einer gemeinsamen, aber robusten Basis beruhen. „Das ist eine echte Herausforderung für die Gemeinschaft, aber noch hat sie niemand geknackt.”

Auch bei den sozialen Robotern gibt es noch viele ungelöste Fragen zu knacken bis die wunderbaren Prophezeiungen der Robotiker wahr werden können. Mary-Anne Williams, Direktorin des Magic Lab an der University of Technology Sydney blickt trotzdem positive in die etwas fernere Zukunft: „Die Roboter von morgen werden so sozial sein wie Rosie bei den Jetsons und C3PO in Star Wars “, sagt Williams. „Sie werden menschliche Emotionen verstehen und in der Lage sein, mit Menschen zu interagieren, um ihnen zu helfen, produktiver zu sein und ein glücklicheres und gesünderes Leben zu führen.” Willliams erforscht wie Roboter soziale Intelligenz im Umgang mit Menschen erlernen können. Ziel ist es, autonome Technologien zu entwickeln, die lernen, sich anpassen und mit Menschen zusammenarbeiten können.

„Die Roboter von morgen werden so sozial sein wie Rosie bei den Jetsons und CP3O in Star Wars “, sagt Williams. „Sie werden menschliche Emotionen verstehen und in der Lage sein, mit Menschen zu interagieren, um ihnen zu helfen, produktiver zu sein und ein glücklicheres und gesünderes Leben zu führen.”

Der Roboterpionier Rodney Brooks stimmt dem zu und sieht darin trotzdem keinen Grund Angst vor der Arbeitskraft der kleinen Helfern zu haben, vor allem nicht in Zeiten des demographischen Wandels. „Mit der Zeit – und ich spreche von Jahrzehnten – werden viele Arbeitsplätze durch Roboter ersetzt werden. Aber Roboter werden bei weitem nicht gut genug sein, um alles zu tun, was Menschen tun.“

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Wilson da Silva via The Story Market; erstmals erschienen in Medium

Titelbild: Getty Images

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C3PO

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