Was Japans Mission SLIM für Flüge zu Mond und Mars bedeutet: „Auf dem Mond gibt es kein GPS"

Im Januar schrieb Japan Weltraumgeschichte – als fünfte Nation, der eine Mondlandung glückte. Der Lander SLIM setzte trotz einer Panne punktgenau auf der Oberfläche auf. Warum die Mission technisch anspruchsvoll war, was sie für die Erforschung von Mond und Mars bedeutet und welche Rolle Japan im „Space Race“ spielen könnte, haben wir mit dem Raumfahrtexperten Hiroshi Koyama besprochen, der an der SLIM-Mission beteiligt war.

Ein Interview von Wolfgang Kerler

SLIM lebt. Nach der langen und vor allem kalten Nacht auf dem Mond sendete die kleine Sonde vor wenigen Tagen wieder ein Signal an die japanische Weltraumagentur JAXA. Die Sonnenkollektoren liefern wieder Strom und SLIM kann bald weitere Fotos und Daten zur Erde schicken.

Selbstverständlich ist diese Meldung nicht, denn bei der Landung auf dem Erdtrabanten lief nicht alles nach Plan. SLIM setzte am 19. Januar 2024 zwar am gewünschten Punkt auf – allerdings in Schieflage. Die Solarpaneele bekamen zunächst kein Sonnenlicht ab und konnten keinen Strom liefern.

Auf der ganzen Welt fieberten daraufhin Raumfahrtenthusiasten mit, ob ein Neustart von SLIM gelingen würde. Besonders spannend war der Verlauf allerdings für Hiroshi Koyama, den Defense & Space Systems Group Fellow beim japanischen Technologiekonzern Mitsubishi Electric, und seine Kollegen. Denn Mitsubishi Electric war von der JAXA mit dem Bau von SLIM beauftragt worden.

Im Interview mit 1E9 gibt Hiroshi Koyama Einblicke in die Mission und ihre Bedeutung für die Zukunft der Raumfahrt.

1E9: Herr Koyama, Sie arbeiten seit Jahrzehnten an Weltraumtechnologien. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Hiroshi Koyama: Das hatte denselben Grund wie bei den meisten Vertretern meiner Generation: Als ich klein war, habe ich die Apollo-Mondlandung im Fernsehen mitverfolgt. Das hat mich so fasziniert, dass ich bei solchen Projekten auch mitmachen wollte.

Wie haben Sie diesen Traum später in ihrem Berufsleben verfolgt?

Hiroshi Koyama: Ich habe Raumfahrttechnik studiert und mich dabei auf das Gebiet von Navigations-, Lenkungs- und Kontrollsystemen für Raumfahrzeuge spezialisiert. Der Titel meiner Doktorarbeit lautete dann „Autonome relative Navigation mit Hilfe von Bildinformationen“. Glücklicherweise konnte ich dieses Hintergrundwissen nach meinem Einstieg bei Mitsubishi Electric nutzen: Ich wirkte an der Entwicklung der Experimentalsatelliten Orihime und Hikoboshi, mit denen Rendezvous-Docking-Manöver getestet wurden, sowie des H-II Transfer Vehicle (HTV) mit, eines Frachttransporters zur Versorgung der Internationalen Raumstation.

Auch an der Mondmission SLIM, über die wir sprechen wollen, waren Sie beteiligt.

Hiroshi Koyama: Genau. Bei der Erkundungs- und Landemission SLIM kamen die Navigations- und Steuerungssysteme zum Einsatz, die wir im Rahmen der schon genannten Missionen entwickelt hatten. Außerdem habe ich selbst in der frühen Entwicklungsphase an der Machbarkeitsstudie für SLIM mitgearbeitet.

SLIM ist, wie Sie vielleicht wissen, ein kleiner Lander mit einem Gewicht von rund 200 Kilogramm – ganz ähnlich wie ein kleines Standard-Satellitensystem, dessen Konstruktion wir unter meiner Koordination der japanischen Raumfahrtagentur JAXA vor 15 Jahren vorgeschlagen hatten. Damals wurde der Vorschlag zwar nicht umgesetzt, aber ein Professor unserer früheren Arbeitsgruppe gehört jetzt zu den Entwicklern von SLIM, dessen Konzeption auf den damaligen Plänen aufbaute.

Mit SLIM hat Japan den Mond erreicht, aber warum eigentlich erst so spät? Immerhin gilt Japan seit Jahrzehnten als High-Tech-Nation.

Hiroshi Koyama: Wussten Sie, dass der erste japanische Satellit Osumi bereits im Jahr nach der Mondlandung von Apollo 11 gestartet wurde? Damals stand die japanische Satelliten-Technologie noch am Anfang. Seitdem haben wir nicht nur technisches Wissen hinzugewonnen, sondern die grundlegenden Technologien entwickelt und eingeführt, die wir für eine automatische Landung auf der Mondoberfläche brauchen – unter anderem durch die Missionen, an denen ich mitwirken durfte.

Dass die SLIM-Mission erst jetzt realisiert wurde, liegt zum Großteil daran, dass die USA und Europa nach den Apollo-Missionen den Schwerpunkt ihrer Raumfahrtaktivitäten weg von der Erforschung des Mondes und anderer Planeten hin zu einer Nutzung der Erdumlaufbahn und zur Internationalen Raumstation verlagerten.

Das änderte sich erst durch das Artemis-Programm der USA – und es wurde beschlossen, dass wir uns daran beteiligen. Japan wird unter anderem für die Gateway, also die geplante Raumstation im Orbit des Mondes, Equipment bereitstellen und für die Versorgung der Station sorgen. Auch die SLIM-Mission wurde im Rahmen dieser neuen Initiative realisiert.

Dann lassen Sie uns ausführlicher auf SLIM eingehen. Vorhin haben Sie bereits angesprochen, dass das Raumfahrzeug der Mission recht klein ist. Wieso war das so wichtig?

Hiroshi Koyama: Zu den Zielen der Mission gehörte es, ein möglichst kompaktes und leichtes System für die Erforschung des Mondes zu entwickeln, um häufigere Mondmissionen möglich zu machen – nicht zuletzt, weil dadurch Kosten gespart werden können.

Eine Voraussetzung dafür war, dass wir den Treibstoffbedarf für den Eintritt in den Mondorbit minimieren mussten. Deshalb entschieden wir von Mitsubishi Electric uns mit der JAXA gegen einen direkten Flug in den Mondorbit, sondern setzen auf die sehr interessante Swing-by-Technologie. Diese nutzt die Anziehungskraft von Mond, Erde und Sonne aus, um eine treibstoffsparende Landung zu ermöglichen.

Das Vorgehen bei SLIM bedeutet nicht, dass wir in nächsten Entwicklungsphasen nicht auch größere Mondsonden entwickeln werden. Doch zur Erprobung neuer Technologien eignen sich kleinere Raumfahrzeuge besser.

Ein möglichst kleines, leichtes System zu entwickeln, war vermutlich nicht die einzige Herausforderung von SLIM, oder?

Hiroshi Koyama: Nein, SLIM war für Mitsubishi Electric das erste Raumfahrzeug für den Einsatz im Deep Space, also in den Tiefen des Weltalls. Bisher haben wir nur Satelliten für den Erdorbit entwickelt, wo die Bedingungen völlig anders sind als im Deep Space. Wir mussten uns beim Design also auf andere Strahlungswerte und Temperaturen einstellen und Kommunikationsmethoden für extrem große Entfernungen etablieren. Und dann ging es natürlich darum, eine möglichst präzise automatische Landung zu ermöglichen,…

…was das wohl wichtigste Ziel der SLIM-Mission war. Die Sonde sollte höchsten 100 Meter vom gewünschten Ziel entfernt landen, also fast punktgenau. Was war daran besonders schwierig?

Hiroshi Koyama: Bei der Apollo-11-Mission steuerte ein Mensch das Raumschiff bei der Landung auf dem Mond. Und schon damals bestand die größte Schwierigkeit darin, Kratern, großen Felsen und anderen Hindernissen auf der Oberfläche auszuweichen. Am Ende, so habe ich das von Beteiligten des Apollo-Programms gehört, war kaum noch Treibstoff übrig, weil die Ausweichmanöver komplizierter waren als erwartet.

Solche Manöver automatisiert zu bewältigen, ist eine echte Herausforderung. Auf dem Mond gibt es kein GPS, weshalb man für eine punktgenau Landung nur auf optische Navigation setzen kann.

Wie haben Sie das Problem gelöst?

Hiroshi Koyama: SLIM verfügt zwar über ein Trägheitsnavigationssystem, das mithilfe von Sensoren wie Accelerometern und Gyroskopen die Beschleunigung und Drehgeschwindigkeit und damit auch die räumliche Bewegung und Position des Raumfahrzeugs identifizieren kann. Doch in diesen Systemen allein häufen sich Fehler. Daher haben wir zu ihrer Korrektur optische Navigationssysteme entwickelt.

Um beim Landeanflug zu jedem Zeitpunkt die korrekte Position der Sonde feststellen zu können, haben wir Map-Matching-Technologien eingesetzt. Dabei werden die Krater auf der Mondoberfläche automatisch mit den detaillierten Mondkarten abgeglichen, die vor ein paar Jahren im Rahmen der JAXA-Mission Selene erstellt wurden.

Bis zu einer Höhe von 50 Metern zielt das Navigations- und Kontrollsystem von SLIM darauf ab, eine hochpräzise Punktlandung zu erreichen. Unter einer Höhe von 50 Metern geht es dann darum, eine sichere Landung zu schaffen. Deshalb kann SLIM in dieser Höhe über der Mondoberfläche schweben, um Hindernisse wie Felsbrocken oder Höhlen zu erkennen, ihnen auszuweichen und einen sicheren Landeplatz zu finden. Dafür werden ebenfalls optische Systeme, aber auch Radar und Laser eingesetzt.

So viel zur Technologie, die in SLIM steckt. Kommen wir zum Verlauf der Mission, die – wie es aussieht – sowohl Erfolg als auch Misserfolg war. Nach dem Raketenstart am 6. Januar 2023 und dem Eintritt in die Mondumlaufbahn am 25. Dezember landete die Sonde zwar am 19. Januar auf dem Mond, womit Japan das fünfte Land wurde, dem dies gelang. Allerdings lieferten die Solarzellen vorerst keinen Strom, weil die Landefähre nicht auf ihren Füßen, sondern auf ihrer Schnauze landete. Was genau lief schief?

Hiroshi Koyama: Die JAXA hat in einem Bericht alle Einzelheiten dargestellt. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Flug zunächst wie geplant verlief – bis auf eine Höhe von 50 Metern über der Mondoberfläche. Die optische Navigation und die Positionskorrektur, über die wir schon gesprochen haben, funktionierten einwandfrei.

Doch dann wurde während des Schwebeflugs eines der beiden Haupttriebwerke beschädigt, eine Düse fiel auf die Mondoberfläche und das Triebwerk konnte keinen Schub liefern. Das Raumfahrzeug ging dann mit nur einem Haupttriebwerk in den Sinkflug über, aber die Fluglage war aufgrund der automatischen Steuerung zum Ausbalancieren des Flugzeugs schräg, was zu einer seitlichen Geschwindigkeit führte. Deshalb war der Sinkflug zwar weiterhin möglich, doch überschlug sich das Raumfahrzeug dabei vermutlich, weshalb es schließlich auf dem Kopf stehend auf dem Mond zum Stillstand kam. Die Solarzellen, die ursprünglich nach oben zeigen sollten, waren jetzt nach Westen ausgerichtet. Das Sonnenlicht traf daher nicht auf die Panels und es wurde kein Strom erzeugt.

Trotzdem funktionierten alle Systeme und die Kommunikation normal und wurden zunächst mit Batteriestrom betrieben. Alle bis zu diesem Zeitpunkt gesammelten Daten, einschließlich der Flugdaten und der Kamerabilder, konnten übertragen werden. Um die Batterie nicht zu leeren, wurde der Strom dann vorübergehend abgeschaltet, bis sich die Position der Sonne auf der Mondoberfläche wieder änderte und das Sonnenlicht auf die Solarzellen fiel.

Das war am 28. Januar der Fall, die Panels begannen Strom zu erzeugen. SLIM wurde automatisch neu gestartet und begann die Beobachtung der Mondoberfläche mit seiner Multispektralkamera.

Für das ausgefallene Triebwerk war nicht Ihre Firma, sondern ein anderes Unternehmen verantwortlich. Trotzdem war die Panne sicher auch für Sie ärgerlich. Wie bewerten Sie persönlich die Mission – als Erfolg oder als Misserfolg?

Hiroshi Koyama: Persönlich denke ich, dass die Mission ein Erfolg war. Ich glaube, so sieht es auch die JAXA. Schließlich wurden alle Ziele, die vor der Mission formuliert wurden, erreicht: Das Raumfahrzeug ist punktgenau gelandet, mit einer Abweichung von nur 55 Metern. Die Multispektralkamera hat Bilder aufgenommen, die übertragen wurden. Und die beiden Mini-Mondrover LEV1 und LEV2, die an Bord waren, wurden erfolgreich ausgesetzt und betrieben.

Für die nächste Mission ist es jedoch unerlässlich, die Ursache der Störung zu untersuchen und Verbesserungen vorzunehmen. Das Keramikbauteil, das sich von einem der Haupttriebwerke löste und auf der Mondoberfläche landete, wurde bereits identifiziert. Nun wird genau ermittelt, was nicht funktionierte. Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden.

Immer wieder wird im Zusammenhang mit SLIM die „punktgenau“ Landung betont. Wieviel präziser war denn die Landung verglichen mit früheren Mondmissionen?

Hiroshi Koyama: Bisher lag die Genauigkeit von Mondlandungen im Bereich von Kilometern. Dieses Mal haben wir einen Wert von unter 100 Metern geschafft. Basierend auf den Daten, die wir haben, halten wir sogar eine Genauigkeit im Bereich von zehn Metern für erreichbar.

Wie haben Sie und das Team von Mitsubishi Electric eigentlich die Landung mitverfolgt?

Hiroshi Koyama: Für die Landung haben sich alle Kollegen und unsere Vorgesetzten – wir waren ungefähr 20 Personen – in der Firmenzentrale getroffen und den JAXA-Livestream bei YouTube verfolgt. Wir waren sehr aufgeregt.

Am Ende war die SLIM-Mission trotz des ausgefallenen Triebwerks aus Ihrer Sicht erfolgreich. Was heißt das für künftige Mond-Missionen und das Artemis-Programm?

Hiroshi Koyama: Mit dem Artemis-Programm verfolgt die NASA auch das Ziel, die Technologien zu entwickeln, um bemannte Missionen und später ein Leben auf dem Mond zu ermöglichen. Diesem Ziel haben sich die japanische Regierung und die JAXA angeschlossen.

Bei der internationalen Zusammenarbeit für die ISS hat Japan die Verantwortung, Versorgungslieferungen an die Raumstation zu ermöglichen. Im Fall des Mondes könnten solche Transportmissionen wieder eine wichtige Rolle für Japan darstellen. Doch dafür brauchen wir Technologien, um jede Form von Fracht präzise an den Punkt zu bringen, wo sie benötigt wird. SLIM ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

SLIM ist bei weitem nicht die einzige Mondmission, die auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Andere Missionen sind völlig gescheitert oder verzögern sich um mehrere Jahre, nicht zuletzt die bemannten Artemis-Missionen. Woran liegt das? Die Menschheit hat es doch schon vor über fünfzig Jahren zum Mond geschafft?

Hiroshi Koyama: Zum einen sind präzise Landungen auf dem Mond technisch eine Herausforderung, darüber haben wir ja schon gesprochen. Bei internationalen Missionen müssen außerdem sehr viele Stakeholder koordiniert werden, auch das kostet Zeit. Und im Fall von Artemis kommt hinzu, dass bemannte Flüge zum Mond geplant sind. Deren Sicherheit zu gewährleisten, erfordert sehr viele Tests.

Wann werden Menschen wieder auf dem Mond landen? Wann erstmals auf dem Mars?

Hiroshi Koyama: In zwei oder drei Jahren werden wir die ersten Artemis-Astronauten auf dem Mond sehen. Auch die Landung eines japanischen Astronauten wird schon geplant.

Was den Mars angeht, wird die Raumstation Gateway im Orbit des Mondes eine entscheidende Rolle spielen – als Zwischenstopp, an dem Raumschiffe betankt werden können. Eine Voraussetzung für bemannte Flüge zum Mars ist daher die Fertigstellung des Gateways. Außerdem muss es möglich sein, Raketentreibstoff aus den Wasservorkommen der Mondoberfläche zu erzeugen. Deshalb gehe ich davon aus, dass die erste bemannte Mars-Mission zwischen 2035 und 2040 stattfinden könnte.

Was sind die nächsten Missionen der JAXA, an denen Mitsubishi Electric mitarbeitet?

Hiroshi Koyama: Wir sind beteiligt am HTV-X, dem nächsten Frachttransporter zur ISS, am HTV-GX, dem Frachttransporter zum Gateway, und am MMX, dem Martian Moons eXploration Programm.

Die durch SLIM gewonnene Technologie lässt sich als „Punktlandetechnologie auf Himmelskörpern mit Schwerkraft“ zusammenfassen. Sie wird nicht nur für die Erkundung der Mondoberfläche eine wichtige Rolle spielen, sondern auch bei MMX und später auf dem Mars und anderen Himmelskörpern mit Schwerkraft eingesetzt werden.

Ich mache mir Sorgen um eine Situation, in der Satelliten in Konflikten zerstört werden.

Derzeit scheinen sich vor allem die USA und China einen Wettlauf zum Mond und zum Mars zu liefern. Die Zeiten der harmonischen Zusammenarbeit in der Raumfahrt sind offenbar vorbei. Sogar über mögliche kriegerische Aktivitäten im All wird bereits diskutiert, gerade in diesen Tagen. Wie bewerten Sie die Situation?

Hiroshi Koyama: Ich mache mir Sorgen um eine Situation, in der Satelliten in Konflikten zerstört werden. Dadurch könnten Trümmerteile entstehen, was für die Infrastruktur im Weltraum, die für die Gesellschaften der Erde unerlässlich ist, einen katastrophalen Schlag darstellen würde.

Für unser Unternehmen Mitsubishi Electric kann ich sagen, dass wir zukünftig privatwirtschaftliche Transportdienstleistungen zur Versorgung des Gateways und der bemannten Mondbasis anbieten wollen. Darüber hinaus sind wir aber der Ansicht, dass die Überwachung und Gewährleistung der Sicherheit des cislunaren Raums, also des Raums zwischen Erde und Mond, ein wichtiger Bereich für die zukünftige internationale Zusammenarbeit ist. Dadurch können wir sichere Passagen zum Mond gewährleisten. Auch dazu wollen wir einen Beitrag leisten.

Konkret arbeiten wir im Auftrag der japanischen Regierung an der Einrichtung und dem Betrieb von SSA-, also Space Situation Awareness, und SDA-, also Space Domain Awareness, Systemen rund um die Erde. Sie sollen durch internationale Zusammenarbeit einen Beitrag zur „integrierten Abschreckung“ von zerstörerischen Handlungen leisten und Frieden im Weltraum sichern.

Wir sind überzeugt davon, dass für die weitere Erkundung des Weltraums internationale Zusammenarbeit, so wie zwischen JAXA, ESA und NASA, entscheidend sein wird – nicht zuletzt bei der gemeinsamen Entwicklung von Technologien oder dem Austausch von Daten. Wussten Sie, dass ESA und JAXA gemeinsam Lasersensoren entwickelt haben, die in Transportern zur ISS eingesetzt werden? Die JAXA nutzt sie für HTV, die ESA für den Frachter ATV. Die tatsächliche Entwicklung wurde von einem deutschen Unternehmen und Mitsubishi Electric durchgeführt.

Wie sieht es mit privaten Raumfahrtmissionen in Japan aus? Immerhin wäre es beinahe nicht die JAXA, sondern das Start-up iSpace gewesen, das den ersten japanischen Lander auf den Mond brachte. Im Dezember 2022 sollte Hakuto-R auf dem Mond landen, scheiterte aber aufgrund eines Softwarefehlers. Würden Sie gerne mehr private Raumfahrtaktivitäten aus Japan sehen?

Hiroshi Koyama: Die Mission von iSPACE basiert auf dem CLPS-Vertrag der NASA, was für Commercial Lunar Payload Services steht. Aufgrund dieses Vertrags mussten die meisten Entwicklungsarbeiten von einem US-Unternehmen durchgeführt werden – konkret vom Draper Laboratory. Mit General Atomics wurde ein Vertrag für die Herstellung, Montage und Prüfung und mit Spaceflight Industries einer für den Start geschlossen, beides ebenfalls US-Firmen. Japanische Technologie kam im Raumfahrzeug von iSPACE bisher leider nicht zum Einsatz.

Wie bereits erwähnt, will Mitsubishi Electric einen Transportservice zum Mond anbieten, sobald die Technologie ein praktisches Niveau erreicht hat. In unterschiedlichen Projekten arbeiten wir auch mit japanischen Space-Start-ups zusammen, zum Beispiel mit Synspective oder AstroScale.

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In den letzten Jahren sind die Ausgaben für Weltraummissionen weltweit stark angestiegen, es sollen Menschen zum Mond fliegen und auch der Mars soll erreicht werden. Warum eigentlich? Was bringt das unseren Gesellschaften?

Hiroshi Koyama: Das liegt daran, dass der Großteil der gestiegenen Ausgaben in den letzten Jahren in den Bau von Satelliten-Konstellationen im Erdorbit floss. Der Mond ist auch wegen der chinesischen Ambitionen – China ist auf der Rückseite des Mondes gelandet – wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, da das auch Sicherheitsauswirkungen hat.

Und was den Mars betrifft, glauben wir, dass dessen Erforschung nicht nur ein wissenschaftlicher Beitrag ist, sondern auch für das Überleben unserer Spezies in ferner Zukunft von Bedeutung sein wird. Auf dem Mars wollen Japan, aber auch die NASA nach Spuren des menschlichen Ursprungs suchen sowie Technologien für das Leben auf anderen Planeten entwickeln.

Wenn Sie 10, 15 oder sogar 20 Jahre in die Zukunft blicken, wie könnte dann die japanische Raumfahrt aussehen? Welche Ziele könnten erreicht werden, welche Aktivitäten könnten im Weltraum stattfinden?

Hiroshi Koyama: Ein wichtiges Ziel wird sicherlich Tourismus im Weltraum sein. In Japan gibt es Start-ups wie PD Aerospace und Space Walker, die suborbitale Rundflüge anbieten wollen. Politisch wird außerdem die Entwicklung neuer Technologien für sogenannte P2P-Transporte vorangetrieben – also Hochgeschwindigkeits-Transportflüge zwischen zwei Punkten auf der Erde durch den Weltraum.

Zum Schluss noch eine ganz andere Frage, denn wir haben viele Science-Fiction-Fans in unserer Community: Welches japanische Science-Fiction-Werk sollten Weltraumbegeisterte unbedingt kennen?

Hiroshi Koyama: Kennen Sie die Space Brothers? Das ist kein Roman, sondern ein Manga und gilt als die Bibel für junge Menschen, die bei der JAXA arbeiten wollen.

Titelbild: Die auf der Schnauze liegende Sonde SLIM, aufgenommen vom LEV-2-System, das mit an Bord war. Bild: JAXA/TOMY/Sony Group Corporation/Doshisha University

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